Heute vor... im Februar

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Die Einführung einer Autobahnmaut in der Schweiz wird in Europa heftig kritisiert.

Heute vor 30 Jahren: Ärger über Volksabstimmung in der Schweiz

Die Presse am 28.2. 1984

Die wehrhaften Schweizer kennen keinen Pardon. Mit derselben Entschiedenheit, mit der sie Wehrdienstverweigerer weiterhin ins Kittchen schicken, halten sie den Durchzugsverkehr von ihren Grenzen fern. Die schon bisher geltende Tonnagebeschränkung wird nun durch eine zusätzliche Autobahnmaut ergänzt, die sicher etliche schwere Brummer und zahlreiche Ferienreisende von der Eidgenossenschaft fernhalten wird. Europäisch gedacht ist das ja nicht. Grund zur ehrlichen Entrüstung haben allerdings bestenfalls die Deutschen, die ihr Straßennetz als beinahe einzige in Europa allen gratis zur Verfügung stellen. Österreich erhebt seit Jahr und Tag eine „Straßenverkehrsabgabe" für Lastkraftwagen und zum Teil recht beachtliche Mautgebühren, und die Italiener lassen sich überhaupt die Benützung jedes Autobahnkilometers teuer bezahlen. Der Neuankömmling im Klub der Straßensteuereintreiber muss nicht enthusiastisch begrüßt werden, scharfe Proteste der alten Sünder aber sind gleichermaßen unglaubwürdig.

Heute vor 50 Jahren: Cassius Clay ist Boxweltmeister

Boxweltmeister Sonny Liston hatte keine Chance gegen Newcomer.

Die Presse am 27.2. 1964

In der Convention Hall von Miami Beach wurde am Dienstagabend der 22jährige amerikanische Neger (sic) Cassus Clay neuer Weltmeister im Schwergewichtsboxen. Clay gewann gegen den Titelverteidiger Charles „Sonny" Liston in der 7. Runde durch technisches K.o. Es war ein schwacher Kampf, mit einem Ende, wie man es in der Geschichte des Boxsports noch nie erlebt hat. Zu Beginn der 7. Runde kam Liston einfach nicht mehr aus seiner Ecke und Clay wurde zum Weltmeister ausgerufen. Während Liston abmarschierte, ging es im Ring zu wie in der Spezialabteilung eines Irrenhauses. Der neue Weltmeister brüllte ekstatisch: „Ich bin der echte Weltmeister, ich bin der Größte! Ich habe ihm das Gesicht zerschlagen. Ich bin der Größte!" Es war eine Szene voll gespenstischer Lächerlichkeit.

Heute vor 100 Jahren: Das Volk ist unzufrieden mit seiner Vertretung

Heftige Kritik am „widerwärtigen Herumschachern" im Parlament.

Neue Freie Presse am 26.2.1914

Das Volk steht auf. Das Volk hat das widerwärtige Herumschachern im Parlament mit äußerster Langmut ertragen; selten ist von dort ein Wort zu ihm gekommen, dass ihm die Seele hätte erwärmen und zu seinen Gefühlen sprechen können. Es merkte nach und nach, dass es fremd geworden sei in dem Hause, das sich Volksvertretung nennt, es sah, dass die Grundsätze, an denen es hing, sich zerbröckeln, und dass die Politik zur dürren parlamentarischen Diplomatie vertrocknete, die sich zum Selbstzweck erhob und die Erkenntnis von ihrer Bestimmung nahezu verlor. Der belebende Schwung, das Bedürfnis nach ein wenig Schmelz und Glanz in der Führung und die Sehnsucht nach einer höheren Betätigung als die, in Knechtschaft zu dienen, haben im Hause kaum noch Verständnis gefunden.

Heute vor 100 Jahren: Suffragetten stören Theatervorstellungen

Neue Methode im Kampf der englischen Frauenrechtlerinnen.

