Wien: Rebellion gegen grüne Parteispitze

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ARCHIVBILD: JOACHIM KOVACS(c) APA/DIE GRÜNEN/MARTIN JUEN
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Joachim Kovacs (31) ist neuer Landessprecher – seine Bestellung ist ein Zeichen für die Unzufriedenheit der Basis und läutet einen Generationenwechsel bei den Grünen ein.

Wien. Die Wiener Grünen haben also einen neuen Chef. Joachim Kovacs, Klubchef der Grünen Ottakring, gewann am Samstag mit 58 Prozent gegen Georg Prack die Wahl zum Landessprecher und hat somit die formal wichtigste Funktion in der Partei inne.

Der 31-jährige Tenniscoach, der seit 2007 bei den Grünen und seit 2010 in Ottakring tätig ist, hat ehrgeizige Ziele: Er will, dass seine Partei wieder „Ecken und Kanten“ bekommt. Will, dass sie künftig „weniger abgehoben ist, sich mehr Menschen öffnet“, will seine Funktionäre „raus aus der grünen Blase“ bekommen. „Damit das gelingt, müssen wir die Menschen da abholen, wo sie stehen. Und die meisten stehen nicht mit einem vollen Geldbörserl in ihrem Bio-macht-schön-Sackerl im Supermarkt, sondern haben Existenzängste“, sagt er. Hausbesuche im Gemeindebau in Wahlkampfzeiten seien ja gut und schön – aber auch verlogen, denn man muss sich eine ganze Legislaturperiode um die Bürger kümmern“, sagt er. Er will ein „Miteinander- statt Nebeneinander-Regieren“. „Ich will das rot-grüne Projekt erfolgreich machen. Wie hier in der Vergangenheit teilweise miteinander umgegangen wurde, das tut man unter Partnern einfach nicht und schadet uns allen“, sagt er im Interview zur „Presse“. Und auch was die Kommunikation und den Umgang der Parteispitze mit den Bezirken betrifft, wünscht er sich engere Kooperation.

Kovacs nimmt sich kein Blatt vor den Mund und spricht die Probleme der Grünen offen an. Das macht ihn vor allem bei den Basisfunktionären beliebt – so hatte sich zuletzt vor allem auf den unteren Ebenen Unzufriedenheit breitgemacht. Als Gründe dafür werden ein schlechter Wahlkampf, ein Ergebnis deutlich unter den Erwartungen sowie die nicht erfüllten Rücktrittsankündigungen von Vassilakou genannt, die schlussendlich trotz zwei verlorener Wahlkämpfe wieder Vizebürgermeisterin sein wird. Die Basis warf der Parteispitze Abgehobenheit vor – Georg Prack, der als enger Verbündeter von Vassilakou und Klubchef David Ellensohn galt, wurde am Samstag für all diese Verfehlungen, die er sicher nicht allein zu verantworten hat, abgestraft. Kovacs hingegen wurde am Samstag zumindest von der Basis bejubelt – in den hinteren Reihen gab es für ihn Standing Ovations. Von den Funktionären in der ersten Reihe erhob sich im ersten Moment dagegen kaum jemand, gratulierte oder gab ihm die Hand.

Jung gegen Alt

Kovacs Wahl ist auch ein Symbol für einen Generationenwechsel, der sich langsam bei den Grünen vollzieht. Neben ihm gibt es seit Samstag im Landesvorstand einige neue Gesichter: So wurde Meri Disoski (33) aus dem 18. Bezirk gewählt. Die Geschäftsführerin des Vereins Wirtschaft für Integration ist erst seit 2014 bei den Grünen tätig und möchte sich für Chancengleichheit für Menschen mit Migrationshintergrund einsetzen. Bildung ist ihr ein wichtiges Anliegen.

Neu im Team des Landesvorstands ist auch die 30-jährige Janine Wulz, die bis 2012 Vorsitzende der ÖH war. Generell fiel bei den internen Wahlen der Grünen am Samstag auf: Die Jungen, Neuen in der Partei erhielten deutlich mehr Zustimmung als die älteren Funktionäre. So lag David Ellensohn nur im Mittelfeld. Auch Maria Vassilakou bekam zu spüren, dass nicht alle mit ihr und dem Weg, den sie für die Grünen beschreitet, einverstanden sind. Sie wurde am Samstag mit nur rund 75 Prozent der Stimmen bestätigt.

Neben den internen Differenzen haben die Grünen in nächster Zeit auch noch einige mit dem Koalitionspartner auszuräumen. So wird noch immer um Posten, die die Grünen in Tochterunternehmen der Stadt haben wollen, verhandelt. Auch der Lobautunnel führt nur wenige Tage, nachdem Maria Vassilakou das Problem als „vom Tisch“ erklärt hatte, zu heftigen Diskussionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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