„Des kånn ma den Sozis net antun“

Julius Raab
Julius Raab (c) APA (ARCHIV STEINER)
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Österreichs Wahlkämpfe (2). 1955 wollte die Volkspartei den Erfolg des Staatsvertrags ausnützen, aber der allmächtige Parteichef Julius Raab war strikt dagegen.

Der 13. Mai 1956: Die ersten Nationalratswahlen in einem freien und „immerwährend neutralen“ Österreich! Favorit war natürlich „Staatsvertragskanzler“ Julius Raab mit seiner ÖVP. Die hatte ihn gedrängt, gleich nach dem Staatsvertrag 1955 wählen zu lassen. Immerhin war ja seit 1953 der Mandatsvorsprung der ÖVP nur noch hauchdünn: 74 zu 73. Und erstmals hatte die SPÖ damals den politischen Partner/Gegner um 36.749 Stimmen sogar überflügelt. Aber Raab, der alte Sozialpartner, hatte das abgelehnt: „Des kånn ma den Sozis net antun.“

Inzwischen war das ehemalige „Deutsche Eigentum“ nach Abzug der Besatzungsmächte in österreichisches Staatseigentum übergegangen. Die SPÖ betrachtete die verstaatlichte Industrie, die die gesamte Grundstoffproduktion umfasste, als ihr Refugium, die Volkspartei konzentrierte sich auf die Bauern- und Beamtenschaft. Und den Interessenausgleich besorgte die viel zitierte Sozialpartnerschaft – in einer sozialen Marktwirtschaft mit Handschlag.

Erdrutschsieg der Volkspartei

Das Wahlergebnis in Mandaten: 82ÖVP, 74 SPÖ, 6FPÖ, 3KPÖ. Es kandidierten ohne Erfolg: Ergokratische Partei, Freie Arbeiterbewegung, Österr. Mittelstandspartei, Österr. Patriotische Union, Partei der Vernunft.

Nach diesem Erdrutschsieg der Volkspartei plakatierte die SPÖ ein gefährlich nach rechts überkragendes Schiff. Auch die Wähler wünschten offenbar wieder ein etwas ausgeglicheneres Stärkeverhältnis der beiden Koalitionszwillinge. Zwar affichierten sie beide ihre Obmänner (Julius Raab, Bruno Pittermann), aber interessanter waren die Aussagen auf den Plakaten. „Sichere das Gleichgewicht“, mahnte da die Volkspartei und verwies indirekt auf den „roten“ Bundespräsidenten Adolf Schärf. Immerhin war dieser bis zu seiner Wahl SPÖ-Vorsitzender gewesen.

„Alleinherrscher“ Raab

Die SPÖ wiederum bezichtigte Raab, eine Alleinherrschaft anzustreben „wie Seipel, wie Dollfuß“. Dies in Anspielung auf die Vergangenheit Raabs: Der war im Ständestaat Heimwehr-Führer und kurz sogar Minister gewesen. Bruno Pittermann hingegen – so die SPÖ – garantiere eine „Zusammenarbeit, wie Renner, wie Körner“...

Eine Wandzeitung der SPÖ machte darauf aufmerksam, dass die Volkspartei die Große Koalition gesprengt habe. Die VP wieder lehrte die Wähler mit dem „Königreich Waldbrunner“ gruseln: Der SP-Minister regierte über die gesamte „Verstaatlichte“: Eisen, Öl, Stahl, Elektrizität, Kohle, Rundfunk, Schifffahrt, Bahn, Post.

Das Wahlergebnis vom 10.Mai 1959 fiel denkbar knapp aus: 79Mandate ÖVP (–3), 78SPÖ (+4), 8FPÖ (+2), 0KPÖ (bisher3). Bis heute ist der KPÖ der Wiedereinzug ins Parlament nicht mehr geglückt.