Neue Freie Presse am 25.2.1914

Die englischen Suffragetten haben ein ganz neues Mittel ersonnen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie besuchen die Theater und beginnen, wenn das Stück gerade bei einer sehr spannenden Szene angelangt ist, Reden zu halten. Allerdings scheint das Publikum wenig geneigt zu sein, auf diesen Scherz einzugehen, und mehrmals kam es vor, dass die Damen gleich nach den ersten Worten von links und rechts Püffe einheimsten und ihnen so übel mitgespielt wurde, dass sie mit zerfetzten Kleidern sich plötzlich auf der Straße sahen. Eine Dame musste sogar von Polizisten in Pferdedecken gehüllt werden, da wenige Minuten nach ihrem Speech ihre Toilette nur mehr aus einigen lose umherflatternden Stoffresten bestand.

Heute vor 50 Jahren: Wozu brauchen wir ein zweites Fernsehprogramm?

Die Television soll das Volk gescheiter machen.

Die Presse am 24.2. 1964

Helmut Zilk nannte die Möglichkeit, die Zuseher an Ereignissen politischer, sportlicher oder künstlerischer Art teilnehmen zu lassen, an erster Stelle in der Rangordnung der Aufgaben der Television. Erst dahinter rangieren die Aufgaben der Unterhaltung und der Bildung. Vom Fernsehen solle man keine rein pädagogischen Aufgaben erwarten, die unbewusste Beeinflussung wirke weitaus stärker als die gezielte. Daher käme es immer auf die richtige Verpackung der Sendungen an. Die Aufgabe eines zweiten Programms daher: Es soll ein höheres Niveau des Gebotenen angestrebt werden, ohne dabei ein Ghettoprogramm zu liefern. So kann man sich mehr um die Liquidierung der neuesten Art von Analphabetismus bemühen, rechtzeitig die Gefahr des Adabeiseinwollens erkennen und mehr populärwissenschaftliche Themen berücksichtigen.

Die Presse am 23.2. 1984

Er war Ministrant wie Josef Cap. Er sucht wie dieser den „dritten Weg zwischen Sozialdemokratie und Eurokommunismus". Er ist auch Student und übernimmt von Josef Cap die Führung der Sozialistischen Jugend: Alfred Gusenbauer, 24. Er hat die Kirche im Gegensatz zu Josef Cap nie formell verlassen und konstatiert heute an sich eine „unangenehme jesuitische Unnac hgiebigkeit bei Dingen, die ich für wichtig halte." Im Übrigen sei er vom „braven Sozialdemokraten" zum radikalen Linkssozialisten geworden. Einer breiteren Öffentlichkeit war Gusenbauer zum ersten Mal mit der Geschichte, er habe in Moskau den Boden der UdSSR geküsst, bekannt geworden. Es sei ein Kniefall, nicht ein Kuss gewesen, sagt er.

Vor 25 Jahren: Vaclav Havel trotz weltweiter Proteste in Haft

Neun Monate Haft für den tschechischen Dissidenten Vaclav Havel.

Die Presse am 22.2.1989

Der tschechoslowakische Dramatiker Václav Havel ist gestern ungeachtet weltweiter Proteste gegen den ihm von den CSSR-Behörden gemachten Prozess von einem Prager Bezirksgericht zu neun Monaten Haft unter verschärften Bedingungen verurteilt worden. Havel war des „Rowdytums" angeklagt, weil er Mitte Jänner versucht hatte, zum Gedenken an die Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach vor 20 Jahren auf dem Wenzelsplatz Blumen niederzulegen. Der Havel-Prozess wurde parallel zu einem weiteren gegen sieben Dissidenten geführt, denen die Anklage ebenfalls „Rowdytum" vorwirft.

Vor 100 Jahren: 300 Jahre Spital der Barmherzigen Brüder

Zufluchtsstätte für Kranke und Notleidende.

