Koalitionspoker: Die Wackelkandidaten nach der Wahl

Wer bleibt, wer geht: Die Ressorts von Sandra Frauenberger (Integration/Frauen), Ulli Sima (Umwelt) und Andreas Mailath-Pokorny (Kultur) - im Bild bei der Präsentation des Koalitionsabkommens im November 2010 - gelten als rote Verhandlungsmasse.
Wer bleibt, wer geht: Die Ressorts von Sandra Frauenberger (Integration/Frauen), Ulli Sima (Umwelt) und Andreas Mailath-Pokorny (Kultur) - im Bild bei der Präsentation des Koalitionsabkommens im November 2010 - gelten als rote Verhandlungsmasse.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Die SPÖ will das Verkehrsressort von Maria Vassilakou zurückholen und Ressorts neu aufteilen. Wird die Stadtregierung nicht erweitert, verliert ein Stadtrat seinen Job.

Wien. Drei Tage nach der Wien-Wahl, die einen überraschend deutlichen Vorsprung der SPÖ vor der FPÖ brachte, kommt Bewegung in den politischen Betrieb – hinter den Kulissen: Wird die Stadtregierung nicht erweitert, wovon sich Bürgermeister Michael Häupl (in Sparzeiten) wenig begeistert zeigte, muss ein SPÖ-Stadtrat seinen Posten räumen. Auslöser sind die Zuwächse der FPÖ, die (wegen des Wiener Proporzsystems) nun Anspruch auf drei nicht amtsführende Stadträte und einen nicht amtsführenden Vizebürgermeister hat, der ÖVP bleibt weiter ein nicht amtsführender Stadtrat, den wohl Gernot Blümel übernehmen wird.

Welchen SPÖ-Stadtrat es erwischt, ist offen – hängt es doch davon ab, welches Ressort der künftige Koalitionspartner übernimmt. Bei roten Kernressorts wie Wohnen, Finanzen, Bildung, Sozialem und Gesundheit wird es voraussichtlich keine Änderungen geben. Die politische „Manövriermasse“ befindet sich woanders. In den Ressorts Kultur (Andreas Mailath-Pokorny), Umwelt (Ulli Sima) und Integration/Frauen (Sandra Frauenberger) könnte es Zusammenlegungen mit Teilen anderer Ressorts geben, womit ein Ressort eingespart wird. Wobei Häupl hier sowieso Änderungen angekündigt hatte.

Entmachtung von Vassilakou?

Was diese Entscheidungen komplex macht: Die bevölkerungsreichen Bezirke, in denen die SPÖ dominiert(e), fordern im Fall von Rot-Grün die Entmachtung von Maria Vassilakou. Also das Verkehrsressort. Vassilakou habe mit ihrer kompromisslosen Radfahrer- und Anti-Autofahrer-Politik, die nur in Innenbezirken funktioniere, in den Außenbezirken völlig verärgerte rote Wähler direkt in die Arme der FPÖ getrieben, ist in diesen Kreisen zu hören: „Vassilakous Verkehrspolitik hat eine Mitschuld an unserer Niederlage.“ Als Folge ist es für diese Genossen  unvorstellbar, dass die Grünen das Verkehrsressort behalten „und uns weiter schaden“.

Mit einem für Vassilakou aufgefetteten Stadtplanungsressort, welches das Umweltressort dazubekommt, könnten viele Genossen dagegen leben. Gleichzeitig wird in diesen Kreisen darauf hingewiesen, dass bereits in der Vergangenheit Umwelt und Verkehr in einem Ressort zusammengefasst war – unter roter Führung. Auch könnte man Vassilakou die Integrationsagenden im Tausch gegen das Verkehrsressort anbieten, ist zu hören.

Das Problem: Die Grünen wollen jenes Ressort, in dem sich Vassilakou medienwirksam gut inszenieren konnte, naturgemäß nicht räumen. Vielmehr wollen die Grünen von Stadträtin Renate Brauner die Wiener Linien übernehmen, um die gesamte Verkehrspolitik in grüner Hand zu haben. „Das können die Grünen gleich vergessen“, ist in SPÖ-Kreisen zu hören, die betonen, dass „alles offen“ sei. Denn bei Rot-Grün gebe es noch zahlreiche Wunden. Neben der Wahlrechtsreform verstört es hochrangige Rote, dass die Grünen Anspruch auf das SPÖ-Kernressort Bildung angemeldet hatten: „Deshalb schauen wir mal, was rauskommt“, ist zu hören.

„Sicherheitsstadtrat für ÖVP“

Dem Vernehmen nach wird der ÖVP bei der ersten Sondierungsrunde angeboten: Im Falle einer Koalition könnte man den von der ÖVP geforderten Sicherheitsstadtrat einführen – plus Zusatz-Kompetenzen. Das Lockmittel für die ÖVP: Sie würde von der Bedeutungslosigkeit direkt in die Regierung aufsteigen, die SPÖ dagegen würde kein wichtiges Ressort verlieren. Für die Koalition werde aber nicht nur entscheiden, wer kompromissbereiter ist. In roten Kreisen ist zu hören: „Die zentrale Frage ist: Wer ist verlässlicher? Die Grünen oder die ÖVP?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.