Das Elend der Wiener ÖVP nach der Wahl

Das Elend der Wiener ÖVP nach der Wahl
Das Elend der Wiener ÖVP nach der Wahl(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Die Wiener VP ist in desaströser Verfassung. Und nun distanziert sich auch noch die Wirtschaftskammer.

In einer christlich-sozialen Partei mag manchmal der Glaube eine Rolle spielen. Allein, den Glauben an ein Wunder, dass die rot-grünen Verhandlungen scheitern und die Wiener VP doch noch den Sprung in die Stadtregierung schafft, haben die meisten längst aufgegeben – selbst wenn Parteichefin Christine Marek gebetsmühlenartig wiederholt: „Abwarten, ob es tatsächlich eine rot-grüne Koalition gibt.“

Die Wiener VP ist nach ihrer Zertrümmerung (anders kann der Absturz auf 13,99 Prozent nicht genannt werden) und der Eroberung des wenig schmeichelhaften Titels „schwächste VP-Landesgruppe“ in einer Situation, die schlechter nicht sein könnte.

Erstens: Die Partei zeigt Auflösungserscheinungen. Bezeichnend dafür ist die Achse Bürgermeister-Wirtschaftskammer. Brigitte Jank, Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, sitzt zwar im VP-Parteivorstand, wo ihr Einfluss nicht gerade bescheiden ist. Doch Jank ist bezeichnenderweise auch Vizepräsidentin in Michael Häupls Lieblingsverein, der Austria Wien. Und wo die Präferenzen von Jank sind, wurde in der vergangenen Woche klargestellt: Die Kooperation mit der Wirtschaftskammer wird unter Rot-Grün ausgebaut, kündigte Häupl an. Und Jank wirkt dank der Achse zu Häupl von Rot-Grün nicht sonderlich beeindruckt.

Die Kammer ist eine Lobbyingorganisation, die ihre eigenen Prioritäten setzt. Parteipolitik spielt dort eine untergeordnete Rolle. Bezeichnend dafür ist, dass die Mitglieder in Janks Wirtschaftsbund nicht gleichzeitig VP-Parteimitglieder sein müssen. Ein Novum in der von Bünden dominierten ÖVP. Ergo: Die angeschlagene Wiener VP kann sich von dieser einflussreichen Seite keine Schützenhilfe für die Opposition erwarten: „Die Wirtschaftskammer ist kein Teil der ÖVP“, meint eine VP-Politikerin frustriert: „Dem Wirtschaftsbund ist die Kammer näher als die Partei. Die arbeiten schon fast gegen uns.“ Im VP-Wirtschaftsflügel wird das lapidar kommentiert: „Die haben nur Angst, von der FP auf der Oppositionsbank zerdrückt zu werden.“

Zweitens: Die Wiener VP ist keine Oppositionspartei. Sie muss in den nächsten Jahren aber scharfe Oppositionspolitik betreiben, soll das Wahlergebnis 2015 nicht einstellig werden. Für eine kantige Oppositionspolitik fehlen aber die Persönlichkeiten. Marek selbst ist mehr Regierungs- denn Oppositionspolitikerin. Bezeichnend für die oppositionelle Schlagkraft der Wiener ÖVP: Der dynamischste Posten der VP-Opposition war bisher Gemeinderätin Ingrid Korosec. Und diese Frau ist 70 Jahre alt.

Drittens: Die FPÖ hat das Monopol auf die Opposition. Mit Johann Gudenus als Klubobmann stellt FP-Chef Heinz-Christian Strache seine Wiener FP nach dem Wahltriumph neu auf. Gudenus ist nicht nur jung, sondern auch hungrig. Seine Karriereplanung endet nicht beim Posten als Klubchef in Wien, ist zu hören. Die Folge: Die Wiener FP wird ihren Oppositionskurs deutlich schärfen, die ÖVP droht, dank dem Fehlen schlagkräftiger, polarisierender Persönlichkeiten mit ihren Botschaften unterzugehen. Dafür wird auch die rot-grüne Koalition sorgen, die als Premiere auf Landesebene Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird.

E-Mails: martin.stuhlpfarrer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29. Oktober 2010)

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