Der Wächter der Kaisergruft

(c) Mirjam Reither
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Die Kapuzinermönche wachen über die Familiengruft der Habsburger und die Kirche, in der die Särge von Otto und Regina Habsburg aufgebahrt sind. Die Gruft ist für die Padres gleichzeitig Fluch und Segen.

Wien. Wenn Pater Gottfried Undesser einen Platz in der österreichischen Zeitgeschichte finden wird, dann auch deshalb, weil er gleich zwei Habsburgern den Einlass verwehrt hat. Denn morgen, Samstag, wird Pater Gottfried als Kustos der Kapuzinergruft die Anklopfzeremonie durchführen und Otto Habsburg erst den Weg in die Kapuzinerkirche nach zweimaligem Nachfragen freigeben, wenn dieser vom Zeremonienmeister frei von allen Titeln angekündigt wird.

Mit Pater Gottfried trifft es keine unerfahrene Person, hat er doch schon beim Begräbnis der Mutter Habsburgs, Kaiserin Zita, die Zeremonie durchgeführt. „Aber damals war nicht so ein Andrang wie heute“, sagt der circa 1,60Meter große Mann mit den grauen Haaren. Pater Gottfried spielt damit auch auf die Menschen an, die sich seit gestern, Donnerstagvormittag, in der Kapuzinerkirche zusammenfinden, um Otto Habsburg-Lothringen und seiner Frau, Regina, die letzte Ehre zu erweisen.

Denn sie sind zahlreich gekommen: Im Zehn-Sekunden-Takt steigen die Trauergäste die flache Stiege zur Kirche empor, ein Obdachloser steht daneben und versucht sein Glück als „Augustin“-Verkäufer. Im Inneren der Kirche herrscht eine Atmosphäre zwischen Trauer, Medien-Event und Touristenattraktion. Vorwiegend ältere Menschen stehen in der Schlange vor dem Sarg und warten, vorgelassen zu werden. Dazwischen mischen sich junge Gesichter, viele Touristen, die mit dem Fotoapparat in der Hand ihre Chance nützen.

Zwei pensionierte Frauen aus Erzberg/Steiermark gehen langsam aus der Kirche. Sie sind schon am Mittwochabend angereist, um die Verabschiedung nicht zu verpassen. „Es war mir ein Anliegen“, sagt die 67-jährige Heidi S.

Dazwischen läuft Pater Gottfried nervös auf und ab und bietet den Mitarbeitern der Bestattung Wien immer wieder Kaffee an. Er ist blasser als sonst. Der ganze Aufwand – es ist nicht zu übersehen – verlangt viel von dem 79-jährigen Pater, der seit mehreren Jahrzehnten Mitglied des Ordens ist. Auch wenn seine Geschichte untrennbar mit jener der Gruft oder den Habsburgern verbunden scheint. Kurz nach der Matura trat er ins Kloster ein, gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder, der jetzt bei den Kapuzinern in Klagenfurt lebt. Danach folgten das Theologiestudium, Jahre als Religionslehrer und schließlich seine Berufung zum Provinzsekretär, die er 43 Jahre lang ausübte. Seit 1988 ist Pater Gottfried Kustos der Kapuzinergruft und damit auch die erste religiöse Ansprechperson für die Habsburger, wenn diese in der Gruft beigesetzt werden.

Fluch und Segen

Sein Amt führt er mit größter Diskretion aus. Kein Wort zu viel kommt über seine Lippen. Nur so viel: „Die Anklopfzeremonie gehört eben zu den Pflichten eines Kustos“, sagt er. Dann wieder nichts. Pater Gottfried schweigt gerne, das sagen auch seine Mitbrüder. Tatsächlich ist die Gruft für die Brüder viel mehr als die letzte Begräbnisstätte einer alten Herrscherfamilie. Denn die Brüder leben von den Einnahmen der Gruft, auch wenn sie mit dem Erlös deren Instandhaltung und die des Klosters sowie das Ordensleben finanzieren müssen.

Keine „Anbetung von Toten“

Täglich bieten die zehn Mitglieder, die der Orden in Wien umfasst, Seelsorge an, feiern drei Mal am Tag die Messe und kümmern sich um einen Kindergarten des Seraphischen Liebeswerks, der zum weltweiten Kapuzinerorden mit seinen insgesamt 11.000Mitgliedern gehört.

Doch die Gruft ist für die Padres gleichzeitig Fluch und Segen. „Junge Menschen glauben oft, dass wir nur für die Toten in der Gruft leben, aber das stimmt nicht“, erzählt Bruder Klaus, der mit seinen 52 Jahren noch der Jüngste unter den zehn ist. Das sei auch für den Nachwuchs ein Problem. Der letzte Pater trat vor drei Jahren ein. Und auch sonst kommt dieser Tage die spirituelle Arbeit zu kurz. „So ein Massenandrang ist natürlich schlecht für unser Leben im Kloster“, sagt Bruder Klaus. Und natürlich. Die Schlange in der Kirche wird immer länger, ein erstes Gedränge entsteht draußen, vor der Tür. Ein junge Mann kommt während seiner Mittagspause vorbei, drei Geschwister, noch keine 30Jahre alt, betreten den Raum. Dazwischen steht Pater Gottfried und hält, nach außen ruhig, die Stellung. Sein Befinden, sagt er, tue heute nichts zur Sache. „Aber besser geht es mir, wenn Montag ist.“

Auf einen Blick

Das Freitag-Programm. Eine Auswahl der Orden von Otto und Regina Habsburg wird am Freitag in der Kapuzinerkirche in Wien ausgestellt: dynastische, staatliche, nicht staatliche Orden und Auszeichnungen. Im Zentrum stehen für den verstorbenen Kaiserssohn die Collane des Ordens vom Goldenen Vlies, dessen Souverän er bis 30.11. 2000 war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2011)

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