Koalition verliert, Neos drinnen

Wahl 2013. SPÖ und ÖVP verlieren zu gleichen Teilen – und werden wohl weiterregieren. Die FPÖ triumphiert, die Grünen stagnieren, und das Team Stronach enttäuscht.

Wien. Dass die SPÖ mehr verlor wie die ÖVP, war dann doch eine Überraschung. Denn die Konkurrenz auf der Rechten war weit größer gewesen. Und hier standen auch die großen Wahlsieger dieses 29.September: die Strache-FPÖ (plus 3,1 Prozentpunkte), das Team Stronach (plus 5,8 Prozentpunkte) und die Neos (plus 5,2 Prozentpunkte).

Vor allem Letztere, gegründet von ÖVP-Dissidenten, waren eine (liberalere) Alternative für bisherige ÖVP-Wähler. Seit dem Einzug der Grünen in den Nationalrat 1986 hat es keine Partei mehr aus dem Stand ins Parlament geschafft – ohne Mandate davor, ohne Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei den Spitzenkandidatenduellen. Während in Deutschland die FDP aus dem Bundestag geflogen ist, hat Österreich nun wieder Liberale im Parlament.

Die Neos stünden auch als potenzieller Koalitionspartner zur Verfügung. Sie werden aber nicht gebraucht. Zumindest nicht für eine Große Koalition. Denn diese geht sich weiterhin aus. Auf niedrigstem Niveau freilich. Die Frage ist: Werden sich SPÖ und ÖVP wiederum auf eine solche Regierungsform, eine Koalition der Verlierer, festlegen? Auch in der Steiermark erhielt diese, die auf Landesebene als Erfolgsmodell gilt, eine deutliche Absage. Hier haben aber wohl auch die Gemeindefusionen eine entscheidende Rolle gespielt.

Wagt die ÖVP eine Rechtskoalition?

Neben einer Großen Koalition weiterhin möglich ist eine Rechts-Koalition aus ÖVP, FPÖ und dem Team Stronach. Der Druck aus der ÖVP-Basis wird steigen, solch ein Wagnis einzugehen. Denn noch einmal mit der SPÖ zu regieren würde weitere Verluste bedeuten. Allerdings: Ist Michael Spindelegger in der Lage, zwei so unterschiedliche wie eigenwillige Charaktere wie Heinz-Christian Strache und Frank Stronach zu bändigen? Und vor allem: Würde Michael Spindelegger überhaupt derjenige sein, der die Verhandlungen führt? Eine Obmanndebatte stehe derzeit jedenfalls nicht an, beeilten sich gestern alle ÖVP-Granden festzuhalten.

Das größte Hindernis für eine Rechtskoalition ist jedoch der wahre Mächtige in der ÖVP, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll. Er hat sich bereits festgelegt: Eine Zusammenarbeit der ÖVP mit dem Team Stronach und der FPÖ werde es nicht geben. Die ÖVP-Verluste sind aber auch eine Niederlage für Erwin Pröll: Er hat Spindelegger als ÖVP-Obmann schließlich ausgesucht.

Auf der anderen Seite werden sich auch die tonangebenden Kräfte in der SPÖ etwas überlegen müssen: Das schlechteste Ergebnis der Geschichte – und das, obwohl man mit dem Kanzler eigentlich über einen Bonus verfügen müsste. Der Vergleich mit Deutschland fällt hier eindeutig aus: Angela Merkel hat den Kanzlerbonus eindrucksvoll genützt. Werner Faymann hat mit Müh und Not die Stammwähler gehalten. Dass die SPÖ immer noch mehr davon hat als die ÖVP, hat letztendlich den Ausschlag gegeben.

Überraschende Details am Rande: Laut Analyse des Sora-Instituts überzeugte die ÖVP deutlich mehr Frauen als Männer, wurde dafür jedoch bei den Akademikern von den Grünen überholt. Und laut Peter Hajeks Nachwahlbefragung hat die sanftere „Nächstenliebe“-Kampagne der FPÖ voll gegriffen. Zudem war Hans Peter Haselsteiner – entgegen den Erwartungen – tatsächlich eines der Hauptmotive, Neos zu wählen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2013)


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