ÖVP-Hochburg doch nicht gefallen

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oeVPHochburg doch nicht gefallen(c) EPA (HANS KLAUS TECHT)
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Günther Platter, dem ein Absturz auf 35Prozent prognostiziert worden war, kann das ÖVP-Ergebnis mit geringen Verlusten halten. Er kann nun aus vier Koalitionspartnern wählen.

Eine Partei atmet auf: Dieser Eindruck beherrschte den Sonntagnachmittag in der Innsbrucker Fallmerayerstraße, wo die Tiroler Volkspartei ihre Landeszentrale hat. Jungfunktionäre, die meisten von ihnen trotz der Hitze noch in schwarz-gelben Wahlkampfpullovern, studieren argwöhnisch die ersten Auszählungsergebnisse: Grün verzeichnete Stimmengewinne und SPÖ-Verluste halten sich ziemlich die Waage – entgegen den Umfragen, die der ÖVP einen deutlichen Absturz um fünf Prozent und mehr prognostiziert hatten.

Gegen halb drei spricht Herwig van Staa, Vorgänger Günther Platters an der Landes- und Parteispitze, als Erster laut aus, was viele anhand der eintrudelnden Ergebnisse schon hoffen: „Wir liegen deutlich besser, als es uns viele gewünscht haben.“ Eine Feststellung, die die Parteijugend van Staa mit Standing Ovations dankt. Von da an macht sich Erleichterung breit, Mineralwasser und Apfelsaft machen auf den Stehtischen Platz für Sekt und Cider.

Günther Platter hat seine erste Landtagswahl als Landeshauptmann von Tirol praktisch unbeschadet überstanden: Dass der 58-Jährige auch von dem gestern gewählten neuen Landtag in seinem Amt bestätigt wird, ist mit dem Wahlergebnis von 39,6 Prozent praktisch fix. Nicht nur, dass sein SPÖ-Konkurrent Gerhard Reheis, der mit dem Ziel in den Wahlkampf gegangen war, mithilfe anderer kleinerer Parteien Landeshauptmann zu werden, diese Ambition de facto begraben musste – auch der Stimmenverlust der ÖVP fällt weit geringer aus als erwartet: Die ÖVP liegt nur minimal unter ihrem Ergebnis des Jahres 2008, als sie auf 40,5 Prozent abrutschte.

Demonstrativ gelassen und mit viel Selbstbewusstsein war Platter in den Wahltag gegangen – selbstbewusst genug, um sogar die Wahlordnung selbst herauszufordern: Als der ehemalige Drucker, Gendarm, Verteidigungs- und Innenminister am Sonntagvormittag gegen viertel zehn in Zams wählen ging, verzichtete er auf das Wahlgeheimnis – und machte sein Kreuz publikumswirksam vor laufenden Kameras auf dem Tisch der Wahlbeisitzer. (Er wählte die ÖVP). Zumindest bei einer Bundeswahl hätte der Wahlvorsitzer eine derart offen abgegebene Stimme nicht annehmen dürfen, erklärt Robert Stein, Leiter der Bundeswahlbehörde im Innenministerium. Beim Land Tirol sieht man das freilich anders: Das geheime Wahlrecht sei ein individuelles Recht, auf das man als Wähler verzichten könne.

Platter gelassen

Auch im weiteren Lauf des Sonntags gab sich Platter gelassen: Nachdem er gegen 14Uhr mit leger über die Schulter geworfenen Sakko in der ÖVP-Landesparteizentrale eingetroffen war, versteckte sich Platter nicht, wie es andere Landeshauptleute an Wahltagen handhaben, bis zu den ersten Hochrechnungen im Kreis einiger Mitarbeiter, sondern plauderte mit Journalisten über die ersten Ergebnisse. „Ich habe heute gut geschlafen“, so Platter – „jetzt heißt es schauen, was kommt“.

Koalition mit Grünen möglich

Was da kam, war, dass die ÖVP wohl sogar ihre beiden Wahlziele erreichen könnte: Einerseits dürfte sie ihre bisherigen 16 von 36 Mandaten im Landtag halten, andererseits fiel die Partei nicht deutlich unter die 40-Prozent-Marke – obwohl auch das vorliegende Ergebnis das schlechteste darstellt, das die ÖVP jemals in Tirol eingefahren hat.

Verantwortlich für die letztlich ausgebliebene Revolution gegen Platter sollen ersten Nachwahlbefragungen zufolge vor allem die älteren Tiroler gewesen sein: „Bei den Frauen über 60 hätte die ÖVP eine absolute Mehrheit“, erklärt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Bei den Unter-30-Jährigen dagegen sei die regierende Partei stark abgestürzt. Im Wahlkampf hatte Platters Partei zuletzt vor „italienischen Verhältnissen“ gewarnt: „Tirol muss regierbar bleiben“, sonst drohe ein Absinken ins Chaos.

Platter, der noch am Wahlabend Gespräche mit allen Parteien ankündigte, stehen nun mehrere Varianten für eine neue Regierungskoalition offen: Neben der Fortsetzung der zuletzt durch Affären belasteten schwarz-roten Koalition könnte Platter auch mit den Grünen, der neuen ÖVP-Abspaltung „Vorwärts Tirol“ oder der FPÖ eine Mehrheit im Landtag bilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2013)


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