Tirol-Wahl: ÖVP verliert kaum, erste Pleite für Stronach

TirolWahl oeVP verliert kaum
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Die ÖVP schneidet trotz ihres historisch schlechtesten Ergebnisses besser ab als erwartet. Landeshauptmann Platter kann sich jetzt seinen Koalitionspartner aussuchen: SPÖ, Grüne und FPÖ stehen bereit.

Die ÖVP hat am Sonntag in Tirol ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Und doch: Es hätte deutlich schlimmer kommen können. Die Verluste bei der Landtagswahl hielten sich - anders als in den Umfragen prophezeit - in engen Grenzen. Dem vorläufigen Endergebnis zufolge kam die ÖVP auf 39,6 Prozent nach 40,5 Prozent vor fünf Jahren. Die große Wende bleibt damit aus, die Schwarzen stellen wieder den Landeshauptmann - wie sie das in den vergangenen 68 Jahren in Tirol immer getan haben. Günther Platter erreicht zudem sein (bescheidenes) Wahlziel: Der Landeshauptmann hält die 16 Mandate im Landtag.

Von den elf angetretenen Listen nahmen nur sechs die Fünf-Prozent-Hürde. Im Landtag vertreten sind demnach künftig neben der ÖVP auch der bisherige Koalitionspartner SPÖ, die Grünen, die FPÖ, die erstmals angetretene Liste „Vorwärts Tirol" und trotz massiver Verluste auch die Liste Fritz. Transit-Rebell Fritz Gurgiser hat den Einzug mit 4,8 Prozent hauchdünn verpasst. Die Wahlkarten, die bis Dienstagabend ausgezählt werden, dürften daran nichts mehr ändern.

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Das Team Stronach verfehlte den Einzug in den Landtag  klar. Es ist die erste große Wahlpleite für die noch junge Polit-Bewegung des nicht mehr ganz so jungen Austro-Kanadiers. Nach „Listen-Chaos" und personellen Zerwürfnissen im Wahlkampf kam die von der Bundespartei letztlich doch unterstützte Liste um Spitzenkandidat Hans-Peter Mayr nur auf magere 3,4 Prozent.

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Die SPÖ teilt sich unterdessen mit dem Koalitionspartner ÖVP das Schicksal, ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Tirol eingefahren zu haben. Wenngleich es für die Sozialdemokraten um Spitzenkandidat Gerhard Reheis von weit niedrigerem Niveau bergab ging - 13,8 Prozent nach 15,5 Prozent 2008. Die Grünen unter Ingrid Felipe legten im für Umweltthemen sensibilisierten Transitland Tirol als einzige im Landtag vertretene Partei leicht auf 12,1 Prozent zu (plus 1,41 Prozent) und errangen in der Landeshauptstadt Innsbruck mit 23,9 Prozent sogar die relative Mehrheit. Und die VP-Abspaltung "Vorwärts Tirol" um Ex-VP-Landesrätin Anna Hosp schaffte landesweit aus dem Stand 9,3 Prozent und damit vier Mandate. Mit der Liste Fritz sitzt auch noch eine zweite VP-Abspaltung im Landtag, wenngleich die Bewegung nach dem Rückzug von Gründer und VP-Dissident Fritz Dinkhauser unter der neuen Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider von 18,4 auf 5,6 Prozent abstürzte.

Federn lassen musste auch die FPÖ, die Rechtspartei ist in Tirol nicht mehr zweistellig. Sie verlor 2,8 Prozentpunkte und landete bei 9,6 Prozent. Der zugespitzte Ausländerwahlkampf von Spitzenkandidat Gerald Hauser mit Slogans wie "Lassen wir doch die Kirche im Dorf... und das Minarett in Istanbul" hat offensichtlich nicht so gezogen, wie man sich das im freiheitlichen Lager vorgestellt hat.

Koalitionspoker beginnt

Noch am Wahlabend hat der Koalitionspoker begonnen, am Montag werden die ersten Parteigremien tagen. Die SPÖ hat in Tirol seit 1945 immer mitregiert - und Reheis deutete an, dass seine Sozialdemokraten zu einer Großen Koalition wieder bereit wären. Platter hat nun allerdings die Qual der Wahl: Denn neben Schwarz-Rot ginge sich auch Schwarz-Blau, Schwarz-Grün sowie eine Koalition mit "Vorwärts Tirol" rechnerisch aus.

