Nationalratswahl: Das große Gedränge rechts der Mitte

Michael Spindelegger wird im Wahlkampf von ÖVP-Fans bedrängt – und von Konkurrenzparteien rechts der Mitte.
Michael Spindelegger wird im Wahlkampf von ÖVP-Fans bedrängt – und von Konkurrenzparteien rechts der Mitte.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Fünf Parteien buhlen am 29.September um das bürgerliche Wählersegment. Der Verdrängungswettbewerb schadet vor allem der ÖVP, könnte aber auch Folgen für die SPÖ haben.

Wenn Michael Spindelegger am 29.September einen kurzen Blick auf den Wahlzettel wirft, bevor er der ÖVP seine Stimme gibt, wird ihm vielleicht Franz Josef Strauß in den Sinn kommen. Der langjährige Chef der CSU hat einmal über die Ausrichtung seiner Partei gemeint: Rechts von den Christlich-Sozialen dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Das ist Strauß – bei aller Kritik, die man ihm entgegenbringen kann – auch gelungen.

Über die ÖVP lässt sich das nicht sagen. In der politischen Mitte beziehungsweise rechts davon gibt es bei dieser Nationalratswahl mehr Angebot als Nachfrage. Neben der ÖVP tummeln sich dort das BZÖ, die Neos, das Team Stronach und – weiter draußen – die FPÖ. Dieser Verdrängungswettbewerb auf dem politischen Markt schadet zwar allen etablierten Parteien, insbesondere aber der Volkspartei.

Der Meinungsforscher Peter Ulram spricht bereits von „Auflösungserscheinungen im rechten Parteienspektrum“, die auf eine Unzufriedenheit vieler bürgerlicher Wähler mit dem bestehenden Angebot zurückgingen. Ulrams Kollege Peter Hajek formuliert es noch drastischer: Die ÖVP sei an diesen Entwicklungen selbst schuld. „Die Partei hat es nicht geschafft, ihr Angebot für das 21.Jahrhundert zu adaptieren. Dadurch sind Spielräume für neue Bewegungen frei geworden.“

Viele Ähnlichkeiten

Die inhaltlich-ideologischen Unterschiede dieser Parteien sind allerdings nicht immer sofort erkennbar. Das BZÖ und das Team Stronach pflegen eine kleinbürgerliche Spielart des Liberalismus, wobei Stronach auch im Arbeitermilieu um Stimmen wirbt – mit sozialpolitisch linken Botschaften, die man traditionell auch aus der FPÖ vernimmt.

Die Neos wiederum stehen für eine urbanere Form der „Mehr privat, weniger Staat“-Politik. Mit Hans Peter Haselsteiners Eintritt in den Wahlkampf ist die Partei aber ein Stück nach links gerückt. Denn der Ex-Strabag-Chef will für Spitzenverdiener die Einkommensteuer erhöhen (umgekehrt sollen kleinere und mittlere Einkommen entlastet werden) und kann sich eine Erbschaftssteuer vorstellen.

Ruhe im linken Lager

Eine Konkurrenz für die SPÖ stellen die Neos, die eine Wahlplattform mit dem Liberalen Forum bilden, allerdings nicht dar. Von den neuen Parteien kommt Werner Faymann wohl nur das Team Stronach in die Quere. Überhaupt ist es im linken Lager vergleichsweise ruhig. Und dafür gibt es Gründe.

Zum einen hat es seinen Umbruch bereits hinter sich. Ulram etwa fühlt sich angesichts der jüngsten Entwicklungen ausgerechnet an die Entstehung der Grünen vor drei Jahrzehnten erinnert. „Auch damals gab es mehrere, recht unterschiedliche Gruppierungen. Es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis sich herauskristallisiert hat, was das wird.“ Diesmal, meint der Meinungsforscher, könnte es ähnlich sein: Irgendetwas sei im Entstehen, nur eben rechts der Mitte.

Zum anderen sind die Linken traditionell disziplinierter als das bürgerliche Lager. Ein hochrangiger Sozialdemokrat würde wohl nicht auf die Idee kommen, den Wirtschaftsstandort Österreich mitten im Wahlkampf als „abgesandelt“ zu bezeichnen, wie das Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl vor Kurzem getan hat. „Das ist nicht gerade dazu angetan, neue Stimmen zu lukrieren“, meint Ulram.

Und doch könnte das Gedränge rechts der Mitte auch Folgen für die SPÖ haben. Wenn nämlich das Team Stronach (wovon auszugehen ist), das BZÖ und die Neos dem nächsten Nationalrat angehören, ist die rot-schwarze Mehrheit ziemlich sicher Geschichte. Eine Dreierkoalition wäre unausweichlich. Und diesbezüglich gäbe es plötzlich sehr viele Möglichkeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)

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