"Dr. Tod": NS-Verbrecher Heim soll bereits 1992 gestorben sein

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Der frühere KZ-Arzt ist offenbar seit mehr als 16 Jahren tot. Das ergaben Recherchen der "New York Times" und des ZDF. Deutsche Nazi-Fahnder bezweifeln die Echtheit der Meldung.

Der als "Schlächter von Mauthausen" berüchtigte Nazi-Verbrecher Aribert Heim ist nach Recherchen des ZDF und der "New York Times" seit vielen Jahren tot. Der frühere KZ-Arzt starb am 10. August 1992 in Kairo an Darmkrebs, wie der deutsche Fernsehsender am Mittwochabend berichtete. Der gebürtige Österreicher hielt sich demnach nahezu 30 Jahre in der ägyptischen Hauptstadt vor den Ermittlern versteckt.

"Dr. Tod"


Heim war im Konzentrationslager Mauthausen als "Dr. Tod" berüchtigt und soll 1941 als SS-Arzt zahlreiche Häftlinge mit Injektionen ins Herz gefoltert und getötet haben. Nach dem Krieg arbeitete er als Frauenarzt in Süddeutschland. Als Anfang der 1960er Jahre Anklage gegen ihn erhoben wurde, tauchte er unter. Aus dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg hieß es, es seien bereits 1965 und 1967 Hinweise eingegangen, wonach Heim sich in Ägypten aufgehalten haben soll: "Die Überprüfungen der ägyptischen Behörden konnten dies aber nicht bestätigen."

Zum Islam konvertiert

Den Recherchen zufolge konvertierte Heim an seinem Zufluchtsort Kairo Anfang der 80er Jahre zur Tarnung zum Islam und trug seitdem den Namen Tarek Farid Hussein. Vorher habe er unter seinem zweiten Vornamen als Ferdinand Heim in Kairo gelebt. Dies wurde dem ZDF von Heims Sohn bestätigt. Er habe ihn Mitte der 1970er Jahre erstmals in Kairo besucht und ihn später nach einer Krebsoperation Anfang 1990 über mehrere Monate gepflegt. 1992 sei Aribert Heim gestorben.

Bei Recherchen in Ägypten sprach das ZDF nach eigenem Bericht mit Augenzeugen und fand die Aktentasche Heims mit mehr als 100 Dokumenten. Unter ihnen befänden sich die Kopie eines ägyptischen Passes, Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen, Kontoauszüge, persönliche Briefe und medizinische Unterlagen, die Heim bis zu seinem Tod in seinem Zimmer in einem Kairoer Hotel aufbewahrt habe. Danach lasse sich zweifelsfrei nachweisen, dass Hussein und der gesuchte Nazi-Verbrecher ein und dieselbe Person seien.

>> Zum ZDF-Artikel
>> Zum "New York Times"-Artikel

Nach Angaben seines Sohnes reiste Heim nach der Ausstellung des Haftbefehles 1962 über Frankreich, Spanien und Marokko auf dem Landweg nach Ägypten. Das Geld für seinen Lebensunterhalt sei ihm von seiner Schwester in unregelmäßigen Abständen überwiesen worden, berichtete das ZDF. Sie stammten demnach aus den Einnahmen eines Mietshauses in Berlin, das Heim gehörte.

Im ZDF-Interview berichtete der Sohn laut Mitteilung detailliert über die Begegnungen mit seinem Vater zwischen 1975 und 1992. Dabei habe er ihn auf die Vorwürfe angesprochen, die ihm im Detail aber erst seit der Medienberichterstattung über das sogenannte Sühneverfahren gegen Aribert Heim im Jahr 1979 bekanntgeworden seien: "Dann habe ich ihm natürlich diese Frage gestellt, ob er diese Person ist. Und ich kann jetzt nur wiedergeben, was er mir gesagt hat - ich bin kein Staatsanwalt, ich bin kein Richter - er hat das von sich gewiesen." Ein Berliner Gericht hatte Heim damals in Abwesenheit zu einer Geldstrafe von umgerechnet 255.000 Euro verurteilt.

Auf Armenfriedhof beerdigt

Ägyptische Freunde, Bekannte und auch der Arzt Heims wussten nach ZDF-Recherchen nichts von der Vergangenheit des KZ-Doktors. Übereinstimmend hätten sie aber die Umstände um die Krebserkrankung und den Tod Heims im Sommer 1992 bestätigt.