Neue Freie Presse am 21.2.1914

Wenn der Jahresbericht der Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder meldet, dass im Jahre 1913 beinahe 3000 verunglückte und schwerkranke Menschen mit werktätiger Liebe behandelt wurden, dass an Arme und notleidende Personen in diesem Jahr 52.727 Portionen Suppe und Brot verabreicht wurden, so erhält man trotz dieser hohen Ziffern keine Vorstellung, welches Riesenwerk der Barmherzigkeit den Brüdern zu danken ist. Viele Tausende hätten verzagen und verzweifeln müssen, wenn ihnen nicht die Tore der Barmherzigen offen gestanden wären. Bei Epidemien und in Kriegen haben sich die Brüder bewährt, haben jedem geholfen, der Hilfe heischte, ohne Unterschied der Religion, der Nationalität, des Standes. Doch viele chronische und unheilbare Kranke verlegen den Platz im Spital, sodass nur eine verminderte Anzahl von Betten für heilbare Kranke zur Verfügung steht. Deshalb hat der Konvent beschlossen, den Grundstein für eine neue Zufluchtsstätte für die armen Unheilbaren zu legen.

Vor 30 Jahren: Rising Star in der Sowjetunion: Michail Gorbatschow

Moskau hat einen „Kronprinzen" an der Parteispitze der KP.

Die Presse am 20.2.1984

Erstmals in der Geschichte der Sowjetunion scheint eine längerfristige Nachfolgeregelung für den Parteichef getroffen worden zu sein.  In Moskau wurde bekannt, dass Konstantin Tschernenko für seine Wahl zum Generalsekretär als Kompromiss hinnehmen musste, dass Michail Gorbatschow als nächster Kremlchef „aufgebaut" wird. Der noch nicht ganz 53jährige bisherige ZK-Sekretär für Landwirtschaft übernimmt die Zuständigkeit für Ideologie. Offenbar gehört zu dem Kompromiss auch der Beschluss, die breitere Öffentlichkeit mit Gorbatschows Person schrittweise vertraut zu machen. Bislang hatte es allenfalls inoffizielle „Kronprinzen" nach der persönlichen Wunschvorstellung des jeweiligen Amtsinhabers gegeben.

Vor 100 Jahren: Guerillakrieg der Suffragetten geht zu weit

Schwerer Übergriff im Kampf um Frauenrechte.

Neue Freie Presse am 19.2.1914

Die englischen Suffragetten haben im Verlaufe ihres Guerillakrieges vielfach mit Emphase versichert, dass sie vorläufig ihren Kampf nur gegen materielle Güter führen, Menschen aber respektieren würden. Es scheint, dass die militanten Damen jetzt mit diesem löblichen Prinzip brechen wollen. Heute wurde bei einer aristokratischen Hochzeitsfeier ein brutales Attentat gegen Lord Weardale, einen 67jährigen Herrn, der als Führer der englischen Friedensbewegung und überaus sympathische Erscheinung die Achtung der ganzen Welt genießt, verübt. Eine Frau versetzte dem alten Herrn einen Schlag mit der Hundspeitsche, so dass der Lord anscheinend verletzt wurde. Das englische Recht betrachtet einen derartigen Überfall als schweres Verbrechen.

Vor 25 Jahren: „Kalter Krieg" in Jugoslawien - droht Eskalation?

Bürgerkriegsgefahr im zweigespaltenen Jugoslawien

Die Presse am 18.2.1989

Die Medien sprechen von einem „kalten Krieg" zwischen zwei Teilen Jugoslawiens, die von einer noch unsichtbaren Grenze getrennt sind, die aber ungefähr dort verlaufe, wo einander einst die großen Reiche Österreich-Ungarn und das Ottomanische Imperium begegneten. Jugoslawien stehe vor der Wahl: entweder das sozialistisch-pluralistische Modell, das vor allem im Norden, also in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien an Popularität gewinne, oder das nationalkommunistische serbische Modell mit einer straffen KP, die den kleineren Völkern das serbische Modell aufzwingen solle. Die Politiker der nördlichen Landesteile haben nun angesichts der „serbischen Gefahr" die Werte der Demokratie entdeckt. Die Glaubwürdigkeit dieser „demokratischen Neofiten" beschäftigt niemanden ernsthaft, denn die Nationalismen sind emotionell und blind.

Vor 25 Jahren: Nachruf auf einen Schwierigen: Thomas Bernhard tot

Im Alter von 58 Jahren ist Österreichs „Skandalautor" gestorben.

