Wien-Wahl: Bünde fordern ÖVP-Chef heraus

WIEN-WAHL: PLAKATPR�SENTATION �VP - JURACZKA
WIEN-WAHL: PLAKATPR�SENTATION �VP - JURACZKA(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Um per Vorzugsstimmenwahlkampf Kandidaten ins Stadtparlament zu bringen, die VP-Chef Juraczka demontiert hat, schließen sich erstmals ÖVP-Bünde zusammen.

Wien. Mit dem Wahlkampfstart der Wiener ÖVP kommt ordentlich Bewegung in die Partei. Allerdings anders, als es sich Parteichef Manfred Juraczka gedacht hat.

Am Freitag erklärten die langjährige ÖVP-Gemeinderätin Ingrid Korosec und der schwarze Gewerkschafter Hannes Taborsky: „Wir wehren uns.“ Und kündigten ein Novum an: Erstmals schließen sich zwei ÖVP-Bünde zusammen und bestreiten einen gemeinsamen Wahlkampf. Das Ziel: Korosec und Taborsky per Vorzugsstimmen an Parteichef Juraczka vorbei in den Gemeinderat zu bringen. Und dieses Projekt hat gute Chancen.

„Das lassen wir uns nicht gefallen“

Der Hintergrund: Korosec (74) wurde bei der Listenerstellung für die Wien-Wahl auf einen hinteren, aussichtslosen Listenplatz verräumt. Und ist empört: „Senioren bringen die Hälfte der ÖVP-Stimmen. Und auf dieser Liste hat kein einziger Seniorenvertreter einen fixen Listenplatz bekommen.“ Nachsatz: „Das lassen wir uns nicht gefallen, wir lassen uns nicht entmündigen.“ Taborsky setzt nach: „Es ist völlig unverständlich, dass es nicht ein Mandat auf der Liste für jene Generation gibt, die Österreich aufgebaut hat. Und dass sich auch kein einziger Arbeitnehmervertreter auf der Liste befinde.“

Damit wird es spannend. Hinter Korosec steht der ÖVP-Seniorenbund, der mit 25.000 Mitgliedern der mit Abstand größte Bund der Wiener ÖVP ist. Hinter Taborsky, der derzeit Bezirksrat in Penzing ist, stehen „alle Teilgewerkschaften, der öffentliche Dienst (GÖD) und die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG)“, wie er betont. Also auch der einflussreiche GÖD-Vorsitzende Fritz Neugebauer, an dessen kompromissloser Haltung als Lehrer- und Beamtengewerkschafter bereits mehrere Minister gescheitert sind.

Es sind jedenfalls nicht die ersten Turbulenzen nach der Erstellung der ÖVP-Kandidatenliste für die Wien-Wahl. Auf die vorderen sicheren Listenplätze wurden vor allem Vertreter des schwarzen Parteinachwuchses gesetzt, etablierte Mandatare mussten ihren Posten räumen – Proteste und Spitzen gegen die Parteiführung folgten.

„Mir ist es wie Stenzel gegangen“

Dem Vernehmen nach ist die radikale Verjüngung der Liste auf Juraczkas Stellvertreter, Außenminister Sebastian Kurz, zurückzuführen, der zahlreiche Vertraute aus seiner Jungen ÖVP auf die Liste gebracht hat. Er hat auch Markus Figl zum Spitzenkandidaten im ersten Bezirk gemacht und Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel demontiert, worauf sie in dieser Woche zur FPÖ übergelaufen ist. Korosec: „Man braucht aber beides: Jugend und Erfahrung.“

Ist Kurz also für die Turbulenzen in der Partei verantwortlich? „Parteiobmann Manfred Juraczka hat den Letztvorschlag“, hält Korosec fest. Auf die Frage, ob Juraczka noch der richtige Mann an der Spitze ist, um einen weiteren Niedergang der ÖVP zu verhindern, antwortet die Gesundheitssprecherin trocken: „Der Parteiobmann bemüht sich sehr. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Gleichzeitig zeigt Korosec als Einzige in der Partei öffentlich Verständnis für Ursula Stenzel und ihren Wechsel zur FPÖ: „Man hat sie nicht gut behandelt. Mir ist es genau so gegangen, aber ich reagiere anders.“ Sie, Korosec, schätze Stenzel jedenfalls als profunde Politikerin, die ÖVP habe Stenzel viel zu verdanken.

Damit geht Juraczkas riskantes Spiel vorerst auf. Er hatte durchaus einflussreiche Kandidaten wie Korosec oder Norbert Walter (ÖVP-Bauernbund), die über eine breite Unterstützung ihrer Basis verfügen, auf hintere Listenplätze gereiht und gleichzeitig intern die Vorzugsstimmenhürde auf ein Zehntel der gesetzlichen Norm gesenkt. Dadurch muss jeder bis zum Umfallen um (Vorzugs-)stimmen kämpfen: die Etablierten, um den Rückstand auf der Liste mit Vorzugsstimmen aufzuholen. Junge mit fixen Plätzen ebenso, damit sie von den bekannteren Kollegen nicht per Vorzugsstimmen überholt werden.

Dieses darwinistische Prinzip garantiert, dass jeder in der Partei aus Angst um seinen Job läuft. Aber Juraczka hat sich damit viele Feinde gemacht. Verliert die ÖVP am 11.Oktober weiter, dürfte bei Juraczka dann „Ex“ vor dem Titel Parteichef stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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