Analyse: Warum Meinungsforscher irren

Großes Medieninteresse um FPÖ-Chef Strache. Die Meinungsforscher haben ihn diesmal ausnahmsweise überschätzt.
Großes Medieninteresse um FPÖ-Chef Strache. Die Meinungsforscher haben ihn diesmal ausnahmsweise überschätzt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Umfragen vor der Wien-Wahl haben sich wieder einmal als unrichtig erwiesen. Die Meinungsforscher müssen falsche Angaben einberechnen - und liegen dabei öfters auch daneben.

Wien. Selten war die mangelnde Aussagekraft von politischen Meinungsumfragen so augenscheinlich wie an diesem Wahlsonntag: ORF und ATV präsentierten um 17 Uhr Wahltagsbefragungen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und FPÖ suggerierten. Wenig später, mit der ersten Hochrechnung, war dann aber klar: Die Sozialdemokraten lagen bei dieser Gemeinderatswahl deutlich vor den Freiheitlichen. Diesen eindeutigen Vorsprung hatte auch im Vorfeld kein Meinungsforschungsinstitut erkannt.

Das liegt auch daran, dass Meinungsforscher oft mehr vorgeben, als sie tatsächlich zu leisten imstande sind. So ist es gängige Praxis, ein Wahlergebnis mit exakten Prozentangaben vorherzusagen – doch das ist schlicht Humbug. Statistischen Grundregeln zufolge können Demoskopen ein Ergebnis nur mit einer Schwankungsbreite von plus/minus zwei bis drei Prozent vorhersagen, und auch das nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent. Sprich: In einem von 20 Fällen ist das Ergebnis jedenfalls falsch.

Am Beispiel der Wahltagsbefragung: Peter Hajek hat der SPÖ 37 und der FPÖ 35 Prozent prophezeit. Damit suggerierte er ein knappes Duell, das dann nicht stattfand – er lag aber gar nicht so falsch, wenn man die Schwankungsbreite von drei Prozent einberechnet. Die SPÖ erreichte ein Resultat am oberen Ende, die FPÖ am unteren Ende der Schwankungsbreite.

Das zweite Institut, Sora, hat dagegen der SPÖ 34,5 bis 37,5 Prozent zugestanden, der FPÖ 33 bis 36 Prozent, womit in beiden Fällen das Ergebnis auch außerhalb der Schwankungsbreite liegt. Auch für diese Unschärfe gibt es eine gute Erklärung: Die Befragten sagen den Meinungsforschern oft nicht, was sie wirklich denken und wählen. Entweder verweigern sie ganz die Aussage, oder sie machen falsche Angaben. Bestes Beispiel dafür: FPÖ-Wähler deklarieren sich traditionellerweise in weit geringerem Ausmaß als Anhänger anderer Parteien. Das liegt auch daran, dass in Umfragen oft Antworten gegeben werden, die als sozial erwünscht gelten – FPÖ-wählen zählt offensichtlich nicht dazu.

Wähler mit Erinnerungslücken

Meinungsforscher haben die schwierige Aufgabe, diesen Effekt herauszurechnen. Sora macht das mit der sogenannten Recall-Gewichtung: Dabei wird das Wahlverhalten bei den letzten Wahlen abgefragt, Verzerrungen können so erkannt und ausgeglichen werden. Problematisch wird es aber, wenn, wie diesmal, die Rückerinnerung schlecht funktioniert, so Sora-Geschäftsführer Günther Ogris. Wenn Wechselwähler schlicht durcheinanderbringen, wann sie für wen gestimmt haben, kann das wiederum zu Verzerrungen führen.

Wie schwierig es ist, diese herauszurechnen, beschrieb Peter Hajek im „Presse“-Chat: Bei der Wien-Wahl sei die „Unterdeklaration“ der FPÖ-Wähler bei zehn Prozentpunkten gelegen, bei der Oberösterreichwahl habe es gar keine Unterdeklaration gegeben. Auch Hajek gesteht zu, dass man die FPÖ-Wähler überschätzt habe. Ursache sei die Entwicklung nach der Oberösterreich-Wahl gewesen. In den Tagen danach seien SPÖ und FPÖ nahe aneinander gerückt. Erst in der Schlussphase sei der Abstand wieder größer geworden.

Und warum machen die Institute überhaupt Wahltagsbefragungen, wenn die Ergebnisse so unsicher sind? Die entwaffnende Antwort von Hajek: „Die Wähler in Österreich sind es gewohnt, um 17 Uhr ein Ergebnis zu bekommen. Und wir haben eben eingewilligt.“

ZUR PERSON

Peter Hajek. Der Meinungsforscher erklärte am Montag im „Presse“-Chat, warum seine Prognosen diesmal nicht punktgenau zutrafen. [ Hainzl ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2015)

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