Kleinparteien: "Keiner von uns schafft es in den Gemeinderat"

Okropiridse, Pollischansky, Taşkıran
Okropiridse, Pollischansky, Taşkıran(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Die Spitzenkandidaten von „Wien anders“, „Wir wollen Wahlfreiheit“ und „Gemeinsam für Wien“ im Streitgespräch über Chancen, Flüchtlinge und Genozid.

Die Presse: Wer von Ihnen schafft den Sprung in den Gemeinderat?

Juliana Okropiridse: Wir auf jeden Fall. Bei den anderen gehe ich nicht davon aus.

Heinz Pollischansky: Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass es keiner von uns in den Gemeinderat schafft. Das „Ausländer“-Thema überschattet alles. Um die Wiener geht es leider nicht mehr.

Turgay Taşkıran: Genau deswegen, weil es viel um das Thema Migration geht, bin ich sicher, dass unsere Liste es schaffen wird.

Glaubt man Umfragen, schafft es niemand von Ihnen. Jede Stimme für Sie wäre damit verschenkt.

Okropiridse: Eine Stimme ist nur dann verschenkt, wenn taktisch gewählt wird. Es hat keinen Sinn, eine Partei zu wählen, die nicht vertritt, wofür man selbst steht.

Pollischansky: Das stimmt. Wir haben doch Gemeinsamkeiten.

Okropiridse: Aber wenige.

Taşkıran: Es ist schön, dass es neue Parteien gibt, damit sich Menschen in einer Vielfalt vertreten fühlen. Darum gibt es keine verschenkten Stimmen. Wir propagieren etwa das respektvolle Zusammenleben von Migranten und anderen. Derzeit gibt es aber eine Partei, die nur Hass und Ängste schürt.

Ihren Aussagen entnehme ich, dass Sie nicht mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf ein Bier gehen würden.

Taşkıran: Ich trinke kein Bier, ich bin Moslem. Aber ich habe ihn schon in der Stadt getroffen und kurz geredet. Ich bin nicht damit einverstanden, wofür er steht. Sollten wir aber in den Gemeinderat kommen und wird eine Koalition notwendig sein, dann werde ich mit allen reden.

Pollischansky: Ich würde mit Strache – aber auch allen anderen Parteichefs – auf ein Bier gehen. Ich bin ja Gastronom. Unser Ziel ist direkte Demokratie. Und würde eine Partei das umsetzen, brauchte es uns nicht mehr.

Wenn Ihr einziges Thema direkte Demokratie ist, ist das nicht eindimensional?

Pollischansky: Sagen Sie mir, welches Thema beinhaltet die direkte Demokratie nicht.

Das Thema Flüchtlinge zum Beispiel: Soll man über Flüchtlingshilfe abstimmen?

Pollischansky: Nein, aber über eine konkrete Anzahl.

Okropiridse: Sie wollen abwarten, bis es irgendeine Zahl gibt, und dann erst mit der Hilfe weitermachen? Es gibt so etwas wie Grundrechte.

Pollischansky: Was ist mit den Menschenrechten der Wienerinnen und Wiener?

Okropiridse: Fühlen Sie sich wirklich in Ihren Menschenrechten beschnitten?

Pollischansky: Wir schauen gar nicht mehr auf arme Wiener. Die Umverteilung ist so arg, dass Leuten auf dem Westbahnhof Essen nachgetragen wird, während unsere Leute hungern.

Okropiridse: Das halte ich für ein Gerücht.

Taşkıran: Hier überhaupt einen Unterschied zu machen ist unmenschlich. Wer Hilfe braucht, dem muss geholfen werden.

Herr Taşkıran, das klingt wie das Motto „Jeder der will, soll kommen“.

Taşkıran: Es braucht gewisse Regeln: gesundheitliche Untersuchungen bei der Einreise etwa. Ich will auch eine europäische Lösung.

Pollischansky: Für Regeln bin ich auch, wie eine Registrierung etwa, damit wir wissen, wer da eigentlich kommt. Die Guten dürfen rein.

Okropiridse: Die Guten? Die mit Heiligenschein?

Pollischansky: Kriegsflüchtlinge, aber keine Wirtschaftsflüchtlinge. Und weil wir immer von der gesamteuropäischen Lösung reden: Was ist, wenn Europa scheitert?

Österreich schafft es nicht einmal, die Menschen auf Bundesländer aufzuteilen.

