Goldegg, Hort der ÖVP-Rebellen

Goldegg, Hort der ÖVP-Rebellen
Goldegg, Hort der ÖVP-Rebellen(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Goldegg ist ein Ort wie aus dem Bilderbuch, aber auch ein Nährboden für Abweichler und nun Hochburg des Teams Stronach.

Goldegg. Zwei Drittel der Bevölkerung seien häretische, ungehorsame Untertanen: Das sagte der Pfarrer 1613 über seine Goldegger Schäfchen. Die Pongauer Bauern hatten sich den Lehren Martin Luthers zugewandt, missachteten Fasttage und verlangten nach Reformation. Auch ein Bauernaufstand gegen den Erzbischof ist überliefert.

Bürgermeister Mayr wechselte die Seite

Rebellion dürfte in der idyllischen Gemeinde, die auf einer Terrasse über dem Salzachtal eingebettet zwischen Bergen, Wiesen und Wäldern liegt, eine gewisse Tradition haben. Heute trifft das Aufrührerische nicht mehr die katholische Kirche, sondern die ÖVP. Bürgermeister Hans Mayr, der sich vor ein paar Wochen von seiner alten politischen Heimat bei den Schwarzen abgewandt hat und zum Team Stronach gewechselt ist, erreichte am Sonntag überraschend mit der neuen Gruppierung 24,3 Prozent. Sie ist damit die stimmenstärkste Partei.

Der Goldegger Hotelier Sepp Schellhorn, der für die Volkspartei im Gemeinderat sitzt, wird heuer bei den Nationalratswahlen für die Neos kandidieren. Auch Grün-Mandatar Cyriak Schwaighofer, der seit seinem zwölften Lebensjahr in Goldegg lebt, hat seine politischen Wurzeln bei den örtlichen Schwarzen.

„Muss sich wahnsinnig auf die Füße stellen“

Goldegg als ein Hort der ÖVP-Rebellen? Reiner Zufall, glauben die Protagonisten. Und doch ist es ein besonderes Klima, das in diesem Pongauer Dorf Menschen hervorbringt, die etwas bewegen und verändern wollen. Das ländliche Idyll als Energieplatz für kritische Geister. Die Moderne mit ihren Skischaukeln und Großhotels ist an Goldegg vorbeigezogen. Die Zeit ist hier stehen geblieben. Ob genau das in Zeiten, in denen Retro und Nachhaltigkeit den Zeitgeist prägen, Potenzial für anderes schafft? Wer der bäuerlichen Enge nicht den Rücken kehrt, muss selbst aktiv werden, um etwas zu verändern. „Es ist ein kleiner Ort, in dem man sich wahnsinnig auf die Füße stellen muss, wenn man etwas erreichen will“, sagt der umtriebige Unternehmer Schellhorn.

Als „düstersten Ort, den ich jemals gesehen habe“ beschrieb Thomas Bernhard den Goldegger Ortsteil Weng. Die Menschen dort seien „schwachsinnige“, „im Rausch erzeugte“ Menschen enormer „Hässlichkeit“. Das, was der Dichter in seinem 1963 erschienenen ersten Roman „Frost“ über den fiktiven Ort Weng geschrieben hat, hat die Goldegger vor 50 Jahren richtig zornig gemacht. Sie beschwerten sich über den Schaden für den Tourismus, der dadurch entstanden sei. Heuer kommen Gäste gerade wegen „Frost“. Bernhard-Fan Schellhorn holt die Creme de la Creme des deutschsprachigen Theaters für ein Bernhard-Festival nach Goldegg.

Kultur abseits des lokalen Brauchtums hat seit den 80ern einen hohen Stellenwert im Ort. Der Kulturverein holt seit Jahrzehnten zu den Goldegger Dialogen und anderen Veranstaltungen international renommierte Referenten, die sich um Zukunftsfragen kümmern oder Antworten auf persönliche und gesellschaftliche Sinnsuche zu geben suchen. So etwas geht nicht spurlos vorbei. Auch nicht an einem Ort wie Goldegg.
Tipp: „Frost“-Festival zu Ehren Thomas Bernhards in Goldegg von 17. bis 19. Mai.



Hans Mayr

Mayr war 1978 einer der Gründer der Jungen ÖVP Goldegg. 2004 wurde er Gemeindevertreter, seit 2008 ist Mayr Bürgermeister von Goldegg. Nach dem Salzburger Finanzskandal trat Mayr Anfang 2013 aus der ÖVP aus und wurde Spitzenkandidat des Teams Stronach für die Landtagswahl.

Sepp Schellhorn

Der langjährige Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung ist auf Gemeindeebene für die ÖVP aktiv. Bei der Landtagswahl unterstützte Schellhorn ÖVP-Kandidat Wilfried Haslauer. Bei der Nationalratswahl im Herbst hingegen wird Schellhorn für die neue Partei Neos antreten.

Cyriak Schweighofer

Auch der Grün-Mandatar hat seine politischen Wurzeln in der ÖVP, er war Gemeindevertreter in Goldegg und wurde in weiterer Folge Vizebürgermeister. Bei der Landtagswahl 1999 zog er aber als Listenführer für die Grünen in den Landtag ein. 2011 gab er die Parteiführung an Astrid Rössler ab.

[APA (2), Seehof]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)


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