Heim wollte seinen Leichnam medizinischen Zwecken zur Verfügung stellen, doch sei dies nach islamischem Recht verboten. Daher sei Heim auf einem Armenfriedhof nahe der Kairoer Altstadt begraben worden. Die Grabstellen würden nach wenigen Jahren wieder freigegeben, so dass die Chance, sterbliche Überreste zu finden, gering sei. Dennoch wollen Ermittler des baden-württembergischen Landeskriminalamtes nach der Leiche suchen lassen.

In Südamerika vermutet

Der im Jahr 1914 in Bad Radkersburg geborene Heim war seit dem Vorjahr die Nummer eins auf der vom Simon-Wiesenthal-Zentrum geführten Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher. Der Direktor des Wiesenthal-Zentrums, Ephraim Zuroff, vermutete ihn bisher in Südamerika. Die österreichische Regierung hatte im Jahr 2007 eine Prämie von 50.000 Euro für zweckdienliche Hinweise zur Ergreifung Heims ausgeschrieben.

Todesmeldung wird angezweifelt

Experten der weltweit größten Fahndungsstelle für NS-Verbrechen im süddeutschen Ludwigsburg haben starke Zweifel am Wahrheitsgehalt der Todesmeldung. "Ich bin noch nicht überzeugt, dass das Ergebnis richtig ist", sagte der stellvertretende Leiter der dortigen "Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen", Joachim Riedel, am Donnerstag. "Es kann gut sein, dass da jemand an der Nase herumgeführt werden soll". Erst in der vergangenen Woche habe seine Behörde einen anonymen Hinweis erhalten, nach dem Heim lebe und in Spanien wohne.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum reagierte zurückhaltend auf die Enthüllung, Heim sei tot. Zuroff sagte am Mittwochabend in einer ersten Reaktion auf den ZDF-Bericht, es sei gut möglich, dass Heim vor 16 Jahren in Kairo gestorben sei. Die angeführten Dokumente müssten aber erst von Experten begutachtet werden. Er wies darauf hin, dass die Leiche von Aribert Heim fehle. "Es gibt kein Grab, es gibt keine Leiche und keine DNA-Nachweise." Ein Sprecher des Landeskriminalamts Baden-Württemberg sagte ebenfalls, dass die Recherchen noch "amtlich überprüft" werden müssten. Sie passten aber zu den jüngsten Erkenntnissen der Behörde.

Das österreichische Justizministerium überprüft ebenfalls die Medienberichte zum möglichen Tod von Aribert Heim. Nähere Angaben zu den Untersuchungen wurden nicht gemacht. Die österreichische Regierung hatte im Jahr 2007 eine Prämie von 50.000 Euro für zweckdienliche Hinweise zur Ergreifung Heims ausgeschrieben.

Das anhängige Strafverfahren bleibt aufrecht, bis es Gewissheit über den möglichen Tod Heims gibt, erklärte Rainer Schopper, der Mediensprecher der Linzer Staatsanwaltschaft. Auch die Fahndung bleibt aufrecht.

Klarsfeld: "Nicht nachlassen"

Nach Bekanntwerden des möglichen Todes von Aribert Heim forderte der bekannte französische "Nazi-Jäger" Serge Klarsfeld, bei der Suche nach Nazi-Verbrechern nicht nachzulassen. Auch wenn viele inzwischen ein Alter von über 90 Jahren erreicht hätten, müsse verhindert werden, dass NS-Täter "in totaler Straflosigkeit" lebten und "sich öffentlich ihrer Verbrechen rühmen" könnten, sagte Klarsfeld am Donnerstag dem Radiosender France Info.

"Wir sind jetzt in der letzten Phase bei der Suche nach Nazi-Kriminellen", sagte Klarsfeld, der den Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, in Bolivien aufgespürt hat. Die Suche nach den letzten Tätern sei "absolut notwendig", auch wenn es eine "frustrierende" Erfahrung sei. Es gehe "um mehr oder weniger senile Greise", bei denen schon aus Altersgründen kaum mehr Hoffnung bestehe, sie noch vor Gericht zu stellen.

Auch wenn die deutsche Justiz dies noch bestätigen müsse, sei er schon lange vom Tod Heims überzeugt gewesen, sagte Klarsfeld. Das hätten ihm sein Instinkt und seine Erfahrung gesagt, aber auch die "spöttischen" Bemerkungen von Heims Sohn mit Blick auf die Ermittlungen der Justiz und des Simon-Wiesenthal-Zentrums. "Ich glaubte, dass er schon lange tot war."

(Ag.)

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