„Verfassung kennt Präventivhaft nicht, und das ist gut so“

Clemens Fabry
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Die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Brigitte Bierlein spricht mit der Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler und der "Presse am Sonntag" über den VfGH, den Rechtsstaat, Ad-hoc-Gesetze und Reformstau.

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Helga Rabl-Stadler: Frau Präsidentin, wir sind in einer ähnlichen Situation: Wir sind beide die erste Frau in dieser Position, wobei Ihre Macht natürlich eine größere ist. Haben Sie sich die Aufgabe so schwierig vorgestellt, oder sehe nur ich sie so schwierig aus lauter Respekt vor diesem Amt?

Brigitte Bierlein: Danke, Frau Präsidentin. Mein Amt ist anders als das Ihre. Größere Macht würde ich nicht sehen. Ich bin 2003 als Vizepräsidentin an den Gerichtshof gekommen, die Funktion als Präsidentin war also für mich nicht ganz neu, und ich habe beim Wechsel in die Leitungsfunktion keine besonderen Schwierigkeiten gehabt. Das erste weibliche Mitglied kam 1993, relativ spät für einen Grundrechtsgerichtshof.
Rabl-Stadler: Am Anfang haben Sie neue Entscheidungen akzeptieren müssen. Ich denke an die Ernennung des ehemaligen Vizekanzlers und Justizministers Wolfgang Brandstetter, den ich als Minister sehr geschätzt habe. Aber es wurde diskutiert, ob es richtig war, dass jemand Verfassungsrichter wird, der dann über seine eigenen Gesetze urteilen soll. Dazu sind noch zwei Mitglieder von der FPÖ nominiert worden.

Die Mitglieder des VfGH haben keinen Einfluss auf die Besetzung. Wolfgang Brandstetter kam auf Vorschlag der Bundesregierung, die zuletzt Genannten auf Vorschlag des National- bzw. Bundesrats. Die Ernennung erfolgt durch den Bundespräsidenten, der im Vorfeld stets sensibel prüft. Dass mit Brandstetter jemand fast direkt aus der Regierung an den VfGH gekommen ist, war das erste Mal in der Zweiten Republik; die Verfassung schreibt eine fünfjährige Cooling-off-Phase in dieser Situation nur für Präsidenten und Vizepräsidenten vor. Brandstetter zieht sich selbstverständlich aus allen Fällen zurück, mit denen er in seiner Ministerzeit in Berührung gekommen ist oder in denen sonst der Anschein einer Befangenheit entstehen könnte.

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