Vor 75 Jahren: Österreich brennt – drei Tage lang

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Im Bürgerkrieg 1934 hauchte die Erste Republik den letzten Atem aus.

Am 12.Februar 1934 läutet um 7.15 Uhr bei Landeshauptmann Josef Schlegel in Linz das Telefon: „Im Hotel Schiff ist Polizei. Bitte rufen Sie die Polizei zurück, sonst geschieht Schreckliches!“ Es ist Richard Bernaschek, Landesparteisekretär der oö. Sozialdemokraten (siehe „Zeitgeschichte“ vom 7. Februar 2009). Mit einigen Getreuen vom Schutzbund hat er sich in dem Hotel verschanzt und die Parteileitung in Wien wissen lassen, dass man sich der „schwarzen“ Heimwehr nicht kampflos ergeben werde. Die autoritär regierende christlichsoziale Partei in Wien und die Heimwehr lassen es darauf ankommen – Österreichs Bürgerkrieg hat begonnen. Er sollte drei Tage dauern, 375 Tote und weit über tausend Verwundete fordern.

Noch während der Kämpfe ließ Bundeskanzler Dollfuß die Sozialdemokratische Arbeiterpartei SDAP verbieten. Rund 10.000 Funktionäre wurden verhaftet, bereits ab 14. Februar tagten die Standgerichte in Permanenz; 21Schutzbündler wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, neun davon wurden tatsächlich exekutiert. Dem gesamtösterreichischen Schutzbundführer Julius Deutsch und dem ideologischen Anführer der SDAP, Otto Bauer, gelang die Flucht in die Tschechoslowakei. Es war ein Debakel auf der ganzen Linie. Der Hass der Sozialdemokraten auf Dollfuß aber, der blieb. Und er sollte bis in unsere Tage tief sitzen. Man muss nicht erst an Bruno Kreisky erinnern, der eher die Freiheitlichen förderte, als den „Schwarzen“ auch nur einen Zentimeter nachzugeben.

Junge Bürscherln: Olah und Kreisky

In den Februartagen 1934 war der spätere SP-Bundeskanzler freilich noch ein ganz kleiner freiwilliger Meldegänger. Seine lebenslange Freundschaft mit Franz Olah und Felix Slavik rührt aus diesen Sturmtagen. Olah (er wird übrigens am 13. März 99 Jahre alt) war am 15. Jänner 1934 aus sechswöchiger Polizeihaft heimgekehrt. Sein Delikt: Verbreitung sozialistischer Schriften. Mit dem Studenten Bruno Kreisky vervielfältigte der Heimkehrer nun auf einer alten Gstetner-Abziehmaschine den Streikaufruf der Parteiführung. Doch das Ganze stellte sich nicht nur als militärisches Dilettantentum heraus, es war noch viel mehr ein organisatorisches Desaster.

„Wir haben den Aufruf zwar vervielfältigt, aber unter die Leut' haben wir die Blattln nicht mehr gebracht“, erinnert sich Olah. „Es war alles umsonst. Nichts hat funktioniert. Ja, wir waren bewaffnet, wir waren vorbereitet, hatten aber nie ernstlich daran gedacht, Krieg zu führen. Die Partei war nicht auf den Bürgerkrieg aus. Sie wollte nur die anderen mit einer Abwehrhaltung schrecken. Otto Bauer hat Gewalt verabscheut.“

Die Gegenseite war da weniger zimperlich. Sie hatte die Heimwehr, das Bundesheer und die Polizei zur Verfügung. „Daher kann ich Norbert Leser mit seiner Theorie von der ,geteilten Schuld‘ nicht recht geben“, meint Olah: „Der ins Eck gedrängte Schwächere hat nicht die gleiche Schuld wie der an der Macht Befindliche, von dem es abhängt, ob die Gewehre schießen oder nicht.“

Der größte Fehler, sagt Olah, sei schon am 5.März1933 passiert, nach der Ausschaltung des Parlaments. „Damals hätten wir kämpfen müssen. Wenn man kämpfen will, muss man das in der ersten Stunde tun. Nicht in der letzten. Wir hätten losschlagen sollen, mit allen Mitteln, die zur Verfügung standen, dann hätten wir die Macht gehabt. Ohne Rücksicht! Wir hätten die anderen nicht aufgehängt! Aber wenn man nicht kämpfen will, soll man gleich kapitulieren.“

„Wo sind Waffen?“

Um zu retten, was nicht mehr zu retten war, eilte Olah nach Hernals „in meine Sektion, wo ich Vertrauensmann war. Da saßen die Genossen in der Finsternis bei Kerzenlicht. Die Mistkübelautos der Gemeinde hätten mit Maschinengewehren ausgerüstet werden und in die Innenstadt fahren sollen. Das waren schwere Geräte. Aber niemand hat gewusst, wo die sind.“

Auf nach Hietzing zu einem Funktionär: „Der hat einen Revolver gehabt. Na, was sollen wir mit einem Revolver anfangen? Das war's. Wir sind herumgerannt: Wo sind Waffen, wo ist ein Sprengstoff, damit wir was in die Luft jagen können? Nichts war da. Meistens waren die Waffenlager schon verraten worden.“

Schon eine Woche später wurde eine provisorische illegale Parteileitung aufgebaut. „In Hernals war kein Griss um die Funktionen, also war ich Bezirksleiter, ein halbes Jahr später Chef der Wiener Partei. Wurde einer verhaftet, rückte der Nächste nach.“ Und wieso ist er nicht sofort hopsgenommen worden? „Ich war a bissl klüger als die Schutzbundführer, ich habe nicht daheim geschlafen.“

Mit einer Netzkarte der Arbeiterkammer pendelte Olah den ganzen Tag durch Wien und konnte die illegale Partei betreuen. „150 Schilling hab ich von der Partei im Monat gekriegt.“ Bis zum April 1935. Dann kam Olah wieder in Haft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2009)

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