Klemens von Klemperer: Er war der Jugendfreund von Fepolinski und Waschlapski

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Klemens von Klemperer, der aus seiner Heimat vertriebene Liebhaber und Geschichtsschreiber Österreichs starb im hohen Alter in den USA.

In Amerika ist wenige Wochen nach seinem 96.Geburtstag der Österreich vielfach verbundene Historiker Klemens von Klemperer gestorben. Seit seinen Studienjahren im Wien der Dreißigerjahre war er eng mit den Brüdern Otto und Fritz Molden befreundet. In seinen 2009 erschienenen Erinnerungen „Voyage through the 20th Century“ gibt es ein Kapitel „O du mein Österreich“, in dem Klemperer seinen Freundeskreis mit dem Zentrum im Molden-Haus in der Osterleitengasse7 in Wien-Döbling beschreibt.

Die meisten waren von der „bündischen“ Tradition der katholischen Jugendbewegung geprägt (Klemperer selbst war Protestant), strikt anti-nationalsozialistisch und zum Widerstand gegen das NS-Regime entschlossen, aber auch stark von idealistisch-naiver „Reichsromantik“ bewegt.

Klemperers Mutter, Frieda, war gebürtige Wienerin aus der bekannten Bierbrauerfamilie Kuffner (Ottakringer Bier), der auch die Kuffner-Sternwarte in Ottakring zu verdanken ist. Zwei Schwestern der Mutter sollten in Auschwitz ermordet werden.

Geboren 1916 in Berlin (der Vater war Direktor einer Lokomotivfabrik), besuchte Klemens das elitäre französische Gymnasium und maturierte 1934. Er hat von seinen „zwei Heimaten“, Berlin und Wien, gesprochen. Noch 1934 war es dem Vater gelungen, Klemens in das prestigereiche Balliol College der Universität Oxford einschreiben zu lassen. Doch nach wenigen Wochen riss der 18-Jährige aus und ging – nach Wien. In Wien war ja die Familie seiner Mutter, und von Wien und Österreich aus wollte er gegen das NS-Regime in Deutschland wirken. Er begann in Wien Jus zu studieren, sein bedeutendster Lehrer war der Rechtshistoriker Heinrich Mitteis, dem er auch wiederholt im Hause Molden begegnete.

Die Märztage 1938 durchlebte er in enger Verbindung mit den Brüdern Molden, einschließlich einer allerdings nur kurzfristigen Ausrüstung mit Gewehren und Bajonetten am 11.März. Klemperer nahm auch an einer konspirativen Zusammenkunft von etwa 20 jungen Widerständlern in einer Berghütte bei Parthenen im Juli 1938 teil, worüber Fritz Molden in seinem „Fepolinski und Waschlapski auf dem berstenden Stern“ berichtet hat. Eine Zeitlang arbeitete Klemperer in Rodaun im Hofmannsthal-Schlössl an der Sichtung von Hofmannsthals Nachlass – bei „Tante Gerty“, der Witwe Hofmannsthals, mit dem Klemperer durch eine Heirat mütterlicherseits verwandt war. Doch der Vater betrieb energisch die Emigration der ganzen Familie nach Amerika, zwei ältere Brüder waren schon drüben. In Amerika folgten das Geschichtsstudium in Harvard, unterbrochen vom Militäreinsatz in Europa, und der akademische Aufstieg zum Lehrstuhlinhaber am renommierten Smith College in Massachusetts.

Sein wichtigster Beitrag zur österreichischen Geschichte ist die Biografie Ignaz Seipels, 1972 in englischer und wenig später in deutscher Sprache erschienen. Das Buch ist von merkbarerem Einfühlungsvermögen für Seipels frühere Jahre getragen, besonders auch betreffend Seipels publizistische Bemühung im Übergang von der Monarchie zur Republik, die österreichischen Katholiken und die christlich-soziale Partei an die Republik zu gewöhnen und mit ihr auszusöhnen. Dies hat ihm die Antipathie des Hauses Habsburg eingetragen. Klemperer hat von der Revolution 1918 als einer „konsensualen“ Revolution gesprochen.

Seipels Weg nach weiter rechts in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre und seine Härte 1927 werden wesentlich kritischer gesehen, das unlösbare Dilemma zwischen dem Priester und dem Machtpolitiker deutlich herausgearbeitet. Klemperer ist mehrfach zu wissenschaftlichen Tagungen nach Österreich gekommen, so 1988 zum internationalen Symposion der Akademie der Wissenschaften über den „Anschluss“ im März des Jahres 1938.

Das zentrale Thema von Klemperers Werken wurden der Widerstand gegen Hitler in Deutschland und vor allem die Persönlichkeiten rund um den 20.Juli 1944. Eingehend hat er sich mit dem 1944 hingerichteten Diplomaten Adam Trott zu Solz befasst, aber auch mit Carl Goerdeler. Zu Klemperers eindrucksvollsten Schriften zählen Reflexionen über Dietrich Bonhoeffer. Klemperer wurde 1998 eingeladen, in London in Gegenwart der Queen die Gedenkrede für Bonhoeffer anlässlich der Enthüllung der Statuen von zehn Märtyrern des 20. Jahrhunderts (darunter Maximilan Kolbe und Erzbischof Romero) über dem Hauptportal der Westminster Abbey zu halten.

Bonhoeffer, großer evangelischer Theologe, Widerstandskämpfer und durch seine Hinrichtung zum Märtyrer geworden, ist für Klemperer – zu Recht – ein evangelischer Heiliger des 20.Jahrhunderts. Es wäre lohnenswert, sich auch in Österreich stärker mit der Biografie und dem wissenschaftlichen Werk Klemperers zu befassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

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