Bruno Kreisky und seine vier ÖVP-Obmänner

Bruno Kreisky (Archivbild)
Bruno Kreisky (Archivbild)(c) APA (JAEGER ROBERT)
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Österreichs Wahlkämpfe (4): Wie der politische Unterhaltungskünstler Bruno Kreisky die Siebzigerjahre dominiert und die ÖVP gedemütigt hat.

Wie kann man einen Wahlkampf gewinnen, ohne den Spitzenkandidaten zu plakatieren? Man konnte: als SPÖ-Chef Bruno Kreisky 1970 nach der Macht griff. Kreisky, davor schon lange Staatssekretär und dann Außenminister in schwarzen Koalitionsregierungen, war dennoch omnipräsent: im TV. Nach dem Vorbild amerikanischer Wahlkampagnen hatte das Fernsehen nun in Österreich endlich entscheidende Bedeutung erlangt. Kreisky konnte besser mit dem Medium umgehen als sein Kontrahent Josef Klaus – mit Show, mit Witz und Schlagfertigkeit, es war Unterhaltungsfernsehen vom Feinsten.

Die Volkspartei plakatierte den Salzburger Josef Klaus als „echten Österreicher“ – eine infame Anspielung auf Kreiskys jüdische Herkunft und dessen schwedisches Exil während der NS-Zeit. Bis zum Wahlabend war der SPÖ-Chef skeptisch, ob ein Jude in Österreich Chancen habe. Er siegte. Relativ nur. Also brauchte er einen Koalitionspartner. Die ÖVP manövrierte er aus, doch mit der FPÖ konnte er nicht, weil sich diese zuvor taktisch unklug festgelegt hatte: „Kein roter Bundeskanzler!“
Der SP-Chef fand einen Ausweg: Mithilfe des Bundespräsidenten Franz Jonas (SPÖ) wagte er eine Minderheitsregierung, die von der FPÖ parlamentarisch geduldet wurde. Dafür bekam FPÖ-Chef Friedrich Peter eine Wahlrechtsreform, dazu erstmals Führungsposten auch für FPÖ-Funktionäre.

Kreisky musste dem skeptischen Bundespräsidenten außerdem versprechen, dass dieses erst- und einmalige Minderheitsexperiment nicht allzu lange dauern werde. Im Nationalrat stand es jetzt 81 (S) zu 78 (V) und sechs (F). Als Folge seiner schweren Niederlage zog sich der ÖVP-Kanzler noch am Wahlabend zurück, obwohl er mit Peters FPÖ eine Mehrheit zustande gebracht hätte. Das wollte er nicht.  Seine Partei ließ er ratlos zurück.

Im Herbst 1971 war es dann so weit. Die Umfragedaten standen günstig für Kreisky, die Volkspartei wurde interimistisch von Hermann Withalm geführt und stand noch völlig unter Schock. „Lasst Kreisky und sein Team arbeiten“, riefen die roten Plakate von allen Wänden – und das Wahlvolk verstand.

Da die Zahl der Abgeordneten von 165 auf 183 erhöht worden war und die Wahlrechtsreform außerdem der FPÖ eine faire Chance auf gleiche Gewichtung brachte, durften sich am 10. Oktober 1971 alle drei Parteien als Gewinner fühlen. Die Wahlbeteiligung lag bei sensationellen 91,4 Prozent, die SPÖ kam auf 93 Mandate (plus zwölf), die ÖVP auf 80 (plus zwei), die FP auf zehn (plus vier). Kreisky konnte nun mit absoluter Mehrheit regieren, seine Glückssträhne sollte sagenhafte zwölf Jahre anhalten.

Bald nach diesem Erdrutsch zugunsten der SPÖ ging Withalm als Steuermann der Volkspartei von Bord. Als neue Anführer bewarben sich Klubobmann Stephan Koren und der frühere Verteidigungsminister Karl Schleinzer (51). Im letzten Moment verzichtete Koren, Schleinzer sollte nun der ÖVP wieder ein wenig Zuversicht und Halt verschaffen, doch während des Wahlkampfes 1975 verunglückte er tödlich. Der bisherige Chef der Giro-Zentrale Josef Taus (ÖAAB) musste einspringen.

Er verlor dieses Match gegen „Sonnenkönig“ Kreisky, der noch Mandate hinzugewann. Dabei war Taus als Bankfachmann dem SP-Vorsitzenden in Wirtschaftsbelangen überlegen. Aber in einer denkwürdigen TV-Konfrontation fertigte der Unterhaltungskünstler Kreisky den allzu ernsten Newcomer nach Strich und Faden ab.

Gleich nach der Wahl rückte Nazi-Jäger Simon Wiesenthal mit einem brisanten Dokument heraus: Dass Friedrich Peter Obersturmführer (Oberleutnant) bei der Waffen-SS gewesen war, wusste man zwar. Dass er aber im Kampf gegen Russland einer der berüchtigten Einsatzbrigaden angehörte, die hinter der Front Massenmorde an Zivilisten begingen – das war neu. Peter beteuerte zwar, nie an derlei Massakern teilgenommen zu haben, aber der Posten des Dritten Nationalratspräsidenten, der der FPÖ zustand, war damit perdu. In einer infamen Kampagne denunzierten daraufhin Kreisky und sein Klubobmann Heinz Fischer den alten Wiesenthal.

Obwohl Kreisky die Zwentendorf Volksabstimmung 1978 verloren hatte, feierte er am 6. Mai 1979 eine sensationelle Wiederauferstehung: Er gewann nochmals Mandate hinzu, und zwar auf Kosten der ÖVP. Die FPÖ, die mit Alexander Götz einen neuen Obmann hatte, hielt sich stabil.

Damit sah auch Josef Taus keine Chance mehr und wurde Privatunternehmer. Es folgte der bisherige ÖAAB-Chef Alois Mock, der es dann sehr lange auf dem Schleudersitz aushielt. Danach ging's Schlag auf Schlag: Josef Riegler, Erhard Busek, Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger. Und morgen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2013)

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