Der Kampf um Wiens Bürgerliche

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Nirgendwo sonst in Wien wird die Zersplitterung des bürgerlichen Lagers deutlicher als im 18. Bezirk. Hier liefern einander ÖVP, Grüne und Neos ein Match um ähnliche Wähler.

Wien. Der Bezirk ist wohlhabend, aber nicht reich, er ist nahe dem Stadtrand, aber nicht zu weit weg vom Zentrum, es gibt hübsche Parks für die Kinder und kleine, bunte Cafés, die die hiesigen Mittelschicht-Mittdreißiger angenehm an Wien-Neubau erinnern. Kurz: Wien-Währing ist jener Bezirk, wo man den bürgerlichen Wähler in all seinen Ausprägungen trifft.
Währing ist auch jener Bezirk der am Wahlabend die Zersplitterung des bürgerlichen Lagers wie kein anderer illustrierte. Die ursprünglich schwarze Bastion leuchtete am Sonntag erst grün, bevor sich mit den Wahlkarten das Bezirksergebnis wieder zugunsten der ÖVP drehte. Und hier fuhren die Neos mit fast 13 Prozent eines ihrer stärksten Bezirksergebnisse ein. Das Ergebnis entspricht den bundesweiten Wahlanalysen: Junge Bürgerliche tendieren stark zu den Grünen bzw. Neos, ältere zur ÖVP, teilweise auch Neos (Stichwort: Wirtschaft). Wobei für Wien, wo Meinungsforscher 75 Prozent der Bevölkerung unter „links-liberal“ subsumieren, zu ergänzen ist: Auch die SPÖ ist bei den Bürgerlichen gut vertreten (auf Gemeinderatsebene ist Währing bei Wien-Wahlen rot).
Tatsächlich muss man wohl zwischen „bürgerlich“ und „bürgerlich“ differenzieren. Politologe Peter Filzmaier unterscheidet einerseits die bürgerlich Liberalen – also jene jungen Städter, die sich etwa in Währing nahe des Gürtels ansiedeln. Das ist die Neigungsgruppe Grün-Neos. Und andererseits gibt es die bürgerlich Konservativen, die meist Älteren, die in Währing eher Richtung Stadtrand wohnen. Die „gehör(t)en“ der ÖVP.



Überholen Neos 2015 ÖVP?

Neos hat beiden Parteien, ÖVP und Grüne, Stimmen gekostet, wenn auch der ÖVP eindeutiger. Karl-Arthur Arlamovsky, Rechtsanwalt, Physiker, Neos-Gründungsmitglied und pinker Listenerster im Wahlsprengel, sieht es so: Junge habe man von den Grünen, Ältere von der ÖVP gewonnen. Insofern ist das Kalkül aufgegangen. Die Neos haben für die Wahl gezielt jene Bezirke bearbeitet, in denen Grüne, ÖVP stark sind und früher das Liberale Forum reüssierte.
Was diese Wahl über die Chancen bei der Gemeinderatswahl 2015 sagt? Derzeit sind die Neos noch mit den Folgen des Erfolgs beschäftigt, etwa mit der Gründung einer Parteiakademie. Aber in Hinblick auf die Wien-Wahl will man rasch einen wienweiten Bürgerbeteiligungsprozess starten – wie vor der Nationalratswahl. Arlamovsky  hält ein zweistelligen Wien-Ergebnis 2015 für möglich. „Es ist denkbar, dass wir die ÖVP überholen.“
Diese nimmt nun die Konkurrenz ernst. „Es gibt in Wien ein bürgerliches Überangebot. In diesem Umfeld treten jenseits von Rot-Grün fünf Parteien an, die sich gegenseitig auf die Zehen treten“, resümiert der Wiener VP-Chef Manfred Juraczka.  Nachsatz: Hätten die Neos nicht kandidiert, wäre die ÖVP österreichweit auf dem ersten Platz. Glaubt Juraczka. Und er übt Partei-Kritik: Es sei nicht hilfreich gewesen, „wenn sich manche unserer Mandatare bei einem Auftritt von Thilo Sarrazin neben Heinz-Christian Strache setzen.“

Stenzel kritisiert Juraczka

Juraczka ist nicht der einzige aus der Wiener ÖVP, der nun laut kritisiert: In der „Krone“ wehrt sich die Bezirksvorsteherin der Innenstadt gegen Vorwürfe. Dort hatten die Neos die höchsten Gewinne und die ÖVP herbe Verluste: Sie selbst sei am Wahlkampf nicht beteiligt worden, klagt Ursula Stenzel. Der Kandidat im ersten Bezirk, Markus Figl, habe „nicht gezogen“. Das gelte auch für Jurazcka: „Der Stadtparteichef bringt keinen geraden Satz in einem TV-Interview raus“, so die frühere Fernsehsprecherin. Auch vom Angebot der Bundespartei war Stenzel „enttäuscht“. Und zu Neos meint sie: „Die ÖVP hat leider nie jemanden zugelassen, der frischen Wind in die Partei bringt.“
Während es bei der ÖVP also bereits brodelt, warten die Bezirks-Grünen in Währing ab. Klubobmann Marcel Kneuer glaubt, dass Grünwähler die Neos bloß aus taktischen Gründen unterstützt hätten, damit sie den Einzug in den Nationalrat schaffen. Bei der Wien-Wahl würde das Thema Verkehr dominieren – und da seien die jeweiligen Positionen von ÖVP und Grünen „besetzt“. „Da wissen wir gar nicht, wo die Neos stehen.“ Dass es Überschneidungen der Wählergruppen mit Neos gibt, streitet er aber nicht ab: Immerhin hätten die Grünen den Abschied des Liberalen Forums damals beim Wahlergebnis als Gewinn gemerkt. Nun gibt es eben neue Erben.

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