50 Jahre "Rotes Telefon": Ein Draht für Rezepte und Krieg

Jahre Rotes Telefon Draht
Jahre Rotes Telefon Draht(c) Wikimedia Commons
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Seit dem 30. August 1963 sind Washington und Moskau durch eine "Hot Line" verbunden. Nicht nur politische Nachrichten wandern über den Atlantik - und das Telefon ist kein Telefon, und schon gar nicht rot.

Aus der "höchsten nationalen Dringlichkeit" heraus wurde am 30. August 1963 eine direkte Leitung, ein "Heißer Draht", zwischen Washington und Moskau gelegt. Die Welt und wohl vor allem die jeweiligen Staatschefs - auf der einen Seite US-Präsident John F. Kennedy, auf der anderen Sowjetführer Nikita Chruschtschow - atmeten auf. Denn ihnen war klar: Sie waren haarscharf an einer nuklearen Katastrophe vorbei geschrammt.

Es war im Oktober 1962, als Kennedy der amerikanischen Öffentlichkeit bekanntgab, dass sowjetische Atomraketen auf der Karibikinsel Kuba stationiert worden waren. Zudem waren bereits rund 42.000 sowjetische Soldaten nach Kuba verschifft worden, darunter eine 10.000 Mann starke Kampftruppe. Die USA reagierten mit einer enormen Mobilmachung, die Luftstreitkräfte wurden in höchsten Alarmzustand versetzt. Ein Präventivschlag schien nur noch eine Frage von Stunden zu sein.

Kein Telefon - und schon gar nicht rot

Am 28. Oktober verkündete Chruschtschow schließlich über "Radio Moskau", dass die Sowjetunion bereit sei, ihre Offensivwaffen zu demontieren - vorausgesetzt die USA erklärten einen Gewalt- und Invasionsverzicht gegenüber Kuba. Kennedy akzeptierte - doch der Schock blieb.

Um nicht wieder eine derartige politisch-militärische Krise zu riskieren, sollte ein "Heißer Draht" zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml installiert werden. Eine entsprechende Vereinbarung wurde im Juni 1963 in Genf getroffen. Am 30. August 1963 wurde die Verbindung zwischen den beiden Weltmächten eröffnet - und dann vier Jahre lang nicht verwendet. Der Mythos des "Roten Telefons" aber war geboren. Tatsächlich ist die "Hot Line" jedoch weder ein Telefon noch rot, sondern eine Fernschreiberverbindung.

Die erste Botschaft ging 1967 über den Atlantik. Am 5. Juni, wenige Stunden nach dem Ausbruch des Sechstagekrieges, erhielt der damalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara einen Anruf des diensthabenden Generals. Dieser soll ihm mitgeteilt haben, dass der sowjetische Ministerpräsident Kossygin Präsident Lyndon B. Johnson zu sprechen wünsche. Fortan gaben beide Seiten die Position ihrer Schiffe über die "Hot Line" aneinander weiter. Insgesamt 19 Botschaften sollen hin- und hergeschickt worden sein.

Auch während des indisch-pakistanischen Krieges 1971 und 1974, als die Türkei in Zypern einfiel, soll der "Heiße Draht" verwendet worden sein, berichtet der deutsche Professor Max Paul Friedman der "Tagesschau". Während des Ersten Golfkriegs kommunizierten Präsident George Bush und Staatschef Michail Gorbatschow über jene Leitung. Bis heute sitzen auf beiden Seiten jeweils zwei Beamte pro Schicht, die Englisch und Russisch sprechen.

Wenn der Fuchs über den faulen Hund springt

Im Laufe der Jahre kam es auch immer wieder zu "Funkstillen". Um die Funktion der Leitung aber aufrecht zu erhalten, wird sie regelmäßig getestet - in Form des Sendens unpolitischer Kurzmeldungen. Derartige Botschaften lauteten etwa: "The quick brown fox jumps over the lazy dog". Grund für die Wahl dieses Satzes war, dass darin alle Buchstaben des Alphabets enthalten sind. Die Sowjets verwendeten indes einst die Phrase: "Jetzt ist es an der Zeit für alle Menschen guten Willens, der Partei zu helfen".

Doch auch inhaltsvollere Nachrichten wurden in den vergangenen Jahren über den Atlantik geschickt: "Es gab vor allem im Kalten Krieg in Zeiten großer Spannungen diese helle, heitere Ecke in den Räumen des Bedienpersonals auf beiden Seiten, die Rezepte, Kurzgeschichten und Gedichte austauschten. Und das ist auch heute noch der Fall", so Friedman.

(Red.)

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