Die SPÖ misstraut der ÖVP. Im Parlament sucht SPÖ-Klubchef Cap mit anderen Parteien Mehrheiten für Verfassungsgesetze. Das lässt auch die Möglichkeit zu, eine Minderheitsregierung auszuloten.
Wien. Noch steht der formelle Auftrag zur Regierungsbildung von Bundespräsident Heinz Fischer an Bundeskanzler Werner Faymann als Chef der stärksten Partei aus. Der SPÖ-Vorsitzende hat am Dienstag nach dem Ministerrat bekräftigt, nur mit der ÖVP Koalitionsverhandlungen zu führen. Er will sich jedoch dem bisherigen Koalitionspartner ÖVP nicht völlig ausliefern.
Auf parlamentarischer Ebene wird es mit allen Gespräche geben. Im Parlament wird deswegen Klubobmann Josef Cap schon in den kommenden Tagen Kontakt mit den anderen Parteien aufnehmen. Inhaltlich geht es dabei um mögliche thematische Übereinstimmungen. Das bietet für die SPÖ auch die Handhabe, das Terrain für etwaige Beschlüsse im koalitionsfreien Raum zu ergründen. Da es in der ÖVP massive Vorbehalte gegen eine Neuauflage von Rot-Schwarz gibt, ergibt sich zudem die Chance, eine Unterstützung für eine Minderheitsregierung der SPÖ zu prüfen.
In der SPÖ hofft man zwar, dass die ÖVP dank des Einflusses der starken niederösterreichischen ÖVP mit Erwin Pröll letztlich die rot-schwarze Regierung in einer „runderneuerten“ Form fortsetzen wird. Caps Erkundungsmission eröffnet Faymanns SPÖ aber, einen etwaigen Ausweg aus einem strategischen Dilemma zu finden. Anders als der ÖVP bleibt der SPÖ nach dem Nein zu einer Regierung mit der FPÖ nur die Volkspartei als etwaiger Zweier-Regierungspartner.
Suche nach Zweidrittelmehrheiten
Eines von Faymanns Problemen: Zwischen SPÖ und FPÖ gibt es in der Wählerschaft, wie sich am Sonntag in der Steiermark gezeigt hat, durchaus Überlappungen. Rote Basisfunktionäre haben auch geringere Berührungsängste zu Blauen auf lokaler Ebene. Bei dem Abgehen der Bundes-SPÖ von der „Nein zur FPÖ“-Doktrin würde die Kanzlerpartei allerdings einer Zerreißprobe unterzogen.
Auf Parlamentsebene sind Beratungen mit Oppositionsparteien unverfänglicher. Vor der Wahl 2008 hat die SPÖ auch mit der FPÖ beim Ende für Studiengebühren im Hohen Haus gemeinsame Sache gemacht. Die offizielle SPÖ-Darstellung klingt freilich anders. Für die SPÖ gebe es keine Alternative zur Großen Koalition, versicherte Josef Cap am Dienstag im Gespräch mit der „Presse“. Die Beratungen mit den anderen Parlamentsparteien haben dazu gedient, die Positionen bei Themen auszuloten, die eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erfordern. Dazu gehörten unter anderem das Lehrerdienstrecht, die direkte Demokratie und EU-Materien, sagte der SPÖ-Klubchef.
Damit sieht die SPÖ nicht tatenlos den von ÖVP-Chef Spindelegger angekündigten Gesprächen mit den anderen Partei zu. Es herrscht Misstrauen gegenüber der ÖVP. Der SPÖ und Faymann sitzt die Angst im Nacken, dass sich die Ereignisse von 1999/2000, die zu Schwarz-Blau führten, wiederholen könnten und ähnlich wie damals Viktor Klima nun Faymann bei den Bemühungen um eine Regierungsbildung scheitern könnte. Die ÖVP hat nicht nur betont, dass der Ball bei Faymann liege, sondern für Gespräche mit den Parteien ein Nein zu neuen Steuern ins Spiel gebracht. Für Faymann und die SPÖ ist das eine kaum zu bewältigende Hürde.
In der eigenen Partei kämpft Faymann mit einem anderen Problem. Er konnte als Kanzler den weiteren Absturz nicht verhindern. Befragungen haben ergeben, dass die SPÖ bei den Jungen hinterherhinkt. Mit steigendem Bildungsgrad der Wähler wird der SPÖ-Aderlass auch größer. Die SPÖ selbst sieht hingegen als Hauptproblem vom Sonntag die vielen Nichtwähler und mangelnde Mobilisierung.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2013)