ÖVP skeptisch zu Prölls Wahlplänen

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Niederösterreichs Landeshauptmann wünscht sich ein Mehrheitswahlrecht im Bund. ÖVP-Klubchef Kopf sorgt sich aber um das Ende kleiner Parteien.

Wien. Erwin Pröll ist es gelungen, in Niederösterreich seine absolute Mehrheit zu verteidigen. Dadurch gestärkt fordert er seither in mehreren Wortmeldungen ein Mehrheitswahlrecht für den Bund. Es ist nicht der erste Vorstoß Prölls in diese Richtung. Doch der ÖVP-Politiker will die Gunst der Stunde und die Unzufriedenheit mit der Politik nutzen, um seiner Forderung nach klaren Mehrheiten Nachdruck zu verleihen. Klare Mehrheiten würden der Politik auch auf Bundesebene gut tun, weil die Verantwortung für Regierung und Opposition dann klar verteilt sei, so Prölls Credo.

Doch seine Idee ist auch in der eigenen Partei nicht unumstritten. „Ein Mehrheitswahlrecht hätte zwar den Vorteil der schnelleren Regierungsbildung und Entscheidungsfindung, aber um den Preis der mangelnden Abbildung des Wählerwillens in der Zusammensetzung des Parlaments“, gibt ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf zu bedenken. Ein Mehrheitswahlrecht würde nämlich das Aus für die kleineren Parteien bedeuten, erklärte Kopf gegenüber der „Presse“. „Ich bin doch sehr skeptisch, ob dieser Preis dafür steht“, betont der oberste schwarze Parlamentarier.

Kopf verweist zudem darauf, dass für eine derartige Wahlrechtsänderung eine Verfassungsmehrheit notwendig wäre. Auch eine Volksabstimmung könnte nach Ansicht von Juristen bei einer weitgehenden Wahlrechtsreform nötig sein. Aber bereits die Verfassungsmehrheit im Nationalrat ist „unrealistisch“, wie Kopf betont. Zumal die Koalition über keine Zweidrittelstärke im Parlament verfügt. Und die Oppositionsparteien haben in der Vergangenheit bereits mehrfach betont, dass sie ein Mehrheitswahlrecht ablehnen.

SPÖ-Cap legt Veto ein

Aber auch die SPÖ lehnt Prölls Vorstoß klar ab. „Ich sehe da keinen Fortschritt in der Demokratisierung“, meint SPÖ-Klubobmann Josef Cap. Wie Kopf hegt auch er die Sorge, dass kleine Parteien übergangen werden und der Wählerwille nicht mehr im Parlament abgebildet wäre. Wer mehr als 50Prozent an Mandaten erreichen will, müsse eben auch genauso viele Stimmen erhalten, sagt Cap. Dieses Kunststück ist Erwin Pröll in Niederösterreich gelungen. Cap verweist auch darauf, dass etwa das britische Mehrheitswahlrecht gar keine Mehrheit garantiere. In Großbritannien wurde nach dem letzten Urnengang nämlich sehr wohl eine Koalition nötig.

Das britische Wahlrecht sieht vor, dass in jedem Wahlkreis nur ein Mandat vergeben wird. Das erhält der Kandidat, der am meisten Stimmen erhält. Dabei ist es nicht nötig, dass er auf eine absolute Mehrheit kommt. Neben dem britischen gibt es zahlreiche andere Ideen für ein Mehrheitswahlrecht. Etwa, dass die stimmenstärkste Partei auf Bundesebene automatisch die Mehrheit im Parlament erhält. Oder dass es eine Stichwahl im Wahlkreis um ein Mandat gibt. Das hätte den Vorteil, dass der gewählte Kandidat sich auf eine Mehrheit, die für ihn votiert hat, berufen könnte. Stichwahlen kennt etwa das französische System.

All diese Ideen sind auf parlamentarischer Ebene kein Thema. Noch vor der Nationalratswahl im Herbst soll aber eine Reform bei den Vorzugsstimmen eingeführt werden. Bürger sollen sodann auch auf der Bundesliste (und nicht nur auf regionaler Ebene) Kandidaten einer Partei per Vorzugsstimme vorreihen können. Um vorgereiht zu werden, muss der Kandidat aber mindestens sieben Prozent der jeweiligen Parteistimmen erhalten. Auf Ebene der Landes- und Regionalwahlkreise sollen die momentan noch höheren Hürden für Kandidaten, die per Vorzugsstimme ins Parlament einziehen wollen, gesenkt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2013)

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