Die Presse am 17.2. 1989

Was er immer wollte, war die Provokation, war dahinter der allerdings nie laut werdende Wunsch, Veränderung von Grund auf herbeizuschreien, und dahinter der andere des Menschen, angenommen, ernstgenommen, integriert zu werden. Doch integriert worin? Die ihn am lautesten priesen, waren seine Freunde nicht. Für sie war er vor allem in seinen Bühnenstücken ein bloßes Vehikel, den eigenen Frust wirksam loszuwerden, eine Stimme, die man für sich reklamierte, erst recht dann, wenn sie über jedes Maß hinaus eigenen Ekel schürte. Es war sein „Heldenplatz“, auf dem und mit dem er zuletzt selbst Politik zu machen wünschte, sie scheinbar grinsend fixierte und an ihr zu wachsen meinte.

Vor 100 Jahren: Überfüllte Wämestuben in Wien

Ein privater Verein kümmert sich um die Frierenden

Neue Freie Presse am 16.2.1914

Die strenge Kälte der letzten Wochen machte sich in dem Besuch der sechs Wärmestuben des Wiener Wärmestuben- und Wohltätigkeitsvereins fühlbar. Bei Tag sind die Wärmestuben überfüllt, bei Nacht, wenn die Besucherzahl begrenzt ist, bis aufs letzte Plätzchen besetzt.  Die abgelaufene Woche weist um 5000 Besucher mehr auf als die entsprechende des Vorjahres, zuletzt wurde die Besucherzahl von einer Million erreicht und auch schon überschritten. 113.005 Schalen Suppe und ebenso viele Stücke Brot wurden in der letzten Woche unentgeltlich verabreicht, insgesamt seit der Eröffnung der Wärmestuben (15. November 1913) 1.115.778. Spenden für den humanitären Zweck des Vereines, dessen finanzielle Mittel außerordentlich stark in Anspruch genommen werden, werden dringendst erbeten.

Vor 25 Jahren: Sturmlauf der Moslems gegen ein Buch

Aufruf zur Tötung eines Autors

Die Presse am 15.2.1989

Durch die moslemische Welt fegt zur Zeit ein Steppenbrand der Empörung wegen eines angeblich anti-islamischen Buches. Begonnen hat die Kampagne im Oktober, als das Buch „Satanische Verse" des in Großbritannien lebenden indischen Autors Salman Rushdie in Indien offiziell verboten wurde.  Mitte Jänner wurde das Werk in der nordenglischen Stadt Bradford, wo viele Einwanderer aus asiatischen Ländern leben, öffentlich verbrannt. Und nun hat sogar Ayatollah Khomeini eingegriffen: „Jeder, der den Autor zu töten versucht, ist ein Märtyrer."  Die am meisten angegriffene Schlüsselstelle ist jene, wo zwölf Prostituierte die Namen und die Persönlichkeit von Mahounds (Mohammeds) Frauen annehmen.

Neue Freie Presse am 14.2.1914

Gestern wurde in Paris eine russische Eisenbahnanleihe von zweieinhalb Milliarden abgeschlossen. An diese Anleihe wurde von der französischen Regierung die Bedingung geknüpft, dass sie hauptsächlich zum Bau von strategischen Eisenbahnen in der Richtung der russischen Westgrenze verwendet werde, damit die Mobilisierung und der Aufmarsch der russischen Armee sich rascher vollziehe und ein möglichst großer Teil der deutschen Armee von den Kampfplätzen in Lothringen festgehalten werde. Ganz offen werden diese Rüstungen betrieben, und mit einem noch nicht dagewesenen Freimut wird ihr Zweck besprochen und mitgeteilt.

Neue Freie Presse am 13.2.1914

Wir hören: Ausschlaggebend ist der Einfluss der Frau auf den Geburtenrückgang. Wenn „die Flucht vor dem Kinde", „der Streik der Mütter" beobachtet wird, so ist dies eine Folge der Geistesverfassung der modernen Frau, ihrer Abneigung gegen die Erfüllung unbequemer Aufgaben. Und im allgemeinen versagen sich Familien Kinder, weil sie Entbehrungen vermeiden wollen. Die gestiegene Genusssucht, die durchrationalisierte Sexualität, hat sich dem Aufziehen einer größeren Zahl Kinder abträglich erwiesen. Wir aber glauben: Das Volk scheut die Kinder nicht aus Furcht vor dem eigenen Ungemach, sondern aus Furcht vor dem Ungemach, dass den ungenügend versorgten und begabten Kindern droht, also tatsächlich nicht aus Selbstsucht, sondern aus Liebe zu den ungeborenen Kindern.

