Wahl-Prognosen: "Es wird extrem knapp"

WahlPrognosen wird extrem knapp
WahlPrognosen wird extrem knapp(c) REUTERS (JASON REED)
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Aktuell sehen fünf Prognose-Modelle Amtsinhaber Obama als Sieger, fünf Kontrahent Romney, drei berechnen Gleichstand.

Der Tag der Entscheidung im US-amerikanischen Wahlkampf rückt näher: Am 6. November wird entschieden, wer die Geschicke der Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren lenken wird. Vorab erscheinen fast täglich neue Prognosen über den möglichen Ausgang. In der Nacht auf Mittwoch stellte die American Political Science Asscociation in Washington eine ganze Reihe von Modellen vor, die auf wirtschaftlichen Faktoren, auf Beliebtheit, auf historischen Entwicklungen und vielen weiteren Kriterien beruhen. Fünf von ihnen sehen Barack Obama als Sieger, fünf Mitt Romney, drei berechnen Gleichstand. "Sicher ist", so James Campbell von der University of Buffalo, "es wird extrem knapp".

Berechnet man den Durchschnitt der 13 Prognose-Modelle, werden US-Präsident Obama 50,2 Prozent der Stimmen zugesprochen. "Es könnte sein, dass sich Al Gores Schicksal im Jahr 2000 wiederholt", befürchtet Michael S. Lewis-Beck von der University of Iowa. "Zwischen 50 und 51 Prozent könnte Obama in unserem 'undemokratischen Dreieck' landen". Dabei handelt es sich um ein rechnerisches Phänomen, das durch den Unterschied zwischen der absoluten Stimmenanzahl und der Anzahl der Wahlmänner entsteht - obwohl ein Kandidat im "popular vote" gewinnt, verliert er dann möglicherweise im "electoral vote".

Rassismus könnte Obama die Wahl kosten

Zusätzlich sieht Lewis-Beck auch für diese Wahl einen nicht zu vernachlässigenden Effekt von Rassismus. "Wir wissen mittlerweile ziemlich sicher, dass Obama 2008 fünf Prozentpunkte aus rassistischen Gründen verloren hat - deswegen gab es nicht den Erdrutsch-Sieg, den man erwarten konnte." Für diese Wahl ergaben seine Berechnungen mit Charles Tien vom Hunter College, dass der Effekt der Hautfarbe geringer geworden ist - aber immer noch etwa drei Prozentpunkte ausmachen wird. "Bei diesem knappen Rennen könnte ihn das die Wahl kosten."

Stattdessen basieren die Modelle auf einer Kombination aus wirtschaftlichen Kennzahlen und Beliebtheitspunkten. Wirtschaftswachstumsraten, die Anzahl an neu geschaffenen Jobs, Umfragen zur Zufriedenheit mit dem eigenen Einkommen und Inflation spielen eine große Rolle.  "Eine schlechte wirtschaftliche Lage wird dem amtierenden Präsidenten stark angelastet - allerdings weniger der Partei", so Campbell. Historisch betrachtet besteht für eine Partei eine 91-prozentige Chance, nach einer Amtszeit wieder den Präsidenten zu stellen - wenn es nicht der gleiche Kandidat ist.

Wiederwahl vs. Wirtschaft

Die Erfolgsrate der Wiederwahl ist mit 74 Prozent jedenfalls ein starkes Argument für Obama. Allerdings sprechen die wirtschaftlichen Kennzahlen gegen ihn. "Unter Obama wurden so wenige neue Jobs geschaffen wie zuletzt in den 1950er Jahren", so Lewis-Beck. "Und auch die Wachstumsrate steckt ihn im Vergleich mit seinen Amtsvorgängern, die wiedergewählt werden wollten, eindeutig in die Verlierer-Kategorie." Nach einem Modell von Tom Holbrook von der University of Wisconsin kommt Obama wegen dieser Kombination auf nur 47 Prozent.

"Das Modell stammt aus dem Sommer, vor der Kampagne", erklärt er. Damit wolle er keinesfalls sagen, dass Wahlkampagnen keinen Unterschied machen. "Sie sind ein Korrektiv. Wenn ein Kandidat etwa rund um die Convention in Umfragen deutlich weiter vorne ist, als er es aufgrund der Kennzahlen sein sollte, wird sich das im Wahlkampf einrenken." Tatsächlich lag Barack Obama unmittelbar nach seiner offiziellen Nominierung in den Umfragen deutlich voran. "Historisch gesehen hat noch nie ein Kandidat verloren, der zu diesem Zeitpunkt vorne war", betont Christopher Wlezien von der Temple University. In seinem eigenen Modell werden ökonomische Indikatoren mit Umfragewerten kombiniert - dabei kommt ein Obama-Sieg mit 51,4 Prozent und eine Siegeswahrscheinlichkeit von 80 Prozent heraus.

Auch am Wettmarkt, der in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist, liegt Obama leicht, aber deutlich vorn. In den jüngsten Umfragen dagegen sieht es mit 47,3 für Obama zu 47,4 für Romney (Real Clear Politics) ziemlich eng aus.

Keine Sicherheiten

In den wissenschaftlichen Modellen sind die Unterschiede so gering, dass sie schon durch den Standardfehler der Berechnungen umgekehrt werden könnten. "Keines erreicht unsere übliche sozialwissenschaftliche Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent", so Lewis-Beck. Er selbst hat zwei verschiedene Modelle entworfen - das eine sieht Obama, das andere Romney als Sieger. "Da könnte man eigentlich gleich die gute alte Voraussage der Republikaner anwenden", schmunzelt Wlezien: "wenn die Washington Redskins (Footballteam, Anm.) das letzte Spiel vor der Wahl gewinnen, dann bedeutet das den Sieg für den republikanischen Kandidaten. Wenn sie verlieren, sind die anderen dran. Bisher hat dieses Modell erstaunlich gut funktioniert."

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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