Karl Habsburg zu 1914: "Schuldzuweisungen sind falsch"

Karl Habsburg:
Karl Habsburg: "Schuldzuweisungen sind falsch"APA
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Interview: In Bezug auf den Ersten Weltkrieg und die Monarchie zeige Österreich "leichte Tendenzen der Schizophrenie", sagt Kaiserenkel Karl Habsburg.

APA: Mit welchen Gefühlen begehen Sie das Gedenkjahr 2014?

Karl Habsburg: Viel von dem, was im Zweiten Weltkrieg war, ist aufgearbeitet worden, aber relativ wenig von dem, was die Folge des Ersten Weltkriegs war. Deshalb glaube ich, dass das Jahr 2014 uns eine gute Chance bietet, dass man eine Geschichtsaufbereitung macht. Aber ich sehe das natürlich schon relativ akademisch. Es ist nicht so, dass mich die große Emotion überkommt, ganz und gar nicht.

Zum Weltkriegsgedenken ist auch eine neue Diskussion über die Kriegsschuld entbrannt. Was ist Ihre Meinung dazu?

Jeder Mensch, der sich seriös auseinandersetzt mit der Geschichte, weiß, dass es ein Krieg gewesen ist, der entstanden ist aus einer Situation heraus, wo sehr viele Leute nicht gewusst haben in welche Richtung das Ganze geht. Und da möchte ich auch Österreich und meine Vorfahren nicht komplett davon ausnehmen. Aber eine Schuldzuweisung zu machen an eine Person oder ein Land, ist sicherlich falsch. Wenn man eine Schuldzuweisung irgendwohin binden wollte, müsste man sagen, dass es die Grundtendenz des Nationalismus war, der in den Ersten Weltkrieg hineingeführt hat.

Sie können also der Argumentation nichts abgewinnen, dass Kaiser Franz Joseph mit seiner Kriegserklärung an Serbien der Schuldige am Krieg war?

Ich kann dem überhaupt nichts abgewinnen, weil man sich das Ganze in einem Kontext anschauen muss. Wenn die Schüsse von Sarajevo nicht gefallen wären, dann wäre der Krieg halt mit ein paar Wochen Verzögerung ausgebrochen. Es war die Gesamtsituation, die man sich anschauen muss: Eine Blitzmobilisierung auf der russischen Seite, die Verbindung zwischen Russland und Frankreich und den Willen von österreichischer Seite, die Situation mit Serbien zu klären, notfalls auch mit Waffengewalt. Ich glaube, dass damals kein einziger sich vorstellen konnte, dass das Ganze in einem größeren Krieg münden würde. Jeder ist davon ausgegangen, dass es sich um einen kleineren Konflikt handeln würde.

Wie wird in Ihrer Familie über diese Zeit gesprochen?

Natürlich unterhält man sich darüber und sagt, wo sind die richtigen Fakten, die man sich anschauen sollte, um gerade solchen dummen Anschuldigungen, wie "Kaiser Franz Joseph hat den Ersten Weltkrieg ausgelöst", entsprechend vorzubeugen. Es waren damals alle beteiligt. Als Familie kann man so etwas kritisch anschauen und sagen, natürlich ist auch bei uns nicht alles optimal gelaufen. Das ist ganz klar. Aber eine alleinige Schuldzuweisung kann ich in dieser Hinsicht nicht zulassen.

Wie beurteilen Sie den Umgang Österreichs mit den damaligen Ereignissen und der Monarchie? Ist man mit der Geschichte ins Reine gekommen oder ist da noch etwas zu tun?

Ich glaube, dass da sicher noch etwas zu tun ist. Wir leben in einem Land, das in der Beziehung ganz interessant argumentiert, weil man auf der einen Seite die Geschichte wahnsinnig gerne vorzeigt und mit der Geschichte lebt und von der Geschichte profitiert und auf der anderen Seite dann Teile der Geschichte verleugnet. Und das ist ein Punkt, der natürlich schon manchmal, ohne mit dem Finger zu zeigen, leichte Tendenzen der Schizophrenie hat.

Historiker wie Manfried Rauchensteiner kritisieren, dass Österreich sich beim Weltkriegsgedenken zu wenig engagiert. Schließen Sie sich dieser Kritik an?

Das offizielle Österreich hat schon immer die Tendenz gehabt, sich so wenig wie möglich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Deswegen bin ich über das Ganze nicht sehr erstaunt.

Wie sehen Sie die Konzentration der österreichischen Außenpolitik auf den Westbalkan? Besteht nicht die Gefahr, dass man denselben Fehler macht wie die Monarchie und sich in die dortigen Konflikte verstrickt?

Ich halte es für etwas Gutes, dass sich Österreich da engagiert, weil ich das Gefühl habe, dass wir ein natürliches Verständnis haben für das, was sich dort tatsächlich abspielt.

Was ist in Ihren Augen die positive Hinterlassenschaft der Monarchie?

Das erste, was mir einfällt, ist die Tatsache dass in der Monarchie viele Völker und Nationen wirklich friedlich zusammengelebt haben. Das klassische Beispiel ist, dass es in der österreichisch-ungarischen Monarchie völlig normal war, die Volkshymne auf mindestens zwölf Sprachen offiziell zu singen. Wenn man das Ganze in den Vergleich stellt und sagt, dass in Frankreich jemand vorgeschlagen hätte, dass man die Marseillaise auf Bretonisch singt, wo das nie möglich gewesen wäre. Da sieht man schon die Unterschiede, wo damals in der österreichisch-ungarischen Monarchie sehr weit in die Zukunft gedacht wurde.

Wo sehen sie den Platz der Familie Habsburg-Lothringen in Österreich?

Die Verbindung ist eine ganz logische, die ist aber nicht nur gegenüber Österreich. Sie geht über Österreich hinaus. Wenn ich sehe, dass mein Bruder ungarischer Botschafter war, eine Schwester schwedische Abgeordnete, eine andere Schwester georgische Botschafterin in Berlin, mein Vater deutscher Abgeordneter und ich österreichischer Abgeordneter, dann sieht man schon, dass da eine ganz klar europäische Ausrichtung dieser Familie existiert. Wir sind eine europäische Familie, das ist gar keine Frage. Das hat sich ergeben aus der Tatsache, dass die Familie ins Exil gehen musste nach dem Ersten Weltkrieg.

Haben Sie mit dem österreichischen Staat noch offene Rechnungen, Stichwort Habsburger-Gesetze?

Als Karl Habsburg und Familienchef ist mir die Rechtsprechung in Österreich relativ wurscht, weil sie mich kaum betrifft. Als jemand, der sich unglaublich viel mit humanitärem Völkerrecht, mit Menschenrechtsfragen und ähnlichem auseinandersetzt, gibt es natürlich Dinge, die mich schon ärgern. Wenn ich sage, dass es Gesetze nach wie vor in Österreich gibt, die eigentlich auf den historischen Müll gehören, aber tatsächlich existieren und dann erneuert werden, die sich halt zufällig mit meiner Familie auseinandersetzen, dann ist es eine Sache, die mich als Österreicher stören. Als Habsburger stört es mich relativ wenig.

(APA/Stefan Vospernik)

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