Stadtverfassung: Häupls Krux mit seinem Vize

Michael Häupl.
Michael Häupl.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Schenkt die SPÖ ihren Vizebürgermeister wieder dem Koalitionspartner, wird Gudenus zu Häupls Vertreter in Abwesenheit.

Wien. Der freiheitliche Erfolg bei der Wien-Wahl bringt die SPÖ rechtlich in eine sehr unangenehme Situation – was Maria Vassilakou im Falle einer Neuauflage einer rot-grünen Koalition den prestigeträchtigen Titel Vizebürgermeisterin kosten dürfte.

Der Grund: Die FPÖ errang mehr als ein Drittel der Mandate, nun hat sie laut Stadtverfassung Anspruch auf einen der zwei Vizebürgermeister. Da Rot-Blau ausgeschlossen ist, wird FPÖ-Klubchef Johann Gudenus „nicht amtsführender Vizebürgermeister“. Er besitzt damit einen gut bezahlten Proporzjob, aber weder Ressort noch Einfluss. Doch: Die SPÖ hatte 2010 einen Vizebürgermeister (der SPÖ standen damals laut Stadtverfassung beide zu) dem Koalitionspartner freiwillig überlassen – die grüne Parteichefin, Maria Vassilakou, wurde Stadträtin und Vizebürgermeisterin, die neben Vizebürgermeisterin Renate Brauner den Bürgermeister offiziell nach außen vertrat. Nun steht der SPÖ aber nur mehr ein Vizebürgermeister zu.

Gibt sie diesen Titel wie 2010 dem Koalitionspartner, könnte das für die SPÖ Folgen haben – nämlich den unbeabsichtigten Effekt, dass der nicht amtsführende FPÖ-Vizebürgermeister, Johann Gudenus, in den nächsten fünf Jahren Häupls erster Stellvertreter ist und ihn bei Abwesenheit offiziell nach außen vertritt. Die Ursache findet sich in § 94 der Stadtverfassung, welche die Vertretung des Bürgermeisters regelt: Gehören die zwei Vizebürgermeister unterschiedlichen Parteien an, dann wird der Bürgermeister von jenem Vizebürgermeister vertreten, welcher der stärksten Partei angehört.

Was für Renate Brauner spricht

Im Klartext: Häupl wird von einem SPÖ-Vizebürgermeister vertreten. Den Fall, dass die stärkste Partei keinen Vizebürgermeister stellt, sieht die Stadtverfassung aber nicht vor. Dann könnte die Stadtverfassung so interpretiert werden: Wenn nicht die stärkste Partei den Vizebürgermeister stellt, der den Bürgermeister als Nummer eins vertritt, muss es die zweitstärkste sein. Damit müsste nicht Vassilakou, sondern Gudenus Michael Häupl vertreten. Um das zu verhindern, dürfte Häupl in den nächsten fünf Jahren weder krank werden noch auf Urlaub gehen.

Ansonst würde ein FPÖ-Politiker an der Spitze der Stadt stehen, der die Befugnisse eines Bürgermeisters besitzt (ausgenommen des Magistrats, dort vertritt der Magistratsdirektor den Bürgermeister). Damit läuft alles darauf hinaus: Renate Brauner bleibt Vizebürgermeisterin, um Gudenus an der Macht zu verhindern. Womit Maria Vassilakou auf den Titel Vizebürgermeisterin verzichten muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2015)

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