Die Presse am 12.2.1984

Die Aufgabe ist leicht: Weisen wir ein für allemal nach, dass ein Ende des ORF-Monopols gewiss keine deutliche Senkung des Niveaus in den audiovisuellen Medien bedeuten würde. Der „Musikantenstadl" ist, selbstverständlich, das Beweisstück. Wie da mehrere Tausend Menschen vor einer hässlich folkloristischen Dekoration eine ganze Sendung lang - von Einpeitscherinnen im Dirndl und Verführern in der Tracht aufgefordert - zu jeder Art von Darbietung den Takt mitklatschen und bei den seltsamsten Gelegenheiten zu schunkeln beginnen, das allein gehört schon zu den Ritualen, bei denen vollsinnige Beobachter nachdenklich werden können: Die Hochstimmung ist dermaßen spontan und unnuanciert, dass einem angst und bang werden kann.

Neue Freie Presse am 11.2.1914

Die großen Linien der europäischen Politik werden nicht auf dem Balkan gezogen. Die Frage wird stets bleiben, ob die Generalstäbe in Paris und Petersburg auf dem Papiere herausrechnen, dass der Zweibund (Frankreich - Russland) stärker sei als der Dreibund (Deutschland - Österreich - Italien), und dass die militärische Überlegenheit zum Losschlagen benützt werden müsse. Wer die furchtbaren Wirkungen einer Niederlage ahnt und sich nur ein wenig darüber klar ist, dass der besiegte Staat nicht mehr lebendig aus den Händen der Feinde herauskommen, und dass nicht bloß Menschen, sondern auch Reiche auf der Strecke liegen würden, wird vergeblich nach dem Manne im heutigen Europa forschen, der aus freiem Willen die Millionen des Dreibundes, diese gewaltigen Armeen herausfordern wollte. Blutig wäre die Erbitterung über einen Krieg.

Die Presse am 10.2.1989

In der Schulpolitik erweist sich wieder, dass Sozialisten das besitzen, was sie „revolutionäre Geduld" nennen. Sie denken einfach längerfristig, agieren dialektischer und warten mit großem Selbstvertrauen, dass die ÖVP bei politischen Einzelschritten nicht merkt oder nicht versteht, wohin die Reise geht. Jene in Richtung Gesamtschule kann nun von jedem SP-Schulungskurs als Lehrbeispiel aufgenommen werden: Man verteufle über Jahrzehnte hinweg die österreichische Schulorganisation; man ruiniere das Image der Hauptschule mit der Parole „Jedes Kind an die AHS"; man gleiche die Lehrpläne beider Schultypen an. Auf diese Art und Weise verschaffe man sich alle Argumente, um das erklärte und nie verschwiegene Ziel - die Einführung der Gesamtschule der Zehn- bis Vierzehnjährigen - doch noch zu erreichen. Und die ÖVP sieht belämmert zu.

Die Presse am 9.2. 1964

Der Schah und seine Frau fasten seit einigen Tagen, denn mit Ramadan verstehen Moslems keinen Spaß. Gerade jetzt hat der Monarch in Innsbruck wenig versäumt, und auch der Olympiade hat er nicht unbedingt gefehlt. Dieser Perserkaiser mit seiner mädchenhaften, zarten, lieblich-orientalischen Farah bildete für die Winterspiele mit ihren Massenzusammenkünften eher eine Kalamität als eine Attraktion. Sie kamen als Privatleute, wollten aber doch als Kaiserpaar behandelt werden. Das warf Sicherheits- und Eintrittskartenprobleme auf. Außerdem übten Schah und Schahin ihre zweifellos hohe Anziehungskraft hauptsächlich auf ein Publikum aus, das seine Aufenthaltsorte nach snobistisch-mondänen Gesichtspunkten wählt und am Sport oder an Innsbruck gar nicht interessiert ist.

