Wahlkampf: Wenn Rote bei den Grünen grasen

(c) HANS KLAUS TECHT
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Im Finale kapert die SPÖ grüne Kernthemen - vom Straßenbahnausbau bis zur Begegnungszone. Für die Bürgermeisterpartei ist das ein bewährtes Rezept - wie nicht nur die Nacht-U-Bahn gezeigt hat.

Wien. Es war vor wenigen Wochen, als Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner, politisch zuständig für die Wiener Linien, mit einem Wahlkampflächeln den Ausbau der Straßenbahn im zweiten und 20. Bezirk präsentierte – garniert mit einem Seitenhieb auf den grünen Koalitionspartner, der in die Pläne nicht eingeweiht worden war: „Wir (die SPÖ, Anm.) lieben die U-Bahn. Aber wir sagen nicht: U-Bahn oder Straßenbahn – wir brauchen beides.“

Die Grünen, die (im Gegensatz zur SPÖ) lieber Straßenbahnen statt U-Bahnen ausbauen wollten, damit aber an der SPÖ scheiterten, kommentierten das damals noch ironisch: „Ich begrüße den Meinungsschwenk. Denn bisher war die Haltung der SPÖ zum Straßenbahnausbau sehr zögerlich“, meinte der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch, dem von Brauner nebenbei mitgeteilt worden war: Die Kosten für das SPÖ-Wahlkampfprojekt (100 Mio. Euro) müssen die Grünen zahlen. Das Geld komme nämlich aus dem Straßenbahnpaket, das die Grünen als Gegengeschäft für ihre Zustimmung zum Bau des SPÖ-Prestigeprojekts U5 bekommen hatten.Als Brauner im Wahlkampf auch noch den Straßenbahnausbau für das rote Floridsdorf ankündigte, kommentierten das die verärgerten Grünen nicht mehr. 

In Hietzing mischt SPÖ-Bundesgeschäftsführer mit

Worauf Brauner als Draufgabe mit der SPÖ Hietzing und dem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid wahlkampfgerecht verkündete: Man werde den 15-Minuten-Takt durch einen Vollausbau der Verbindungsbahn zwischen Meidling und Hietzing einführen, womit die Trennung des Bezirks beendet werde. Damit werden den Hietzinger der Lärm seitens der Bahn erspart, gleichzeitig entfallen künftig die langen Wartezeiten bei den Bahnübergängen wenn ein Zug durchfährt - was viele Hietzinger immer wieder genervt hat. Parallel dazu erklärte Brauner: Nach den Weichenstellungen für den Ausbau von U-Bahn und Straßenbahn werde sich die SPÖ nun dem S-Bahn-Netz zuwenden.

Dass Maria Vassilakou den 15-Minuten-Takt der S-Bahn seit langem thematisiert und ankündigt (ohne eine Finanzierung durch Brauner kann sie nichts umsetzen), sei nebenbei erwähnt.

In grünen Kreisen ist zu hören, dass diese Dinge bei einer Neuauflage von Rot-Grün abgestellt werden sollen. Konkret wollen die Grünen nach der Wahl die Kontrolle über die Wiener Linien, womit ein rot-grüner Krach programmiert ist.

Machtkampf nach der Wahl

Die derzeitige Situation: In Wien gibt es derzeit zwei Verkehrsstadträtinnen. Vassilakou ist für das gesamte Verkehrsressort zuständig. Allerdings gehört mit den Wiener Linien der wichtigste Teil der städtischen Verkehrspolitik zur roten Wirtschaftsstadträtin Brauner. Und in roten Kreisen ist zu hören, dass man die Wiener Linien „sicher nicht“ Vassilakou überlassen werde. Nicht zuletzt deshalb, weil die Wiener Linien rotes Kernland sind.

Unabhängig davon entdecken weitere SPÖ-Politiker den Grünen in sich. Die Bezirksvorsteher von Mariahilf, Markus Rumelhart, und von Wieden, Leopold Plasch, eröffneten am Dienstag eine gemeinsam Begegnungszone, während Vassilakou „Eine Begegnungszone für jeden Bezirk“ plakatieren lässt, aber ohne die roten Bezirke nichts umsetzen kann.

Wobei die Grünen hier einschlägige Erfahrung besitzen. Immerhin hatte die SPÖ in Zeiten der Alleinregierung die Grünen mit den gemeinsamen rot-grünen Projekten als Thinktank benutzt. Beispielsweise bei dem größten Biomassekraftwerk Europas oder dem Wientalradweg.

Aber auch die ÖVP kennt dieses Gefühl. Jahrelang hatte der Chef der Jungen ÖVP die Einführung einer 24-Stunden-U-Bahn gefordert – es war ein gewisser Sebastian Kurz. Nach einer Volksbefragung vor der Wahl 2010 wurde das Projekt umgesetzt. Die SPÖ vermarktete es ebenso als eigene Idee wie eine neue Nachtbus-Linie durch die angesagtesten Ausgehbezirke. Die hatte der damalige Wiener ÖVP-Chef, Johannes Hahn, auf ÖVP-Kosten eingeführt – gegen den Widerstand der Wiener Linien. Als die Linie trotzdem Erfolg hatte, wurde sie von den Wiener Linien übernommen. Und die SPÖ ließ sich dafür feiern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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