Mozart stirbt um ein Uhr nachts. Zeit, zu zahlen.

Mozarts Silhouette, ca. 1986.
Mozarts Silhouette, ca. 1986.(c) De Agostini/Getty Images (DEA / A. DAGLI ORTI)
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Oper ist was für eine Kundschaft, die sich auf Delikatessen versteht – und wenn ihr der Magen knurrt, dann wegen eines Hungers ganz anderer Art, nach Rausch, Schönheit, Exklusivität.

Der Tod kommt, wann er will. Aber er hat, wir wissen es, eine Schwäche für den falschen Zeitpunkt, weshalb es uns auch so schwer fällt, ihn einen Freund zu nennen; ganz im Gegenteil bestätigt er überall dort, wo er seine Macht ausübt, die Vermutung, es handle sich bei ihm um einen brutalen und tödlich humorlosen Burschen. Und keine Menschenseele traut ihm zu, er handle aus Menschenliebe. Er holt sich den Mann im Bett der Geliebten, den Zecher beim Heben des Kruges, den Witzbold, der gerade noch behauptet hat, dass es im übrigen immer die anderen seien, die es erwischt.

Den Augenblick, ihn ernst zu nehmen, haben wir ein Leben lang verpasst – und die warnende priesterliche Belehrung, er sei mitten unter uns, hat sich im Leerlauf unserer Gebete verflüchtigt. Hände sind zum Leben da, zum Fassen und Festhalten (von Messer und Gabel und Frauen).

Die Sache ist nicht aus der Welt zu schaffen. Und genau davon erzählen Geschichten. Und, reiner noch und angemessen überwältigend, die Musik. Sie erzählt uns, was nur Tote wissen. (...) Es müssten, wir ahnen es, die Toten mehr wissen. Wer sonst als sie könnte es sein, der es vielleicht vermag, sein Betriebsgeheimnis zu entschlüsseln?

Das Bankett des Jedermann, Höhepunkt dieser seit 1920 auf dem Domplatz zu Salzburg zur Aufführung kommenden großen barocken Allegorie! Den Becher in der Hand, die Buhlschaft im Arm, zum ungünstigsten Zeitpunkt also, tritt der Tod von hinten heran. Auf der Gästeliste stand er nicht. Sich der eigenen Sterblichkeit bewusst zu werden, das ist unter Sterblichen, geschweige denn unter Festivalbesuchern, nicht nur beim Feiern kein Thema, auch nicht vor der beeindruckenden Domkulisse im sommerlichen Spätnachmittagslicht, wo der Ernst der Sache zur Nebensache wird. Es geht, immerhin das, schnell. Herzschlag durch Berührung. Zum Begreifen zu spät. Schauspieler müsste man sein, wie eine Dame sagt und sich dabei eine dieser feinen hauchdünnen Zigaretten ansteckt. Und sich fragt, wie sie jetzt hier wegkommt, ohne von Touristen zertreten zu werden. Don Giovanni, dessen Frist auf Erden auch abgelaufen ist, zuhause bei sich, die Tafel gedeckt, mehrflammige Leuchter stehen auf dem festlich mit Speisen (u. a. einem Kapaun), Wein (Marzemino) und allerlei Früchten beladenen Buffet. Es spielen Musikanten auf. Der Programmzettel spricht von einer „von glühendem Leben erfüllten Gegenwart“. Dann, ein Tonartwechsel genügt Mozart, um die Realität in Stücke zu reißen. Auftritt des Commendatore, Inbegriff des alles zerstörenden Spielverderbers. Hunger hat er nicht. Ihm ist der Appetit schon vergangen, da war die Oper noch keine fünf Minuten alt. Aber ihn dürstet, und zwar nach Rache, nach Gerechtigkeit. Was hilft es da Don Giovanni, sich amüsieren zu wollen, (...) und sei es in Gegenwart eines Gespensts. Hochmütig lehnt er die Aufforderung, zu bereuen, ab. Er kann nicht glauben, dass es ihm nicht auch dieses Mal gelingt, davon zu kommen. Der Komtur aber, der weiße Mann aus Stein, stößt den unbelehrbaren Genießer aus dem Leben.

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