Die Presse am 8.2. 1964

Die jungen Leute kapseln sich ab, sie streben vorsätzlich nach einem eigenen Lebensstil, sie wollen anders sein als die anderen, sie lieben Blue Jeans statt plissierter Chiffonröcke. Sie arrangieren Pyjamaparties, wo bei heißer Musik Fruchtsäfte und handfeste Wurstsemmeln gereicht werden. Sie sind anfang zwanzig in erstaunlich großer Zahl „unter der Haube". Die Hälfte aller Burschen und zwei Drittel aller Mädchen streben nach der „Frühehe". Kleider und Mode stehen bei den weiblichen Teenagern auf der Interessensskala obenan. Die Kehrseite: Mehr als zehn Prozent der Mädchen sind unterernährt. Sie „erhungern" sich in falsch verstandener Eitelkeit eine „gute Figur".

Die Presse am 7.2.1964

Nach dem großartigen Erfolg der österreichischen Skiläuferinnen im Abfahrtslauf glich die sonst stille Lizum einem Hexenkessel. Das Gedränge um die drei Medaillengewinnerinnen war zeitweise lebensgefährlich. Die Tausenden von Zuschauern, die den weiten Weg nicht gescheut hatten, um die Alpine-Damenelite im Kampf um olympische Ehren zu sehen, brachen in einen Freudentaumel aus, der einfach unbeschreiblich war. Die drei „Madln" wurden stürmisch gefeiert. Einen so durchschlagenden Erfolg hatte schließlich niemand erwartet. Haas, Zimmermann und Hecher wurden auf ein Schneeraupenfahrzeug gehoben, wo sie im Schussfeld der Photographen standen.

Neue Freie Presse am 6.2.1914

Heute wurde Roald Amundsen, der im großen Saal des Konzerthauses über die Entdeckung des Südpols sprach, mit stürmischem Beifall begrüßt, mit leidenschaftlichem Interesse gesehen und gehört und mit nicht endenwollendem Jubel bedacht. Roald Amundsen erzählt von der Reise der „Fram", die von Norwegen bis zur Walfischbai 16.000 Seemeilen zurückzulegen hatte; von den treuen Diensten der Eskimohunde, die schließlich getötet werden mussten, um Fleisch zu liefern oder um die Bagage zu verringern ..."Es war ein feierlicher Augenblick, als wir alle, jeder mit einer Hand die Fahnenstange umfassend, die Flagge unseres Vaterlandes auf dem geographischen Südpol, auf König Haakons II.-Plateau, hissten ..." Amundsens Stimme zitterte und des Auditoriums bemächtigte sich tiefste Erregung.

Neue Freie Presse am 5.2. 1889

Die Hoffnung, dass die Krone dereinst in gerader Linie vom Vater auf den Sohn übergehen werde, wird voraussichtlich am morgigen Tage begraben. Aber wenn auch der Tod ein grünes, blütenreiches Reis abgehauen hat, so steht doch der Baum des Erzhauses noch weitverzweigt da. Demnach ist, nach dem Tod des Kronprinzen Rudolf, wenn sich nicht nach angemessener Frist etwa herausstellen sollte, dass er einen nachgeborenen männlichen Leibeserben hinterlassen habe, der jüngere Bruder des Kaisers, Erzherzog Karl Ludwig, zur Thronfolge berufen. Falls dieser vor dem regierenden Kaiser versterben oder auf die Thronfolge verzichten sollte, so wäre nach ihm dessen ältester Sohn, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, als Thronerbe zu betrachten. Die Hausgesetze wie die Verfassungen beider Reichshälften sprechen klar und haben in dieser Beziehung die Zukunft im voraus sichergestellt. Zunächst aber dürfen wir hoffen, dass alle diese Fragen, auf viele Jahre hinaus, nicht auftauchen werden.

