Wahlgeschenke in Wien: Mehr Urlaub für Beamte der Stadt

Ab in den Urlaub? Im Rathaus werden großzügige Wahlgeschenke verteilt, doch auch die FPÖ will den Beamtenapparat nicht angreifen.
Ab in den Urlaub? Im Rathaus werden großzügige Wahlgeschenke verteilt, doch auch die FPÖ will den Beamtenapparat nicht angreifen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Mitarbeiter der Stadt Wien erhalten – im Gegensatz zum Steuerzahler – mehr Urlaub. Die Gegenfinanzierung kommt erst in 32 Jahren.

Wien. Wahlzeiten sind gute Zeiten für Wiener Beamte – das hat sich schon 2010 gezeigt. Als damals die Wirtschaftskrise tobte und Kündigungswellen die Arbeitslosenzahlen in der Privatwirtschaft nach oben schnellen ließen, erhielten die pragmatisierten Staatsdiener (mit allen anderen Angestellten der Stadt) kurz vor der Wien-Wahl eine extra Woche Urlaub. Und das jährlich. Konkret wurde die siebente Urlaubswoche für Beamte und Vertragsbedienstete der Stadt eingeführt, während in der Privatwirtschaft die Einführung einer sechsten (!) Urlaubswoche für ältere Arbeitnehmer wegen deren Unfinanzierbarkeit gescheitert ist.

Nun, fünf Jahre später, wiederholt sich ein Spiel auf eine ähnliche Weise. Um die 2010 begonnene Urlaubsreform „zu harmonisieren und insgesamt anzupassen“, wie es seitens der Stadt formuliert wird, gab es mit August, also kurz vor der Wahl, Änderungen. Und darüber freuen sich die Bediensteten der Stadt – im Gegensatz zum Steuerzahler. Die „Anpassung“ läuft darauf hinaus, dass die Bediensteten der Stadt nochmals mehr Urlaubstage bekommen.

Offiziell gibt es Maßnahmen, die dieses Geschenk finanzieren. Die werden aber erst im Jahr 2047 beginnen, also erst 32 Jahre nach dem Tag, an dem der nun gewährte Zusatzurlaub begonnen hat, die Personalkosten nach oben zu treiben. Die Details:
Bisher galt: Wer 25 Jahre ununterbrochen bei der Stadt tätig ist, bekommt eine sechste Urlaubswoche. Nun wurde diese Bedingung gestrichen und durch eine Altersregelung ersetzt: Mit 33 Jahren gibt es 27 Tage Urlaub, mit 43 Jahren 30 Tage, mit 57 Jahren 33 Tage und ab dem 60. Lebensjahr 35 Tage.

Mehr Urlaub seit August

Was kompliziert aussieht, bedeutet nichts anders: Die überwiegende Mehrheit der Bediensteten der Stadt Wien (ca. 26.000 Beamte und 38.000 Vertragsbedienstete) bekommt mehr Urlaub bzw. hat früher Anspruch auf mehr Urlaub als bisher. Ein Beispiel: Ein 25-Jähriger fängt direkt nach dem Studium bei der Stadt Wien an. Früher bekam er die sechste Urlaubswoche nach 25 Dienstjahren, also im Alter von 50 Jahren. Mit der Neuregelung kann er seine sechste Urlaubswoche bereits sieben Jahre früher genießen – im Alter von 43 Jahren. Dazu kommt, dass viele Bedienstete von externen Unternehmen zur Stadt wechseln. Diese hatten früher kaum Chancen auf eine sechste Urlaubswoche, weil sie nie auf eine 25-jährige ununterbrochene Dienstzeit im Magistrat kamen. Wer am 43. Geburtstag zum Magistrat wechselt, verkürzt die Wartezeit auf die sechste Urlaubswoche von ursprünglich 25 Jahren (alte Regelung) auf null (neue Regelung), erhält sie also sofort. Die Grundlinie: Es profitiert jeder Mitarbeiter der Stadt, der im Alter ab 19 Jahren bei der Stadt Wien zu arbeiten begonnen hat.

Laut dem Büro von Personalstadträtin Sandra Frauenberger soll die Reform den Steuerzahler nichts kosten. Denn Lehrlinge, die mit 16 bei der Stadt Wien beginnen, bekommen ihre sechste Urlaubswoche nun erst zwei Jahre später, mit 43 Jahren (Eintritt mit 16 plus 25-jährige Dienstzugehörigkeit).

Einsparungen erst 2047

Der Schönheitsfehler: Die Kosten der Reform (die Verbesserungen betreffen ja den überwiegenden Teil) fallen per August an. Die ersten Einsparungen beginnen dagegen im Jahr 2047.

Der Hintergrund: Verschlechterungen gelten de facto nur für jene, die ab 2020 als 16-Jährige (also meist Lehrlinge) bei der Stadt Wien eintreten. Im alten System hätten sie 2045 ihre sechste Urlaubswoche bekommen – nun ist es „erst“ im Alter von 43 Jahren so weit, also 2047. Denn die Stadtregierung hat den Bediensteten der Stadt diese äußerst großzügige Übergangsregelung eingeräumt. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die ersten Einsparungen beginnen, sind die erhöhten Kosten bereits 32 Jahre lang angefallen. Auch, weil jene Beschäftigten Zusatzurlaub erhalten, die ihn nicht bekommen hätten, weil sie keine 25-jährige Dienstzugehörigkeit vorweisen können.

Insgesamt geht es also um 64.000 städtische Bedienstete, also Wählerstimmen. Zählt man deren Familienmitglieder hinzu, erreicht das eine Dimension, die auch Heinz-Christian Strache nicht übersehen kann – weshalb der FPÖ-Chef seine Linie plötzlich um 180 Grad geändert hat.

Strache für Beamtenapparat

Erst vor einem Jahr hatte Strache wieder „gegen den gigantischen Bürokratie-Moloch“ und die Überbürokratisierung gewettert: „Warum hat Wien mehr Beamte als die EU?“, war die oft geäußerte, heftige FPÖ-Kritik an den Staatsdienern.

Nun, vor der Wahl, ist das alles vergessen: Kein Bediensteter der Stadt werde unter ihm als Bürgermeister gekündigt, erklärte Strache und ließ das hochoffiziell, inklusive notariell beglaubigter Garantieerklärung, in ganz Wien plakatieren und sogar (zum Ausschneiden) in Zeitungen inserierten. Hält der FPÖ-Chef sein Wort, würde unter Bürgermeister Strache der aufgeblähte und oft ineffiziente Verwaltungsapparat also nicht angetastet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2015)

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