"Knittelfeld" begann am Kamp

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bdquoKnittelfeldldquo begann Kamp(c) APA (Lechner Gerald)
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Wasser kann hochpolitisch sein. Vor allem zu viel Wasser. Es kann Wahlen entscheiden. Und Regierungen stürzen. Wie in Österreich im Jahr 2002 geschehen.

Es gehört zur politischen Ikonografie dieses Landes: Jenes Bild, das SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima im Juli 1997 in knallgelben Gummistiefeln mit einem Eimer in der Hand beim Hochwassereinsatz zeigt. Auch von diversen Landeshauptleuten, allen voran von Niederösterreichs Erwin Pröll, existieren solche Bilder.

Viktor Klima hat es wenig genützt, Erwin Pröll hat es nachweislich nicht geschadet. Doch so ein Hochwasser lediglich als Kulisse für PR-Auftritte von sich als tatkräftig inszenierendem Politiker zu sehen greift – abgesehen von den realen menschlichen Schicksalen, die dahinterstehen – zu kurz. Wasser, vor allem zu viel Wasser, kann Wahlen entscheiden.

Gerhard Schröder wäre ohne Hochwasser kaum als deutscher Kanzler wiedergewählt worden. Im Bundestagswahlkampf 2002 lagen die rot-grünen Regierungsparteien lange hinter der bürgerlichen Opposition zurück. Doch dann kam die Flut an der Elbe und ihren Nebenflüssen – und mit ihr das medienwirksame Krisenmanagement von Kanzler Schröder.

In Österreich spülte im selben Jahr ein Hochwasser die Regierung hinweg. Zugespitzt formuliert: „Knittelfeld“ begann am Kamp.

Nach tagelangen Regenfällen mit großen Niederschlagsmengen trat Anfang August im niederösterreichischen Waldviertel der Kamp über die Ufer. Viele Ortschaften standen unter Wasser. Auch im Mühlviertel, entlang des Flusslaufs der Aist, kam es zu Überschwemmungen. In der Folge trat dann die Donau über die Ufer. Ybbs stand unter Wasser. Was erste politische Auswirkungen hatte: Während Oppositionsführer Alfred Gusenbauer auf Urlaub auf Korsika weilte und diesen auch nicht abbrach, waren seine Eltern in ihrem Haus in Ybbs von den Wassermassen eingeschlossen. Vertreter der schwarz-blauen Regierung weideten dies genüsslich aus.

Steuerreform abgesagt

Doch auch diese sollte bald die Wirkung des Hochwassers spüren. Um die Soforthilfe für die Flutopfer zu finanzieren, beschloss die Regierung Schüssel einerseits, die Zahl der bestellten Eurofighter von 24 auf 18 Jets zu reduzieren. Andererseits wurde die, vor allem von Jörg Haiders Partei geforderte Steuerentlastung für 2003 verschoben – mit Zustimmung der freiheitlichen Minister.

Die blaue Basis war aufgebracht, aufgestachelt von Haider und seinen Vertrauten in Kärnten und am rechten Flügel der Partei wie Ewald Stadler. „Wegen dem bisserl Regen werden wir doch die Steuerreform nicht verschieben“, soll Haider bei einem Auftritt vor dem FPÖ-Parlamentsklub gemeint haben. Kurt Scheuch brachte daraufhin einen Antrag zum Festhalten an der Steuerreform ein. Doch Haider und seine Getreuen blitzten ab. Eine ungewohnte Niederlage für den Erfolgsverwöhnten. Es war das erste Mal, dass sich der FPÖ-Klub offen gegen den großen Übervater Jörg Haider stellte.

Der Stachel saß tief. Stadler begann Unterschriften für einen Sonderparteitag zu sammeln. Dazu kam es zwar nicht, dafür jedoch zu jenem hitzigen FPÖ-Delegiertentreffen in Knittelfeld Anfang September, an dessen Ende der Rücktritt der freiheitlichen Regierungsmitglieder in Wien stand. ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel kündigte die Koalition auf. Die erste schwarz-blaue Regierung der Zweiten Republik war zerbrochen.

Bei den folgenden Neuwahlen ging die ÖVP als großer Sieger hervor, die FPÖ als großer Verlierer. Die Wunden von Knittelfeld wirkten in der Partei lange nach – im Grunde genommen bis heute.

Auf einen Blick

Jahrhundertflut 2002. In Deutschland rettete sich Gerhard Schröder mit gekonntem Krisenmanagement entlang der Elbe noch einmal die Kanzlerschaft. In Österreich zerbrach Schwarz-BlauI an den Folgen des Donau-Hochwassers: Die Steuerreform wurde abgesagt, Jörg Haiders FPÖ-Basis rebellierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2013)

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