Wien-Wahl: Der Traum vom Drachentöter

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Michael Häupl inszeniert seinen Wahlkampfauftakt zum Duell "Gut gegen Böse". Wiens Bürgermeister will zum SP-Säulenheiligen werden: zum Einzigen, der den Hauptgegner FPÖ und Heinz-Christian Strache stoppt.

"Es ist diesmal eine Entscheidung der Werte und der Haltung. Es ist diesmal eine Entscheidung zwischen Zukunft und Vergangenheit“, poltert Michael Häupl auf der riesigen Bühne der Wiener Stadthalle – und meint damit Heinz-Christian Strache, die Wiener FPÖ und die „Wiener Blut“-Plakate. Also den Hauptgegner der SPÖ für die „Schlacht um Wien“, den Hauptgegner, der die absolute Mehrheit der Bürgermeisterpartei gefährden könnte.

Es ist Samstag, zehn Minuten nach zehn, und die Wiener SPÖ ist offiziell in ihren Wahlkampf gestartet. In der Wiener Stadthalle schießt sich Häupl vor 7000Anhängern auf die „Hetzer“ ein, der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë ist zur Unterstützung gekommen und zeigt sich als begeisterter Wien-Tourist.

Den Boden für Häupls Generalangriff auf die FPÖ durfte Bundeskanzler Werner Faymann als Vorredner aufbereiten: „Wien ist ein Vorbild, wo Menschen aus ganz Europa, auch mit unterschiedlichen Religionen, friedlich zusammenleben.“ Und, nach einer Kunstpause: „Deshalb haben Hetzer in dieser Stadt keinen Platz.“ Denn man habe gesehen, was die FPÖ für ein Spiel spiele, ruft Faymann mit geballter Faust vom Podium aus den Genossen zu – und meint damit nicht nur das Computerspiel der steirischen FPÖ, bei dem Moscheen abgeschossen werden. Häupl selbst knöpft sich dann Heinz-Christian Strache und seine Mitstreiter vor: Deren Programm sei rassistisch. Er, Häupl, habe mit Jörg Haider oft gestritten. „Aber wenn ich mir das anhöre, was Strache, Kickl und Co. von sich geben, sehne ich mich nach der Intellektualität des Dr. Haider manchmal zurück.“

In diesem Moment wird in der Wiener Stadthalle deutlich, was Häupl dieser Tage antreibt: Es geht um nichts Geringeres als die parteiinterne Seligsprechung: In einer Zeit, in der absolute Mehrheiten anachronistisch klingen und die SPÖ überall verliert, könnte er diese letzte Bastion halten. Und noch wichtiger: Als Höhepunkt seiner politischen Karriere könnte er erstmals einen der gefürchteten Rechtspopulisten stoppen. Michael Häupl, der erste und einzige Drachentöter. Dafür sind alle Mittel heilig, notfalls ruft er eben auch Jörg Haider posthum in den Zeugenstand. Gekonnt verbreiten die SPÖ-Strategen Umfragen, in denen Strache um die 25 bis 26 Prozent liegt. Das wären gegenüber 2005 ein Plus von rund zehn Prozentpunkten.

Damit sollen nicht nur die eigenen Funktionäre dazu gebracht werden, ordentlich zu rennen, sondern bei einem FP-Wahlergebnis von rund 20 Prozent die Legende des Strache-Untergangs geschaffen werden. Obwohl das noch immer ein Plus von fünf Prozentpunkten wäre, soll durch die Differenz zwischen Erwartung und dem tatsächlichen Abschneiden eine Lücke entstehen, die man als schwere Niederlage werten kann. Straches altes Ziel, Wiener Bürgermeister zu werden, ist ohnehin unerreichbar. So soll das Bild vom „Loser“ Strache weiter verfestigt werden, an dem Häupl schon lange arbeitet. Das Wiener Abschneiden von Barbara Rosenkranz bei der Bundespräsidentenwahl wird ebenfalls immer wieder genannt: Hatte Strache doch 30 Prozent als Wahlziel ausgegeben und sich selbst mit seiner nicht wohlgelittenen Kandidatin plakatiert (dass es nicht wenig ist, wenn eine Rechtsaußen-Politikerin überhaupt auf 13,68 Prozent kommt, lässt man dezent unter den Tisch fallen).

Der Mann hinter Häupl

Hinter diesem und für diesen politischen Traum steht ein Mann: Stanley Greenberg, der Staats- und Parteichefs auf der ganzen Welt berät, hat in Wien Idealvoraussetzungen für sein Drehbuch einer Wahlauseinandersetzung gefunden: einen rechtspopulistischen Gegner, der mit negativen Themen punkten will. Und auf der anderen Seite als Verteidiger (und haushoher Favorit, was in dieser Inszenierung nicht gesagt werden darf) der gute alte Mann, der hart kämpft, aber mit positiven Themen punkten soll. Davon gab es genug, wie jeder Steuerzahler noch merken wird: von der 24-Stunden-U-Bahn bis zum Gratiskindergarten.

Häupls Auftritt als Drachentöter ist als Hollywoodfilm komponiert – nach dem Vorbild einer US-Wahlveranstaltung: Der Schriftzug 10.10.2010 flimmert über die riesige Videowand auf der Bühne. Im Hintergrund ertönen bombastische Klänge. „Conquest of Paradise“ könnte ein Vorbild gewesen sein – das Lied, mit dem der deutsche Boxweltmeister Henry Maske in den Ring gestiegen ist. Greenberg mag Pathos. Nicht nur er, viele Parteien weltweit verwenden den Song.

Die Musik wird lauter. Die Menschen gehen zur Seite und bilden einen Korridor. Alle Blicke richten sich auf diesen Korridor. Dann kommt er. Nein, nicht Maske, sondern Häupl, der ganz klassisch wie ein römischer Held in die Arena einzieht. Hände schüttelnd, lächelnd, und im Hintergrund blinken kleine rote SPÖ-Herzen in der abgedunkelten Stadthalle, die sich fast alle Genossen angesteckt haben. So ähnlich war es beim letzten Häupl-Wahlkampf und bei Heinz Fischer.

Standing Ovations begleiten Häupl zum Rednerpult, wo Minuten zuvor Faymann betont hat: „Unsere Aufgabe gegen Gehässigkeit aufzutreten und Antifaschist zu sein hat noch lange nicht aufgehört.“ Damit die Genossen im Eifer des Gefechts mit der FPÖ nicht übersehen, wofür die SPÖ steht, werden die Schwerpunkte des eigenen Wahlkampfs ständig auf kleinen Bildschirmen, die in der Halle hängen, eingeblendet: Bildung, Arbeitsplätze, Sicherheit und Regeln für das Zusammenleben, also das Thema Integration– was ein Signal an die SPÖ-Klientel im Gemeindebau sein soll.

Vor dem Einzug Häupls wurde noch ein Video im alten MTV-Stil gespielt. Läufer, Eishockeyspieler, Leichtathleten kurz vor dem Start, Anspannung im Gesicht. Diese Bilder sollen auch dem letzten Funktionär vermittelt, worum es ab dieser Sekunde geht: Der Wettkampf beginnt. Und der Gegner ist die FPÖ, wie Häupl den Delegierten mehr als eindringlich nahebringt. Dass Franz Voves, der in der Steiermark zeitgleich auch um den Verbleib als Landeschef kämpft, übrigens auch Eishockeyspieler war, sagt keiner dazu. Vielleicht besser so.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2010)

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