Vor 200 Jahren: Entsetzt über "Dimension des Sterbens"

People look at a section of the a 360 degree panoramic picture of the historic Battle of the Nations in Leipzig
People look at a section of the a 360 degree panoramic picture of the historic Battle of the Nations in Leipzig(c) REUTERS (THOMAS PETER)
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Rund 600.000 Soldaten standen sich am 16. Oktober 1813 bei Leipzig in der bis dahin größten Schlacht der Weltgeschichte gegenüber. Napoleon sollte eine Niederlage erfahren, Europa an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Die Schüsse aus den Kanonen verstummten, das Stampfen der Soldatenstiefel entfernte sich, vereinzelt war noch ein Schnauben der davon galoppierenden Pferde zu vernehmen. "Tausende Jammergestalten wankten in allen Straßen und bettelten an jedem Fenster, an jeder Tür", schreibt der sächsische Soldat Eduard Bitterlich in seinen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1813. Typhus plagte die Soldaten, Seuchen breiteten sich aus, die Gegend um Leipzig glich einem Lazarett - und tut es noch heute.

Denn der Mitteldeutsche Rundfunk lässt derzeit den Schlachtenlärm wieder auferstehen. Ein regelrechtes Regiment an Formaten wird aufgeboten, um den 200. Jahrestag der Vielvölkerschlacht bei Leipzig zu begehen. Mehr als 6000 Menschen werden die Gefechte südlich der Stadt nachspielen, kommentiert von der Autorin Sabine Ebert. Daneben wird in vier Sendungen "live" vom Schlachtfeld berichtet, Truppenbewegungen werden durchgegeben und Interviews mit Angehörigen geführt.

Auf dem Weg zum "Waterloo"

Es war das Jahr 1813, als sich Napoleon Bonaparte in der Vielvölkerschlacht in Leipzig geschlagen geben musste. Vier Tage lang, von 16. Oktober bis 19. Oktober, hatten rund 600.000 Soldaten vor den Toren der Stadt die Klingen ihrer Säbel gekreuzt, die Musketen aufeinander gerichtet. Österreicher, Preußen, Russen und Schweden waren im bis dahin größten Gefecht der Weltgeschichte in einer Allianz gegen den französischen Kaiser angetreten. Am Ende hatten mehr als 100.000 von ihnen ihr Leben gelassen und Napoleon weiter an Einfluss verloren - erst im Jahr zuvor war sein Russlandfeldzug gescheitert. Zwei Jahre später würde er in Belgien sein "Waterloo" erleben.

Bereits im September hatte sich das französische Heer im Zuge der "Befreiungskriege" nach Leipzig zurückziehen müssen. Der Kaiser strebte nach einer kriegsentscheidenden Schlacht, doch seine rund 210.000 Soldaten waren jung und unerfahren, die Mehrzahl seiner kampferprobten Anhänger hatte er in Russland verloren. Hinzu kamen fehlerhafte Informationen: Napoleon zweifelte an der Anwesenheit der gesamten böhmischen (der österreichische General Schwarzenberg führte 127.000 Österreicher, 82.000 Russen und 45.000 Preußen an) und schlesischen Armee (der preußische General Blücher befehligte 66.000 Russen und 38.000 Preußen), da er nicht an eine Beteiligung Österreichs glaubte und die schlesische Armee weiter im Norden vermutete.

Am Morgen des 16. Oktober 1813 eröffneten die Alliierten das Feuer. Besonders erbittert wurde um Markkleeberg gerungen - vier Mal drängten sich die französischen und preußischen Truppen hin und her, bevor sich letztere behaupten konnten. Der zweite Tag verlief ruhig, die Alliierten bekamen Verstärkung und waren den Franzosen nun zahlenmäßig deutlich überlegen. Napoleon konnte seine Stellungen daher am 18. Oktober nicht halten, seine Truppen wurden bis Leipzig zurückgedrängt. Da die Alliierten die Stadt nicht völlig einkesseln konnten, gelang einem Teil der französischen Armee am Morgen des 19. Oktober der Rückzug nach Westen. Indes breiteten sich Elend und Seuchen unter der Bevölkerung aus.

Militärische Situation rund um Leipzig am 18. Oktober 1813
Militärische Situation rund um Leipzig am 18. Oktober 1813

Ungeahnte Dimensionen des Sterbens

Napoleons Machtambitionen auf deutschem Gebiet waren endgültig gescheitert. Die Alliierten verfolgten den Herrscher weiter, stießen 1814 nach Frankreich vor und nahmen am 30. März Paris ein. Napoleon blieb nur abzudanken, sich auf Elba zurückzuziehen - und seinem "Waterloo" entgegenzusehen. 

Es war das erste Mal, dass sich "nahezu alle Völker Europas gegenüberstanden", mit dem Ziel, eine Neuausrichtung des Kontinents zu erwirken", beschreibt der Leiter des Museums am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, Steffen Poser, gegenüber "nachrichten.at" die Vielvölkerschlacht. "Am Ende der Kampfhandlungen waren die Zeitgenossen über die Dimensionen des Sterbens derart entsetzt, dass sie beim Wiener Kongress versuchten, eine Neuordnung Europas am Verhandlungstisch und nicht auf dem Schlachtfeld zu erzielen." Heute erinnert unter anderem das Völkerschlachtdenkmal im Leipziger Stadtteil Probstheida an den blutgetränkten Weg hin zu einer europäischen Gemeinschaft.

(hell)

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