Die Presse am 4.2. 1989

Die Polizei hat die Anti-Opernball-Demonstration krass unterschätzt. Zwar hatte sie dabei ein offenkundig schlechtes Gefühl, sonst hätten nicht so viele Beamte wie noch nie die Umgebung der Oper zerniert, aber ihr größtes Manko war dies: Sie wusste nicht, mit wem sie es zu tun hatte. Jetzt nämlich ist es klar: Ein harter Kern von vielleicht hundert - zum Teil aus der BRD importierten - Anarchisten kommandierte etwa 300 österreichische Sympathisanten und an die 700 Mitläufer in eine Straßenschlacht, wie Österreich sie noch nie erlebt hat. Bis heute weiß man nicht, wer die Rädelsführer gewesen sind. Die polizeiliche Aufklärung hat versagt. Kein Zweifel, dass der Räumungsbefehl um einiges zu spät erfolgt ist. So gelang es auch nicht, den harten Kern der Gewalttäter zu isolieren und dingfest zu machen. Es gab Fehler, die kein zweites Mal gemacht werden dürfen.

Neue Freie Presse am 3.2.1914

Eine Fahrt auf den Semmering ist in diesen Tagen nicht eine Spritztour in die benachbarte Gegend, sondern eine Fahrt ins Gegensätzliche, eine Reise aus einem eiskalten Nebelmeer der Sonne entgegen. Man verlässt Wien zeitig am Morgen frierend und missmutig über diese eisigen rußgeschwängerten Nebelschwaden, die das Atmen erschweren und den Rachen zur Kohlengrube machen, und verlässt nach zwei Stunden den Zug unter einem dunkelblauen Himmel, aus dem die warmen Sonnenstrahlen leuchten und den Schnee zum Glitzern und Brennen bringen. Die Hotels und die Pensionen waren ausverkauft wie kaum zu Weihnachten, und eine Promenade auf der Höhenstreaße vom Panhans zum Südbahnhotel hatte viel Ähnlichkeit mit einem Spaziergang um ein Uhr mittags über den Graben. "Jeder" war da, der Semmering war der Rendezvousort der ganzen Wiener Gesellschaft.

Die Presse am 2.2. 1914

Kitzbühel war zu den Doppelfeiertagen das Ziel vieler hunderter Skiläufer. Der Hauptvorstand des Österreichischen Skiverbandes hatte nicht mit Unrecht Österreichs Skiparadies, Kitzbühel, zum Ort der Austragung des größten Rennens gewählt. Man zeigte so den zahlreichen Ausländern, den besten Fahrern des Kontinents, was wir an den herrlichen Wintersportgebieten Tirols besitzen; man schuf in einer Gegend, die ungezählte Variationen in Abfahrten zulässt, eine Rennstrecke, die auch den Einheimischen infolge ihrer Neuheit keine Vorteile bieten konnte. Auch eine Dame, Fräulein Emmi Nadherny aus Wien, beteiligte sich an der Konkurrenz, gab aber einen Kilometer vor dem Ziel das Rennen auf, mit welchem Beispiel ihr übrigens zahlreiche Herren vorangegangen waren.

Die Presse 1.2. 1964

Wer glaubt, dass man Neuankömmlinge in der Olympiastadt in Badewannen unterbringen muss, irrt gewaltig. Die Rechnung mit dem Gast ist nicht aufgegangen. Daran ist in erster Linie das Wetter schuld. Gestern, Freitag, hat es zum ersten mal geschneit. Und zu Mittag war die ganze Herrlichkeit wieder verschwunden und Innsbruck bot das gewohnte Bild. Nur dass statt Staubes jetzt Schlamm in den Straßen liegt. Verständlich, dass in anbetracht solcher Witterung viele, die ursprünglich kommen wollten, um mit dem Erlebnis der Winterspiele einen erholsamen Skiurlaub zu verbinden, daheim geblieben sind. Wenn nicht wenigstens im Februar noch ausgiebige Schneefälle kommen, wird die Olympiasaison Tirols genau das Gegenteil von dem, was man von ihr erhofft hatte.

''Heute vor...''

Mit 1. Jänner 2014 hat DiePresse.com eine neue Serie gestartet. Was bewegte Österreich vor 50, 100 oder 150 Jahren? Unser Archivchef Günther Haller wühlt sich durch die Zeitungen der letzten 165 Jahre und sucht heraus, worüber die Österreicher gelacht oder sich geärgert haben, wann sie Geschichte gemacht haben und wann sie von ihr überrollt wurden.

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