Analyse: Warum Aspern Blau wählte

(c) Stanislav Jenis
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Ausgerechnet im roten Prestigeprojekt Seestadt dominierten die FPÖ-Wähler. Dafür sprechen mehrere Gründe.

Wien. Das war dann doch etwas überraschend. Als am Montag das vorläufige Endergebnis (inklusive Wahlkarten) der Wien-Wahl vorlag, zeigten manche Wahlsprengel unerwartete Verfärbungen auf: Ausgerechnet in der Seestadt Aspern, in Europas größtem Stadtentwicklungsgebiet, mit dem sich die Wiener SPÖ regelmäßig schmückt, hat die FPÖ die Nase vorn.
Aufgeteilt in drei Wahlsprengel, erreichten die Freiheitlichen rund 36 Prozent, gefolgt von der SPÖ mit 34 Prozent und den Grünen mit 15 Prozent. Das SPÖ-Wohnressort baut neue Wohnungen, die Mieter ziehen ein und wählen FPÖ – womit der SPÖ in Aspern (entgegen dem Wien-Ergebnis) eine schwere Niederlage zugefügt wurde. Der Begriff Undankbarkeit lag dann auch schnell in der Luft.

Was ist passiert? Dazu gibt es mehrere Antworten. Eine lautet, viele der neuen Bewohner konnten bisher in Aspern nicht wählen. Der Stichtag für die Wahl war der 4. August. Viele Fans des Gebiets, die erst danach einzogen, mussten also noch wählen, wo sie vorher gemeldet waren. Sieht man sich die Zahlen an, hätte das aber nicht so viel geändert. Derzeit sind 5385 Personen in Aspern gemeldet. Etwas weniger als die Hälfte, nämlich rund 2300 (das sind 42 Prozent der Seestädter), durften auch wählen. Wäre der Wahlstichtag gestern gewesen, wären 400 neue Wähler hinzugekommen. Auf politischer Ebene versucht Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) jedenfalls zu relativieren. Zähle man die Stimmen für Rot und Grün zusammen, sehe man, dass die Seestadt von den Bewohnern angenommen werde. Soll heißen, dass sie der rot-grünen Koalition das Projekt danken.

Wohnung neu, Verhalten alt?

Nevrivy glaubt auch, dass sich das Wahlverhalten stark nach soziologischen Gründen richtet. Wenn jemand eine neue Wohnung beziehe, würde er deswegen nicht gleich sein Wahlverhalten ändern.

Tatsächlich dürfte das unerwartete Ergebnis an dem falschen Bild liegen, das man von den Seestadt-Bewohnern hat. So wird Aspern von der Stadt Wien gern als idealer Wohnort für Jungfamilien beworben, die Fans von öffentlichen Verkehrsmitteln und Urban Gardening sind: die etwa der urbanen Klientel des Siebten entsprechen, die sich eben für ihre Kinder etwas mehr Grün wünschen.
Allerdings dürfte genau diese Klientel (noch) nicht dort wohnen, auch wenn es tendenziell dort mehr Jungfamilien gibt. Der überwiegende Teil der Wohnungen, die bezogen sind, sind sozial geförderter Wohnbau und Wohnungen aus der Wohnbauinitiative. Heißt, das Einkommen spielt für die Vergabe eine Rolle – wenn auch die Grenzen hoch sind und immer noch viel Platz für soziale Durchmischung ist.
Bei Personen mit niedrigerem Einkommen und geringerer Bildung sind meist Ängste, wie vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, größer. Eine Angst, die durch die aktuelle Flüchtlingswelle im Sinn der FPÖ bedient worden sein könnte. Auch Probleme vor Ort, etwa fehlende Parkplätze, sagen Bewohner, könnten eine Rolle gespielt haben.

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