Studie: Der Holocaust in den Schulbüchern

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Das Georg-Eckert-Institut hat weltweit Schulbücher ausgewertet: Der Massenmord der Nationalsozialisten ist in fast allen Regionen ein Thema, auch wenn die Gewichtung variiert.

Berlin/Paris. In albanischen Schulbüchern wird der Blick auf jene Albaner gelenkt, die während des Holocausts Juden gerettet haben. In mexikanischen Schulbüchern ist der Holocaust ein Teil des Kapitels „Folgen und Nutzung neuerer Technologien im Krieg“. In chinesischen und ruandischen Schulbüchern wird der Massenmord der NS-Zeit mit jenen im eigenen Land verglichen. Und in manchen indischen Büchern wird der Holocaust ganz ausgelassen, stattdessen werden die „nationalen Ideale“ der Nazis gelobt.

Der Holocaust wird in den meisten Schulbüchern weltweit thematisiert, allerdings sind Zugang und Gewichtung nicht einheitlich. Das ist das Ergebnis einer Studie des deutschen Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung. Zwar erscheint die Studie erst im Frühjahr, aber am Montag, am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, wurden die wichtigsten Ergebnisse während einer Unesco-Konferenz in Paris vorgestellt. Ausgewertet wurde Unterrichtsmaterial aus insgesamt 125 Ländern. Während in den westlichen Ländern die Shoah eine zentrale Rolle im Geschichtsunterricht einnimmt, wird sie in anderen Regionen unter dem Kapitel Zweiter Weltkrieg kurz abgehandelt. Aber selbst deutsche Schulbücher seien unpräzise, berichtet der „Spiegel“, der vorab Zugang zu den Studiendaten bekommen hat. Man könne nicht immer davon ausgehen, dass die Buchautoren auf dem neuesten Stand der Forschung sind.

Überschriften wie „Die Bevölkerung wird verführt“ seien irreführend und verharmlosend, wird aus der Studie zitiert. Und: Manche Sätze würden implizieren, dass nur Adolf Hitler für den Massenmord verantwortlich sei – als habe er keine Anhänger gehabt. Das Institut empfiehlt den Autoren, die Fakten genauer zu überprüfen und sie durch Quellenangaben zu belegen. Auch Zeugenaussagen sollen in die Darstellungen einfließen. Einen weltweit gültigen Unterrichtsplan für dieses Thema lehnt das Institut allerdings ab, schließlich gebe es lokale Umstände zu berücksichtigen, und auch das Narrativ ändere sich laufend. Die Studienautoren halten aber auch fest, dass zumindest in Deutschland der Holocaust noch nie so ausführlich thematisiert wurde wie heute.

„Schande für die Menschheit“

Am gestrigen Holocaust-Gedenktag besuchte mehr als die Hälfte der israelischen Knesset das ehemalige Vernichtungslager der Nazis in Auschwitz-Birkenau – die 61 Abgeordneten wurden von rund zwei Dutzend Überlebenden begleitet. „Ich fühle Genugtuung, dass ich diesen Ort auf meinen eigenen Beinen und nicht durch den Kamin verlassen habe“, wird in polnischen Medien der ehemalige Häftling Bogdan Bartnikowski zitiert. Mindestens 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz, dem größten aller nationalsozialistischen Todeslager, ermordet. Das KZ wurde am 27. Jänner 1945 von der Roten Armee befreit.

Auch in Rom wurde an die Opfer erinnert – mit einem klassischen Konzert, wobei die Instrumente von Überlebenden stammten. Vor Beginn des Konzertes wurde ein Brief von Papst Franziskus vorgelesen: Darin bezeichnet er den Holocaust als „Schande für die Menschheit“. In Italien sorgten erst kürzlich mehrere Paketsendungen für Empörung. Die israelische Botschaft, eine Synagoge in Rom sowie ein Museum, das eine Holocaust-Ausstellung zeigt, erhielten jeweils ein Paket mit einem Schweinskopf als Inhalt. (duö/ag.)

AUF EINEN BLICK

Unterricht. Das Georg-Eckert-Institut mit Sitz in Braunschweig hat eine umfangreiche Studie zum Thema Holocaust in den Geschichtsbüchern weltweit verfasst. Erste Ergebnisse der Studie wurden am Montag veröffentlicht: Demnach kommt die Shoah durchaus in vielen Lehrbüchern vor, nimmt aber in westlichen Ländern eine zentralere Rolle ein. In anderen Regionen wird der Holocaust unter dem Kapitel Zweiter Weltkrieg abgehandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2014)

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