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TirolWahl oeVP verliert kaum(c) APA

FPÖ-Landeschef Hauser erklärte noch am Wahlabend, er sei zu einer "bürgerlichen Regierung" mit der ÖVP bereit. Auch die Grünen haben bereits Interesse signalisiert, von einer  Regierungsbeteiligung erhoffen sie sich Auftrieb für die Nationalratswahl. Die ÖVP-Abspaltung "Vorwärts Tirol" schließt eine Koalition mit der Volkspartei unter Platter dagegen "dezidiert aus", wie Spitzenkandidatin und Ex-VP-Landesrätin Hosp noch am Wahlabend erklärte. Dabei könnte VP-Vizekanzler Michael Spindelegger mit dieser Variante liebäugeln: Er sei für die Zusammenführung des bürgerlichen Lagers, erklärte er am Sonntagabend. "Damit die ÖVP wieder die alleinige starke Kraft wird". Konkreter wollte Spindelegger nicht werden.

Landeshauptmann Platter ließ keine Koalitions-Präferenzen durchblicken. Erster Ansprechpartner sei zwar die SPÖ als Zweitplatzierter, er werde aber mit allen Parteien das Gespräch suchen, so Platter. Bis Ende der Woche will er entscheiden, mit welcher Partei dann konkrete Koalitionsgespräche geführt werden.

Mit fünf Parteien wird Platter keine Gespräche führen.  „Für Tirol", KPÖ, Piraten sowie eben Gurgiser und Stronach haben den Einzug in den Landtag verpasst. Robert Lugar, Klubobmann des Team Stronach in Wien, zeigte sich wegen der internen "Streitigkeiten" über das Ergebnis "nicht überrascht". Auf die Nationalratswahl im Herbst wird die Stronach-Pleite beim vorletzten Testlauf - nächste Woche wählt Salzburg - aber keine Auswirkungen haben, glaubt Lugar: "Unseren Siegeszug wird das nicht aufhalten". Für Politologe Thomas Hofer ist die Wahl aber vor allem eine Niederlage der Protestparteien.

Negativrekord bei Wahlbeteiligung

Denn mit der FPÖ hat auch die zweite Protestpartei im Bund die nächste Bundesländer-Baustelle, nach dem Wahldebakel der Schwesterpartei FPK in Kärnten und dem schwachen FPÖ-Abschneiden in Niederösterreich geht es nun auch in Tirol begab. Strache machte für das Ergebnis die "niedrige Wahlbeteiligung" verantwortlich sowie den Umstand, dass der Urnengang eine "Persönlichkeitswahl für Platter" gewesen sei.

Die Wahlbeteiligung ist am Sonntag tatsächlich deutlich auf 56,01 Prozent (2008: 65,8 Prozent) gesunken. Es ist ein neuer Negativrekord, denn die Wahlbeteiligung wird auch samt Briefwahl die niedrigste bleiben, die es jemals bei einer der bisher 154 Landtags- oder Nationalratswahlen der Zweiten Republik gab. Samt Briefwählern dürfte die Beteiligung laut SORA bei 60,1 Prozent liegen.

Wahlmotive: Platters erfolgreiche Warnung

SP-Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich zerknirscht: "Man kann nicht zufrieden sein, wenn man ein Minus hat." SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos kritisierte die "Panikmache" durch Platter, weil dieser im Wahlkampf wegen der vielen Listen vor "italienischen Verhältnissen" gewarnt hatte. Platters Strategie ging auf: Der Wunsch nach Stabilität und Tradition war wie die Zufriedenheit mit der Entwicklung Tirols und dem Landeshauptmann selbst ein zentrales Motiv für ÖVP-Wähler. Wären nur Pensionisten zur Urne geschritten, die ÖVP hätte die absolute Mehrheit geholt. Der FPÖ versetzten Frauen einen deutlichen Dämpfer, den Grünen Männer (--> mehr zu Wahlmotiven und Wählergruppen).

(Red.)

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