SPÖ und ÖVP verhandeln noch über die Zukunft der Militärmusik. Ein Besuch bei Niederösterreichs vielleicht letztem Kapellmeister.
30.12.2016 um 17:39
Die Triolen sitzen nicht richtig. Auch das Tempo ist noch etwas zu schnell. Macht nichts – es wird einfach neu eingezählt und die Passage noch einmal geübt. Immer und immer wieder. Bis zu ihrem nächsten großen Auftritt soll die Militärmusikkapelle Niederösterreichs die „Fanfare for the Champions“ fehlerfrei spielen können. Auch wenn das Stück vielleicht nicht wirklich zur derzeitigen Lage der Musiker passt – wie ein Gewinner fühlt sich hier wohl kaum wer. Es könnte nämlich eines der letzten Stücke sein, die die Musiker hier einstudieren.von Iris Bonavida (Text)und Clemens Fabry (Fotos)
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Zumindest wenn es nach den Plänen von Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) geht. Seine Version des Sparpaket für das Bundesheer sieht unter anderem vier statt neun Standorte für die Militärmusik vor: Nur jene in Wien, Tirol, Kärnten und Oberösterreich sollen erhalten bleiben. Das Burgenland, Salzburg, Vorarlberg, Kärnten und Niederösterreich müssten ohne eigene Musikertruppe auskommen.
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Das sei eine der vielen Sparmaßnahmen, durch die der laufende Betrieb der Truppe aufrecht erhalten werden könne. In Zeiten, in denen Sprit und Munition fehlen, müsse man sich auf die militärischen Kernaufgaben konzentrieren – und dazu gehöre eben nicht die Militärmusik, so die Argumentation des Ministers. Allein durch die Schließung in der Steiermark würde man sich zwei Millionen Kosten für einen neuen Proberaum ersparen. Dazu kommen Überstunden, neue Instrumente oder Transportkosten.
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Entschieden ist das aber noch nicht. Klug muss sein Sparpaket mit der ÖVP akkordieren. Neben größeren Brocken spießt es sich auch noch bei der Militärmusik. Die Volkspartei will alle neun Kapellen erhalten – aber in einem verkleinerten Umfang. Dagegen stellt sich wiederum das Verteidigungsressort. So würde man sich Kosten wie für Dienstfahrten und Proberäume erst recht nicht einsparen können, heißt es aus dem Heer.
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Aber zurück nach St. Pölten. Hier in der Kaserne kann Kapellmeister Adolf Obendrauf mit diesen Plänen naturgemäß nicht viel anfangen. Der ehemalige Solo-Trompeter leitet seit 2011 die Gruppe rund um 50 Musiker – die meisten davon Grundwehrdiener. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es dem Heer nicht gut geht“, sagt er. Er habe Verständnis dafür, dass die Truppe sparen müsse. Und dass auch sein Bereich betroffen sei.
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Aber Obendrauf hat auch einige Bedenken: Etwa, dass das Einsparungspotenzial nur gering sei. „Alle neun Kapellen machen nur 0,5 Prozent des Budgets aus“, sagt er. Und die Personalkosten würden nicht verschwinden – schließlich seien die 15 Berufsmusiker unkündbar. „Außerdem ist die Militärmusikkapelle ist der größte Werbeträger des Heeres“, meint Obendrauf. „Manche nennen uns auch die beliebteste Waffengattung.“Außerdem habe man gerade in Niederösterreich besonders viele Auftritte. „Im Jahr 2013 haben wir vor 70.000 Zuhörern gespielt“, durchschnittlich habe man bis zu 240 Auftritt pro Jahr. Wer das in Zukunft übernehmen soll, weiß Obendrauf nicht.
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Auf der Tagesordnung stehen aber nicht nur militärische Termine. Neben Angelobungen spielt die Truppe auf Benefizveranstaltungen, für das Land Niederösterreich oder auf Botschafterempfängen. „Dann müssen wir innerhalb von zwei, drei Tagen die Hymne einstudieren.“ Dazu gibt es ein Archiv mit bis zu 5000 Musikstücken. Demnächst steht auch eine Weinsegnung der Landwirtschaftskammer an. Jeder Termin muss vorher vom Militärkommando Niederösterreich abgesegnet werden.
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Ist es ein öffentlicher Auftritt, zahlt das Heer die Anfahrt. Ansonsten muss der private Kunde die Transportkosten zahlen. Überstunden-Entgelt zahlt aber so oder so das Heer. Das gilt aber nur für Berufsmusiker. Die Grundwehrdiener bekommen in solchen Fällen Zeitausgleich.
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Gibt es keine Konzerte, machen die Musiker hauptsächlich eines: Üben, üben üben. Um 07:30 Uhr ist Dienstbeginn, nach einer Aufwärmrunde probt die gesamte Kapelle. Am Nachmittag üben die Instrumenten-Gruppen für sich.Abseits des frühen Dienstbeginns klingt das aber recht unmilitärisch. Was die einzelnen Musiker nach dem möglichen Ende machen möchten? „Daran denken wir noch nicht“, meint Obendrauf. „Grundsätzlich haben wir alle eine Infanterieausbildung. Aber wir spielen so oft, wir kommen gar nicht regelmäßig zum Üben.“ Man sei zwar Soldat, „aber in erster Linie Musiker“.
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Militärmusik: Spiel mir das Lied vom Tod
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