Serbien: „Gott gab mir ein Leben mit Tito“

Tito-Witwe Jovanka Broz.
Tito-Witwe Jovanka Broz.(c) EPA
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Die jahrzehntelang isolierte Witwe Titos, Jovanka Broz, ringt in einer Belgrader Klinik um ihr Leben. Kurz zuvor hat die 89-Jährige ihre bittere Lebensbeichte verfasst.

Belgrad. Glaubt man den serbischen Gazetten, leidet die prominenteste und trotzdem in Vergessenheit geratene Witwe des Landes an Hautkrebs im Endstadium – und ringt die letzte große Zeugin einer ganzen Epoche um ihr Leben: Mit offenen Wunden am ganzen Körper und in lebensbedrohlichem Zustand ist die 89-jährige Jovanka Broz am Wochenende in der Belgrader Notfallklinik aufgenommen worden. Die große Anteilnahme wärme ihr „den Geist und das Herz“, zitieren die Ärzte die letzte Frau von Jugoslawiens legendärem Landesvater Josip Broz „Tito“.

Die Furcht vor dem nahen Ende und die zunehmenden Schmerzen waren es wohl, die die seit Jahrzehnten völlig zurückgezogen lebende Frau kurz zuvor zu einer späten Lebensbeichte getrieben haben. Sie habe ihr bitteres Testament unbedingt noch zu Lebenszeiten veröffentlicht sehen wollen, berichtet Jovankas Biograf Zarko Jokanović, der seit acht Jahren in engem Kontakt zu der letzten Frau von Jugoslawiens Präsidenten, Josip „Tito“ Broz, steht: Sie habe sichergehen wollen, dass niemand posthum „etwas ändern oder umschreiben kann“.

Die Welt war jahrzehntelang auf ihrem Wohnzimmersofa zu Gast. Ob Robert Kennedy oder Leonid Breschnew, ob Königin Elisabeth oder Fidel Castro, ob Papst Paul VI. oder Muammar al-Gaddafi: Die einstige Präsidentengattin hatte die Mächtigen des Globus während ihrer 28-jährigen Ehe mit Jugoslawiens Staatschef Josip „Tito“ Broz alle kennengelernt. „Gott gab mir ein wunderbares Leben an der Seite von Tito“, sagt die Witwe im Rückblick: „Aber so viele schöne Jahre ich auch hatte – noch mehr Jahre wurde ich verfolgt, gequält und gepeinigt.“

Seit Titos Tod 1980 hat seine 32 Jahre jüngere Frau isoliert, verarmt und lange unter faktischem Hausarrest in einer verfallenden Belgrader Villa ohne Heizung gelebt. Erst 2006 erhielt sie von der serbischen Regierung einen Ausweis, drei Jahre später einen Reisepass. Ihre von dem Publizisten Jokanović aufgezeichnete und erst im Juli von der Belgrader Zeitung „Blic“ über mehrere Wochen täglich veröffentlichte „Lebensbeichte“ fiel entsprechend bitter aus: „Ich lebe aus Trotz, um die Ungerechtigkeit zu korrigieren.“

Als junge Partisanin hatte Jovanka ihren späteren Ehemann 1942 schon während des Zweiten Weltkriegs im bosnischen Bihać kennengelernt. Näher kamen sich die beiden späteren Eheleute laut ihrer Auskunft erst 1947, als die einstige Krankenschwester ihm nach einer Operation zur Seite stand. Als seine Privatsekretärin stimmte sie einer Hochzeit mit dem als Lebemann geltenden Tito wegen des großen Altersunterschieds 1952 erst nach Zögern zu. Zumindest in den ersten beiden Jahrzehnten galt die Ehe als erfüllt.

Doch in den 1970er-Jahren begann sich das Eheglück zu wenden. Die faktische Trennung drei Jahre vor dem Tod Titos schreibt Jovanka ihren damaligen Gegnern im Dunstkreis des alternden Marschalls, wie Armeechef Nikola Ljubičić und Tito-Berater Stane Dolanc, zu. Diese hätten die ungestörte Nähe Titos zur Mehrung ihres Einflusses gesucht: „Ich störte sie.“

Angebliche Agententätigkeit

Tatsächlich wurde noch zu Titos Lebzeiten gegen Jovanka wegen angeblicher Agententätigkeit ermittelt. Doch ein schlechtes Wort lässt sie heute über ihren früheren Mann nicht fallen. Tito habe immer abgelehnt, sich von ihr scheiden zu lassen: „Er rettete mir so das Leben. Denn er wusste sehr wohl, von welchen Figuren er umgeben war.“

An Titos Beerdigung habe sie nur auf Druck von Indira Ghandi teilnehmen können. Doch drei Monate später setzten ihre Gegner zum endgültigen Schlag gegen die missliebige Jovanka an. Ihr gesamter Familienbesitz wurde konfisziert, sie ohne Prozess praktisch unter Hausarrest gestellt. Auch im Kriegsjahrzehnt der 1990er-Jahre galt die frühere First Lady Jugoslawiens als unerwünschte Person. Auf eine offizielle Rehabilitation wartet sie bis heute. 33 Jahre lebe sie schon in Einsamkeit und Isolation: „Der Staat hat mir abgenommen, was er konnte – und mich zu einer Bürgerin zweiter Klasse ohne jegliche Menschenrechte gemacht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2013)

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