Als die CIA Bürger zu Versuchskaninchen machte

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CIA(c) REUTERS (Larry Downing / Reuters)
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Das Projekt MKULTRA gehört zu den dunkelsten Kapiteln in der Geschichte der Geheimdienste. In den 1950ern und -60ern benutzte die CIA die Bevölkerung für Experimente zur "Gedankenkontrolle".

Ein Geheimdienst, der Bürger des eigenen Landes zu menschlichen Versuchskaninchen für Drogen, Elektroschocks und Hypnose macht. Was nach kruder Verschwörungstheorie oder Hollywood-Thriller klingt, war in den USA vor fünfzig Jahren Realität.

MKULTRA hieß das Projekt, mit dem die CIA herausfinden wollte, wie man die Gedanken von Menschen kontrollieren kann. CIA-Direktor Allen Dulles segnete das geheime Projekt im April 1953 ab. Schon zuvor hatte es Versuche mit gefangenen gegnerischen Soldaten und Spionen gegeben - nun wurden die Experimente im größeren Stil aufgezogen.

Hintergrund waren unter anderem Berichte, im Koreakrieg seien amerikanische Kriegsgefangene einer „Gehirnwäsche" unterzogen worden. Die Motivation, Soldaten künftig vor feindlicher Beeinflussung schützen zu können, geriet aber bald gegenüber anderen Bestrebungen in den Hintergrund. Die CIA wollte Wege finden, menschliches Verhalten vorhersagen und beeinflussen und sogar „Gedanken kontrollieren" zu können - bei eigenen wie gegnerischen Soldaten und Agenten, und auch bei unliebsamen Herrschern wie Fidel Castro.

Tests an Menschen „aus allen Schichten"

Als mögliche Mittel zu diesem Zweck fasste man halluzinogene Drogen, Elektroschocks, Hypnose, Operationen und Methoden der Psychologie ins Auge. Getestet werden sollten Menschen „aus allen sozialen Schichten", Amerikaner wie Ausländer. Insgesamt 86 Universitäten, Krankenhäuser und andere Institutionen waren an den Versuchen beteiligt - oft, ohne zu wissen, dass sie für den Geheimdienst forschten. Und auch viele der Versuchspersonen wussten nichts von ihrem Schicksal.

Vor allem die Wirkung von LSD interessierte den Geheimdienst. Er ließ Prostituierte die Droge ihren Freiern verabreichen. In New York und San Francisco mieteten sich CIA-Mitarbeiter in Häuser ein, in denen die Substanz Besuchern in die Getränke gemischt wurde, um die Wirkung dann durch Einwegspiegel beobachten zu können.

Auch Patienten in psychiatrischen Einrichtungen und Gefängnisinsassen wurden für die Experimente missbraucht. In der Haftanstalt für Drogenabhängige in Lexington schluckten Insassen halluzinogene Drogen, um dann als Belohnung die Substanzen zu erhalten, nach denen sie süchtig waren.

Ende der 60er Jahre lief das Projekt aus. 1973 ordnete CIA-Direktor Richard Helms an, die MKULTRA-Unterlagen zu vernichten.

Ans Licht der Öffentlichkeit kam das großteils illegale Treiben der CIA Mitte der 70er-Jahre, als zwei Untersuchungskommissionen die Geheimdienst-Arbeit unter die Lupe nahmen. Zwar konnten noch einige Finanzunterlagen von MKULTRA ausgegraben werden, die man zu zerstören vergessen hatte. Vieles blieb aber im Dunklen.

Biologe starb nach LSD-Experiment

Zu den nie ganz geklärten Vorfällen gehört der Tod des Biologen Frank Olson. Er soll für die Army und die CIA im Rahmen des MKULTRA-Vorgängers „Projekt Artischocke" an biologischen Waffen gearbeitet haben. Am 19. November 1953 trank er bei einem Treffen von Geheimdienst- und Army-Wissenschaftlern ein Glas Cointreau, in das heimlich LSD gemischt worden war. Zwanzig Minuten später klärte man ihn auf.

Olson drohte wenige Tage später mit Kündigung. Die CIA brachte ihn zu einem Arzt in New York, der ihn wegen psychischer Probleme behandeln sollte. Am 27. November starb er nach einem Sturz aus einem Hotel. Olson sei durch das geschlossene Fenster seines Zimmers gesprungen, lautete die offizielle Version. Olsons Sohn Eric vermutete später, sein Vater sei von der CIA ermordet worden, und ließ die Leiche 1994 obduzieren. Dabei wurden Hinweise auf Gewaltanwendung gefunden. Zu einer Anklage kam es aber nie.

"Keine Beweise für Beteiligung des Weißen Hauses"

Wie viele Menschen durch MKULTRA dauerhafte körperliche oder psychische Schäden erlitten, ist nicht bekannt. Ungeklärt bleibt auch, wer in das Projekt eingeweiht war. 1977 sagte der damalige CIA-Direktor Stansfield Turner vor dem Kongress aus, es gebe keine Beweise dafür, dass das Weiße Haus das Projekt genehmigt oder auch nur darüber informiert gewesen sei. Aber auch das Gegenteil könne man nicht beweisen. Seit dem Ende von MKULTRA gebe es aber keine solchen „abscheulichen" Versuche mehr, beteuerte Turner.

Die durch MKULTRA gesammelten Erkenntnisse sollen äußerst dürftig gewesen sein: Die Beteiligten hatten meist keinerlei wissenschaftliche Ausbildung, die Versuchspersonen wurden oft nur wenige Stunden beobachtet. Der Ruf des Geheimdiensts wurde durch das Projekt freilich schwer beschädigt. Senator Edward Kennedy sagte 1977 in einem Untersuchungskomitee, das amerikanische Volk habe bisher „heiliges Vertrauen" in die Geheimdienste gehabt. Die Menschenversuche der CIA dürften das nachhaltig erschüttert haben.

--> Unterlagen des Untersuchungskomitees von 1977

(kron)

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ARCHIVBILD: HELMUT ZILK ANNO 1998
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