Jungwähler-Debatte: "Likes" und Buh-Rufe im Parlament

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Schuelern Dialog Parlament FacebookStil(c) Hellin Sapinski (Presse Digital)
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Vertreter der neun bundesweit antretenden Parteien stellten sich den Fragen von rund 270 Schülern, bekamen "Likes" und fühlten sich zeitweise "wie im Zirkus".

"Auf der einen Seite bekommen Ex-Politiker Unsummen an Pensionen, auf der anderen machen Jugendliche unentgeltliche Praktika - da bekomme ich solche Kabel", ruft Matthias Strolz, Spitzenkandidat der Neos, und bekommt zahlreiche "Likes". "Diese Rechenspiele, das ist wie im Zirkus", pflichtet KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner bei. "Bei den freiheitlichen Plakaten kommt mir das Kotzen", schimpft unterdessen JVP-Stellvertreter Asdin El Habbassi.

Der Ton im Hohen Haus mutet am Donnerstag betont lässig an. Grund dafür sind die rund 270 Schüler, die gekommen sind, um im Rahmen der Veranstaltung "29913 - Du gibst den Ton an!" mit den Jugendvertretern jener neun Parteien zu diskutieren, die bei der Nationalratswahl am 29. September bundesweit antreten. Für ihre Antworten haben die Politiker je eine Minute Zeit. Die Schüler können mit Kärtchen, die an das "Gefällt mir"-Symbol von "Facebook" angelehnt sind, ihre Meinung dazu abgeben (grün: stimme zu, rot: stimme nicht zu, gelb: verstehe ich nicht).

Parteien setzen auf jugendliches "Gewicht"

Ihre Stimme abgeben können in diesem Jahr übrigens rund 348.000 Erstwähler - insgesamt sind mehr als 6,38 Millionen Menschen stimmberechtigt. Der Appell vom Podium ist entsprechend einstimmig: "Geht auf jeden Fall wählen." Für das "richtige" Kreuzerl der Jungen werben die Parteien seit Wochen intensiv: Die JVP etwa lässt Jugendliche auf eine Waage steigen, das gesammelte "Gewicht der Jungen" soll sich im nächsten Regierungsprogramm wiederfinden. Die Grünen wollen die Erstwähler mit Sonnenbrillen und einer Zeitschrift ködern, das BZÖ setzt auf "Alles dreht sich um die Jugend"-Jo-Jos.

Die SPÖ teilt rote Brillen und Gummibären aus und ruft Jugendliche auf, ihre Forderungen auf einem virtuellen Plakat festzuhalten. Das Team Stronach will mit einem Gewinnspiel punkten - für die beste Idee, was man als Kanzler im Land verändern sollte, winken 100.000 Euro. Die FPÖ möchte "um Längen besser" sein und teilt Kondome mit entsprechender Aufschrift aus. Zudem wird auf das Charisma von Parteichef Heinz-Christian Strache gesetzt, den man bei blauen Clubbings treffen kann. Die Neos wollen mit Frisbees "frischen Wind" erzeugen, während Piraten und KPÖ auf Geschenke verzichten.

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Einigkeit und "belämmerte" Plakate

Vor Beginn der Debatte am Donnerstag werden die letzten Unklarheiten beseitigt: "Wer ist denn die mit den langen Haaren?", rätseln die Jugendlichen. "Ich glaub', die ist vom Team Stronach." "Nein, das ist eine Rote, die Katharina Kucharowits." "Und der dort?" Nach Minuten des Zweifelns klärt Moderator Christoph Riedl auf: Er stellt die (Jung-)Politiker vor und gibt den Startschuss für die "Sondersitzung".

"Was würden Sie tun, wenn sich die Zentralmatura als Fehlschlag herausstellt?", will eine 16-jährige Gymnasiastin wissen. "Zurück an den Start - mit einem gescheiten Plan", antwortet die Piratin Juliana Okropiridse und erntet Zuspruch von ihren Kollegen auf der "Regierungsbank". Einigkeit herrscht auch bei den Themen "Gleichberechtigung" ("Frauen müssen für die gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen") und "Umwelt" ("Mit einem Ticket sollen Schüler mit allen Öffis fahren können").

Emotionaler wird es bei der "Antidiskriminierung". "Warum sind Plakate wie 'Abendland in Christenhand' nicht verboten?", lautet eine Frage. "Das ist nicht rassistisch", betont der FPÖ-ler Christian Höbart. "Wir finden bloß klare Worte und viele Leute sind unserer Meinung. Heuer geht es uns um die Nächstenliebe. Was ist schlecht daran?". Buh-Rufe erfüllen den Plenarsaal. "Ich halte solche Parolen nicht aus", entfährt es Katharina Kucharowits (SPÖ). Und Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne) fordert ein "Verbot für alles Menschenverachtende". Applaus ertönt, ein Appell von BZÖ-Mann Stefan Petzner folgt: "Verbote schränken die Meinungsfreiheit ein. Was, wenn ich sage, diese 'belämmerten' Grün-Plakate sind diskriminierend?"

"Die Neos haben mich überrascht"

"Ich fühle mich gut informiert", urteilt ein Schüler nach der zweistündigen Sitzung. "Ich habe zwar beim Team-Stronach-Gewinnspiel mitgemacht, wählen werde ich die aber nicht. Ihre Argumente sind mir zu flach." Besser abschneiden können die Grünen. "Die sind angriffslustig", sagt eine Schülerin, aber: "Sie haben die die Mariahilfer Straße zerstört." "Ich habe deren 'Eva'-Magazin bekommen", grinst ein Gymnasiast. "Gelesen habe ich es nicht, aber das mitgelieferte Kondom finde ich super." "Mir war das Kipferl vom BZÖ lieber", meint ein anderer. "Aber beeinflussen lass' ich mich dadurch nicht."

Weniger Anklang finden die Freiheitlichen. "Die sind so extrem", kommentiert eine Erstwählerin knapp. "Stell dir vor, der Parteichef, der mit dir tanzen geht, wird Kanzler. Hat man da noch Respekt?" Punkten kann dafür die "neue Partei". "Die Neos haben mich überrascht. Die sind dynamisch und wirken kompetent", lautet das allgemeine Echo. "Der Messner dagegen redet so kompliziert, das kann nix", gibt es eine Abfuhr für die Kommunisten. "Und die Piraten kriegen den Mund erst gar nicht auf."

Zu den Regierungsparteien äußert sich kaum ein Schüler. Die Ansichten von ÖVP und SPÖ zu den diskutierten Themen hätten zwar gefallen, von Kanzler und Vizekanzler sei man aber eher enttäuscht. "Die reden, aber tun nichts. Vielleicht sollten sie die Jungen ranlassen?"

In Kürze

Im Rahmen der Kampagne der Bundesjugendvertretung "29913 - Du gibst den Ton an!" fand im Parlament eine Dialogveranstaltung statt. Unter der Moderation von ORF-Reporter Christoph Riedl stellten sich die (Jugend-)Vertreter der neun Parteien – Katharina Kucharowits (SPÖ), Asdin El Habbassi (ÖVP), Christian Höbart (FPÖ), Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne), Stefan Petzner (BZÖ), Daniel Brandtmayer (Team Stronach), Mirko Messner (KPÖ), Matthias Strolz (Neos) und Juliana Okropiridse (Piraten) –, den Fragen von rund 270 Schülern.

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