Wirtschaft oder Auswanderer? Angstmache oder Propaganda? Die Argumente der Brexit-Befürworter und -Gegner im Überblick.
30.12.2016 um 13:43
Es wird knapp. In Umfragen liegen die Befürworter und Gegner eines Austritts Großbritanniens aus der EU Kopf an Kopf. In hitzigen Debatten wurde in den letzten Tagen vor der Abstimmung am Donnerstag um jede einzelne Stimme gekämpft. Doch was sind eigentlich die Argumente der beiden Lager?
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Es sind die Unentschlossenen, die "Vote Leave" und "Britain Stronger in Europe" nun in letzter Minute für sich gewinnen wollen. Und es sind zwei Themen, die am Ende entscheidend sein könnten: Wirtschaftliche Anliegen - das Verbleiblager - und Einwanderung - das Austrittslager. Die Gruppe, die mit ihren Argumenten am Ende vorherrsche, werde die Wahl entscheiden, meinen Experten.
Seit Wochen beherrscht die Immigration den Wahlkampf der Brexit-Befürworter. Kein Thema verleiht der Kampagne des früheren Londoner Bürgermeisters Boris Johnson größeren Auftrieb als die Sorgen der Briten wegen der massiven Einwanderung von mehr als drei Millionen Menschen in den letzten zehn Jahren. Als EU-Mitglied sei es nicht möglich, die Immigration zu begrenzen, warnen Johnsons Mitstreiter. Integrationsprobleme und die wachsende Angst vor Terrorismus verleihen diesem Argument weiteren Auftrieb.
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David Cameron hingegen, der sich an die Spitze des Pro-EU-Lagers gestellt hat, versucht die Briten mit wirtschaftlichen Argumenten zu überzeugen. Er warnt vor einem ökonomischen Schock, sollte sich Großbritannien für den Austritt entscheiden - und macht das an mehreren Studien fest, die einen langfristigen Einbruch der Wirtschaft um 9,5 Prozent prophezeien. Jeder private Haushalt werde um 4300 Pfund ärmer, während im Staatshaushalt ein Loch von 30 Milliarden Pfund drohe, das nur durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen gestopft werden könne. EU-Gegner tun dies als Angstmache ab und werfen der Regierung vor, den Staatsapparat für Propaganda zu missbrauchen.
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Auch der Arbeitsmarkt ist ein Dauerthema - auf beiden Seiten. Der Jobmarkt würde durch einen Austritt entlastet, argumentieren EU-Gegner: Durch die mögliche Einschränkung der Zuwanderung würden mehr Jobs für Briten entstehen. Aber auch der Wegfall von EU-Regulierungen wäre eine positive Entwicklung für den Arbeitsmarkt, heißt es im Brexit-Lager. Die Gegner hingegen sagen, dass drei Millionen Jobs in Großbritannien vom Handel mit der Union abhängig sind. Viele Arbeitnehmerrechte - wie der bezahlte Mutterschaftsurlaub oder mehr Sicherheit am Arbeitsplatz - werden zudem durch EU-Gesetze garantiert.
Jason Alden
Für die EU-Gegner ist starke Einwanderung nicht nur Grund für Spannungen am Arbeitsmarkt. Sie sei zudem Schuld an den enormen Belastungen des Sozialwesens, der akuten Wohnungsnot und der Überlastung der öffentlichen Infrastruktur. In dieselbe Kerbe schlagen die Brexit-Unterstützer mit ihrem zweiten Hauptargument, wonach Großbritannien in der Woche 350 Millionen Pfund nach Brüssel zahle. Geld, das woanders besser eingesetzt werden könne. Tatsächlich sind die Briten Nettozahler. Im vergangenen Jahr lag der Bruttobeitrag laut BBC bei 17,8 Milliarden Pfund, der Briten-Rabatt bei 4,9 Milliarden Pfund.
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Große Meinungsverschiedenheiten gibt es beim Thema Souveränität. Die EU-Befürworter verweisen darauf, dass europäische Staaten, die am Binnenmarkt teilnehmen wollen, ohne der Union anzugehören, „Nettozahler sind – und keinen Einfluss auf Entscheidungen haben, denen sie sich dennoch fügen müssen“, wie der Sprecher des Ja-Lagers, James McGrory sagt. Das Out-Lager freilich sieht das anders. 75 Prozent der britischen Gesetze würden heute in Brüssel gemacht, erklären Brexit-Unterstützer wie Nigel Farage (im Bild links) von der populistischen United Kingdom Independence Party (UKIP). Unerträglich sei zudem, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) das letzte Wort in der Rechtsprechung hat.
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Das Pro-EU-Lager fürchtet bei einem Austritt einen geringeren Einfluss Großbritanniens in der Welt. Denn das außenpolitische Gewicht der EU ist in den vergangenen Jahren - auch durch die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) - kontinuierlich gestiegen. Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten wie Frankreich könne zudem die Gefahr unmittelbarer Bedrohungen - etwa im Terrorismus - mindern. In Fragen der Außenpolitik herrscht in der EU das Einstimmigkeitsprinzip, Großbritannien kann als Mitglied bei wichtigen Entscheidungen also nicht überstimmt werden.
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Eine Million britische Staatsbürger leben im EU-Ausland, dank der EU-Mitgliedschaft können sie ihren Lebens- und Arbeitsort in der Union frei wählen. Dieses Recht könnte nach einem Ausstieg erlöschen, mahnen Brexit-Gegner.
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