Frauenberger: „Wir werden Zuwanderung brauchen“

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Frauenberger bdquoWir werden Zuwanderung(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Wiens Integrations- und Frauenstadträtin Sandra Frauenberger fordert „kriteriengeleitete Zuwanderung“: Wien müsse um die „besten Hände und Köpfe“ kämpfen.

„Die Presse“: Außenminister Spindelegger fordert den Zuzug von 100.000 Ausländern. Damit spricht er Ihnen wohl aus der Seele. Welche Zuwanderer braucht Österreich?

Sandra Frauenberger: Wir haben in Wien eine Zuwanderungskommission eingerichtet. Wir wollen uns anschauen: Wie werden sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt entwickeln und wie soll dann die Zuwanderung ausschauen? Die Rot-Weiß-Rot-Card begrüße ich sehr, weil jetzt endlich diskutiert wird, wie Zuwanderung kriteriengeleitet organisiert werden kann. Und nicht nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

Welche Arbeitskräfte braucht Wien?

Frauenberger: Wir haben Arbeitskräftebedarf im Pflege- und Sozialbereich. Und im Facharbeiterbereich, etwa bei den Schlossern. Wir wissen aber auch, dass der Arbeitsmarkt zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Qualifikationen brauchen wird. Ein kriteriengeleitetes System muss darauf reagieren, dass man sehr schnell und sensibel sagt, welche Qualifikationen man im Moment braucht. Und man muss gemeinsam mit Arbeiterkammer und Gewerkschaft schauen, dass es zu keinem Lohndumping kommt. Ich weiß noch nicht, wie die Kriterien der Rot-Weiß-Rot-Card aussehen, aber die Zuwanderungskommission soll prüfen, wie so ein kriteriengeleitetes System ausschaut, damit Wien einen Profit hat. Wir werden Zuwanderung brauchen. Und wir müssen uns als Stadt attraktiv machen, damit wir die Zuwanderer bekommen. Es wird zu einem Wettbewerb um die besten Köpfe und Hände kommen.

Soll es ein Casting geben à la „Wien sucht den Super-Einwanderer“?

Frauenberger: Wir diskutieren jetzt über die Zuwanderung auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Wir haben aber schon viele Menschen hier, die keinen Arbeitsplatz haben, mit oder ohne Migrationshintergrund. Zunächst müssen diese Menschen Arbeit bekommen. Und ich verwehre mich gegen das Bild des Castings. Es gibt gute Beispiele wie Kanada oder Australien, die in einem kriteriengeleiteten Auswahlverfahren schauen, wer kommen kann, wen man braucht.

Woher sollen die neuen Zuwanderer denn kommen?

Frauenberger: Der Zuzug kommt jetzt verstärkt aus den neuen EU-Ländern, also etwa Rumänien, Bulgarien. Aber für den österreichischen Arbeitsmarkt ist es ja nicht entscheidend, woher jemand kommt, sondern ob er eine für den Wirtschaftsstandort wichtige Qualifikation mitbringt.

Nun gibt es aber Zuwanderer, die ein zum Teil sehr archaisches oder patriarchalisches Weltbild mitbringen, in dem etwa die Rolle der Frauen sehr reduziert wird.

Frauenberger: Ich verurteile es, als Frauenstadträtin, wenn Frauen zwangsverheiratet werden. Wir haben Checklisten für Dienststellen der Stadt Wien und Beratungseinrichtungen erstellt, damit den betroffenen jungen Frauen effizient geholfen werden kann.

Andererseits: Zu einem Verbot der Ganzkörperverschleierung können Sie sich doch nicht durchringen.

Frauenberger: Ein Verbot ist der falsche Weg. Damit würden die Frauen vielleicht gar nicht mehr außer Haus kommen und wären damit für unsere Hilfe überhaupt nicht mehr ansprechbar. Außerdem gibt es in Wien ja weniger als zehn Frauen, die wirklich Burka tragen. Mit der Debatte werden also nur Ressentiments geschürt.

Soll Arigona Zogaj wieder zurück nach Österreich kommen?

Frauenberger: Wir haben Dutzende „Arigonas“ auch in Wien. Warum soll es für eine Arigona andere Regeln geben als für eine Svetlana in Wien? Es gibt rechtliche Regelungen, an die man sich halten muss. Ich bin nicht glücklich mit diesen Regeln. Ich bin dafür, dass man es Menschen in solchen Fällen leichter macht, hier zu bleiben.

Themenwechsel: Sie wollen Verbesserungen im Bereich Prostitution, Sie wollen eine Kondompflicht für Freier einführen. Wie wollen Sie denn die kontrollieren?

Frauenberger: Es geht gar nicht so sehr darum, wie man das kontrollieren kann. Wichtig ist das Signal. Die Prostituierte soll sagen können, dass es ohne Kondom verboten ist. Derzeit hat sie keinerlei Handhabe. Mit einem Verbot kann man auch verhindern, dass manche Frauen damit werben, dass sie Sex ohne Kondom anbieten.

Gesetze werden wohl kaum eingehalten, wenn sie nicht kontrolliert werden. Soll etwa noch eine „Kapperltruppe“ eingerichtet werden?

Frauenberger: Wir brauchen nicht für alles gleich eine eigene Kapperltruppe. Es genügt, dass eine Prostituierte eine rechtliche Grundlage hat, Sex ohne Kondom abzulehnen. Und was die Frage der Kontrolle angeht: Man könnte schauen, ob ein Freier ein Kondom eingesteckt hat. Es geht eben um die Gesundheit der Frauen.

Sie haben zwei neue Zonen für den Straßenstrich eingerichtet, die werden aber nicht angenommen.

Frauenberger: Wir haben eine halbjährige Pilotphase geplant, damit wir sehen, wie es sich entwickelt. Und ja, momentan werden die Zonen nicht so angenommen. Uns war wichtig, zu klären, ob man den Straßenstrich mit kommunalpolitischen Maßnahmen überhaupt verlagern kann. Wenn das nicht funktioniert, werden wir uns andere Maßnahmen überlegen, um die Anrainerbelastung, etwa in der Felberstraße, zu verringern. Schon jetzt gibt es verstärkte Polizeikontrollen. Das soll so bleiben.

Können Sie sich vorstellen, Wiener Bürgermeisterin zu werden?

Frauenberger: Michael Häupl denkt noch lange nicht ans Aufhören. Im Gegenteil, er ist voller Kraft und sehr aktiv im Wahlkampf. Wenn Sie fragen, ob der nächste Bürgermeister eine Frau sein könnte, sage ich: Warum nicht? Ich bin mit meiner Aufgabe als Wiener Stadträtin für Frauen und Integration sehr glücklich. Und ich liebe Wien.

Und würde es Sie reizen, in einem möglichen Staatssekretariat für Integration auf Bundesebene zu arbeiten?

Frauenberger: Ich arbeite leidenschaftliche gerne für Wien.

Sollte die SP die Absolute verlieren, wäre dann für Sie ein Vizebürgermeister Strache vorstellbar?

Frauenberger: Ein Vizebürgermeister Strache kommt für mich nicht in Frage.

ZUR PERSON

Sandra Frauenberger ist seit 2007 Stadträtin für Integration/Frauenfragen. Die mit einem Architekten verheiratete Mutter zweier Söhne kam am 22.9.1966 als Kind einer Simmeringer Arbeiterfamilie zur Welt. Sie engagierte sich zuletzt als Leiterin der Bundesfrauenabteilung der Privatangestellten-Gewerkschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2010)

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