Kurz: "Haselsteiner wird den Neos schaden"

Sebastian Kurz: „Was stimmt, ist, dass die Zuwanderer in der Vergangenheit ganz massiv SPÖ gewählt haben. Ob das nun schrittweise aufbricht? Ich weiß es nicht.“
Sebastian Kurz: „Was stimmt, ist, dass die Zuwanderer in der Vergangenheit ganz massiv SPÖ gewählt haben. Ob das nun schrittweise aufbricht? Ich weiß es nicht.“(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz will neben dem Koalitionspakt künftig auch einen Nebenvertrag mit der Opposition in wichtigen Punkten - wie bei einem Schuldenverbot.

Die Presse: Erkennen Sie Ihren Parteichef wieder, wenn Sie ihn in den TV-Debatten sehen?

Sebastian Kurz: Da ich jeden Abend Veranstaltungen habe, muss ich zugeben: Ich habe noch kein einziges TV-Duell gesehen. Aber da ich Michael Spindelegger schon sehr oft in meinem Leben gesehen habe, würde ich ihn, glaube ich auch, im Fernsehen wiedererkennen.

Er wirkt ein wenig überdreht – um es vorsichtig zu formulieren.

Ich habe ihn persönlich schon bei vielen Auftritten erlebt, und da wirkt er sehr energiegeladen und engagiert wahlkämpfend.

Sie gelten als Aushängeschild der ÖVP-Regierungsmannschaft. Wieso sind Sie in Wien dann nicht auf Platz eins gereiht? Das ist für Ihre Partei ja ein traditionell hartes Pflaster.

Ich bin Bundesobmann der Jungen ÖVP und habe als solcher eine bundesweite Aufgabe. Und bin daher im Wahlkampf in allen Ländern unterwegs. Ich wollte das auch so. Ich bin aber selbstverständlich auch in Wien als Nummer zwei der Landesliste unterwegs.

Gerade im urbanen Bereich könnten die Neos der ÖVP entscheidende Prozentpunkte abknabbern.

Ich glaube, dass Hans-Peter Haselsteiners Antritt den Neos schaden wird. Für mich waren die Neos zu Beginn eine junge, neue Truppe. Jetzt haben sie eine Taktik gewählt, die ich für sehr verwunderlich halte, weil sie auf einmal einen Spitzenkandidaten aus dem Hut gezaubert haben, der sich altersmäßig eher bei Stronach eingliedern würde.

Jünger als Stronach ist Haselsteiner schon. Und Spitzenkandidat ist er auch nicht.

Schon ja. Aber er ist wieder ein Pensionist, der sich doch noch einmal für die Politik entscheidet. Das ist auch legitim. Aber das ist dann schon auch der nächste Millionär, der sich eine Partei hält. Und außerdem finde ich es verwunderlich, dass eine Plattform wie die Neos, die sich selbst einmal als bürgerlich bezeichnet hat, da jetzt mit jemandem antritt, der für viele sozialistische Ideen bekannt ist.

Finden Sie auch, dass der Standort Österreich „abgesandelt“ ist?

Ich habe das Gefühl, dass es keinen Anlass für Selbstzufriedenheit gibt. Es ist ja auch nicht so, dass sich Wachstum nur in Europa abspielt – ganz im Gegenteil. Ich habe auf meinen Reisen Länder kennengelernt, die vor 40 Jahren noch Entwicklungsländer waren und uns jetzt in vielen Bereichen überholt haben – wie Singapur.

Christoph Leitl hat also recht?

Wir müssen aufpassen, dass wir in Europa mittelfristig nicht nur das Disneyland für Touristen sind, die auf Kultur und schöne Gebäude aus sind. Wir müssen uns schon bemühen, dass wir weiterhin ein Wirtschafts- und Industriestandort bleiben. Da habe ich das Gefühl, dass wir zurückfallen.

Wählen Migranten, denen bisher eher eine Nähe zur SPÖ, mitunter auch zur FPÖ, nachgesagt wurde, nun, nach zweieinhalb Jahren Integrationsstaatssekretär Kurz, vermehrt auch ÖVP?

Das ist schwer einzuschätzen. Ich habe in meiner Arbeit ein sehr gutes Verhältnis zu wesentlichen Multiplikatoren im Integrationsbereich, weil ich diese Menschen ja auch für meine Arbeit brauche. Ob diese Wertschätzung, die es mir gegenüber gibt, auch auf das Wahlverhalten durchschlägt, weiß ich nicht. Was stimmt, ist, dass die Zuwanderer in der Vergangenheit ganz massiv SPÖ gewählt haben. Ob das nun schrittweise aufbricht? Ich weiß es nicht.

Schadet Ihnen die Aussage Ihrer Parteikollegin Ursula Stenzel, die Migranten auf der ÖVP-Liste nicht wirklich für notwendig erachtet?

Die ÖVP muss in ihren Werthaltungen klar sein, sollte aber offen für jeden sein, der mitmachen möchte und diese Werthaltungen teilt. Da sollte man nicht darauf schauen, woher jemand kommt – beziehungsweise seine Eltern.

Sie haben SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied unterstellt, sie wolle den Religionsunterricht abschaffen. Sie hat das scharf zurückgewiesen. War das eine reine Wahlkampf-Finte Ihrerseits?

Ich weiß, dass die Frau Bildungsministerin mit Religion wenig anfängt, und sie gern eine verpflichtenden Ethikunterricht für alle hätte. Jetzt kann man darüber streiten, ob das dann eine Abschaffung des Religionsunterrichts wäre oder auf eine starke Schwächung hinauslaufen würde.

Warum kein Ethikunterricht für alle?

Weil eine ordentliche Auseinandersetzung mit der eigenen Religion wichtig ist. Und Religion nichts ist, was sich im Hinterhof abspielen sollte. Wie wäre denn die Realität, wenn wir den Religionsunterricht nicht mehr an den Schulen hätten? Es gäbe ihn in irgendwelchen Hinterhöfen anstatt im öffentlichen Raum, wo er hingehört.

Soll es nach der Wahl wieder eine rot-schwarze Koalition geben – wenn es sich ausgeht?

Ich kann mir auch Schwarz-Grün gut vorstellen. Was mir aber wichtig wäre: dass man das nächste Mal auch den Versuch startet, über einen Koalitionsvertrag hinaus, in bestimmten Punkten in einer Art Parlamentsvertrag auch mit der Opposition einen Grundkonsens zustande zu bringen. Etwa keine neuen Schulden zu machen. Mit einem Schuldenverbot in der Verfassung.

Warum sollte die Opposition das tun?

Weil diese Dinge auch in ihren eigenen Parteiprogrammen stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)


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