Taşkıran: Wenn man es hätte lösen wollen, hätte man es getan. Man behandelt die Menschen zum Beispiel in Traiskirchen absichtlich schlecht, damit nicht noch mehr hierherkommen.

Okropiridse: Stimmt.

Wer ist dafür verantwortlich?

Taşkıran: Die Innenministerin. Sie hat absichtlich versagt.

Okropiridse: Ich glaube nicht, dass sie versagt hat. Sie hat genau das erreicht, was sie wollte: nämlich den Diskurs aufzubauschen.

Pollischansky: Jetzt muss ich Sie etwas fragen, Frau Okropiridse: Sind Sie für Zwangszuweisungen von Flüchtlingen?

Okropiridse: Es gibt genug leere Häuser, die Stadt und Staat gehören. Und viele Private, die Wohnraum zur Verfügung stellen wollen.

Pollischansky: Bei Ländern und Gemeinden gibt es die Zwangszuweisung schon. Was tun Sie, wenn der Staat sagt: „Wir haben eine Notsituation, bitte nehmen Sie die Leute privat auf.“

Okropiridse: So weit sind wir noch lang nicht.

Apropos arm und reich: Wie finanzieren Sie Ihren Wahlkampf?

Okropiridse: Wir haben Stammkapital, das hauptsächlich von der KPÖ kommt. Der Rest kommt von Darlehen, die wir nach der Wahl mit Parteienförderung zurückzahlen wollen. Ich glaube, es sind 35.000 Euro. Das können Sie auf unserer Website genau nachlesen.

Taşkıran: Teils finanzieren sich Kandidaten selbst, teils durch Spenden. Bisher haben wir 20.000Euro ausgegeben. Wir bekommen kein Geld aus der Türkei oder von Vereinen.

Pollischansky: Wir arbeiten nur mit Ehrenamtlichen, leben von Mundpropaganda und von dem, was ich ausgegeben habe: rund 5000 Euro.

Herr Pollischansky: Ihr Unterstützer, Frank Stronach, hat nichts spendiert?

Pollischansky: Keinen Cent.

Frau Okropiridse, wie geht es weiter? Wird sich Wien anders zu einer Linken nach deutschem Vorbild verschmelzen?

Okropiridse: Nein. Uns ist wichtig, dass wir viele verschiedene Parteien (siehe unten; Anm.) und unabhängige Personen sind. Aber wir wollen auch nach der Wahl als Wien anders auftreten.

Herr Pollischansky, am Anfang hieß es, Sie sind eine Raucherpartei, unterstützt werden sie von BZÖ und Team Stronach – viele Ihrer Aussagen klingen nach FPÖ. Wo ist Ihre politische Heimat nun?

Pollischansky: Ich bin Gastronom und will das auch bleiben. Aber ganz banal: Wenn die Parteien unsere Forderung nach direkter Demokratie umsetzen, besteht kein Bedarf mehr an uns.

Herr Taşkıran, viele sehen Gemeinsam für Wien als türkische Partei. Ein Thema, das in dieser Community heiß diskutiert wird, ist der Genozid an den Armeniern. Wie stehen Sie dazu?

Taşkıran: Das kann ich nicht entscheiden. Ich bin kein Historiker. Ich kenne mich zu schlecht aus, als dass ich eine Meinung hätte.

Fast alle Länder außer der Türkei bezeichnen das als Genozid.

Taşkıran: Es gibt verschiedene Meinungen, was ein Genozid ist. Es sind Fehler passiert, aber dass eine systematische Verfolgung von Menschen mit einer anderen Religion dahinterstand, kann ich mir nicht vorstellen.

AUF EINEN BLICK

Wien anders. Das Parteienbündnis besteht aus KPÖ, Piraten, Plattform der Unabhängigen und Echt grün. Hauptthemen: Verteilungsgerechtigkeit, Wohnen, Arbeit. Die Spitzenkandidatin Juliana Okropiridse ist 22 Jahre alt und studiert Physik.

Wir wollen Wahlfreiheit. Die Liste wurde mit der Unterstützung von BZÖ und Team Stronach neu gegründet. Gastronom Heinz Pollischansky will die direkte Demokratie umsetzen.

Gemeinsam für Wien. Die Liste versteht sich als Migrantenpartei, die sich für die Anliegen von Zuwanderern einsetzt. Die Kandidaten sind mehrheitlich türkischstämmig. Spitzenkandidat und Arzt Turgay Taşkıran war einmal Chef der UETD, eines AKP-nahen Vereins.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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