Und wieder hielt die Große Koalition nur drei statt vier Jahre durch. 1962 musste neu gewählt werden. Mit dem schmeichelnden Slogan „Es geht allen gut“ wollte die SPÖ aussagen, dass dies den aufgelisteten Leistungen der SPÖ zu verdanken sei. Auf symbolischer Ebene versuchte die SPÖ somit, durch einen expliziten Österreich-Bezug zu punkten und durch eine Leistungsbilanz zu überzeugen. Ihr Listenführer und Parteichef Vizekanzler Bruno Pittermann war freilich nicht unbedingt das, was man als telegenes Zugpferd bezeichnen würde.

Die Volkspartei mit ihrem Parteiobmann und Bundeskanzler Alfons Gorbach (in keiner Weise verwandt mit dem BZÖ-Mann Hubert G. eine Generation später) war dominierend in der Koalition, und die exzellente Wirtschaftslage wurde ihr gutgeschrieben. Ab 1961 konnte Vollbeschäftigung erreicht werden, und langsam begann man in Deutschland und Österreich, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Sie kamen zunächst zum Großteil aus Jugoslawien: die ersten Gastarbeiter. Überraschend schnell, innerhalb einer Generation, integrierten sie sich – und trugen wesentlich zum österreichischen „Wirtschaftswunder“ bei.

Die Wahlen vom 18.November 1962 fielen dementsprechend positiv für die Kanzlerpartei aus: ÖVP 2,024.501 Stimmen (45,4 Prozent, 81 Mandate); SPÖ 1,960.685 (44%, 76); FPÖ 313.895 (7%, 8).

Inzwischen hatten sich nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert, auch die Wahlwerbung der Parteien ging mit der Zeit. Hatte die Volkspartei in den Anfangsjahren stark auf die staatstragenden Farben Rot-Weiß-Rot gesetzt, so kam nun die „grüne Phase“. Nur historisch Versierte erinnerte dies an die Symbolsprache der Ersten Republik, als Grün mit der Heimwehr assoziiert wurde. Die Corporate Identity der Partei wurde bis in die Siebzigerjahre beibehalten. Dann kreierte Generalsekretär Sixtus Lanner das rot-weiße „Kraft-Ei“ mit einem „V“, in der Ära Schüssel entsann man sich wieder der Farbe Schwarz (mit einer flatternden Österreich-Fahne).

Drei Pfeile gegen die Nazis

Die SPÖ wieder hatte 1945 auf ihr traditionelles Parteilogo zurückgegriffen: Die hinunterweisenden drei Pfeile in einem Kreis – einst als Gegensymbol zum Nationalsozialismus entwickelt. Aber schon 1949 zeigten sich erste Absetzversuche davon. Für die umworbenen Wechselwähler war dieses Kampfmotiv eventuell zu abstoßend. Also versuchte man es positiv und entwickelte bis 1953 aus dem Schriftzug „SPÖ“ ein Logo. Nur für die Fahnen, die am 1.Mai stolz präsentiert werden, fand man keine geeignete Umsetzung. Dort flattern noch heute die drei Pfeile.

Der Durchbruch zu einer ansprechenderen Außenpräsentation gelang der Partei erst unter dem Reformer Bruno Kreisky, der zwei exzellente Mitarbeiter in die Löwelstraße mitbrachte: Heinz Brantl und Max Strache. Kreisky probierte es mit einem orangen Schriftzug und der Plakatierung junger glücklicher Menschen. Er hatte Erfolg, wie die Geschichte zeigen sollte.

Und diesmal – wieder Rot

Dass sich diesmal im laufenden Wahlkampf die SPÖ wieder „knallrot“ gibt, liege an der Fokussierung auf die Stammwähler, meinen Experten. Parallel zum Berliner Wahlkampf wolle man die Kernbotschaften signalisieren, die für eine linke Volkspartei unerlässlich seien: Arbeit, Bildung, Wohnen. Bald wird uns die dritte und letzte Plakatwelle der Parteien überollen.

Nächsten Samstag:

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2013)

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