Im Mittelpunkt von "Der Name der Rose" steht ein Buch über die Komödie – und ein Mönch, der lieber mordet und brandschatzt, als den Band herauszurücken.
Er heißt Jorge von Burgos – und er ist der Hüter der Bibliothek einer Benediktinerabtei in Ligurien. In seinem Reich finden sich unglaubliche Schätze, etwa ein verschollen geglaubter Text von Aristoteles über die Komödie. Das Problem: Jorge kann es nicht ertragen, dass ein großer Philosoph wie Aristoteles am Lachen etwas Positives findet, er hält den Band für gefährlich – und zur Untermauerung seiner Ansichten zitiert er den heiligen Benedikt: „Leichtfertige Späße aber und albernes oder zum Lachen reizendes Geschwätz verdammen wir allzeit und überall, und keinem Jünger erlauben wir, zu derlei Reden den Mund zu öffnen.“ Und weiter holt der Greis aus: „Die Komödien wurden geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen, und das war schlecht. Unser Herr Jesus hat weder Komödien noch Fabeln erzählt, ausschließlich klare Gleichungen, die uns allegorisch lehren, wie wir ins Paradies gelangen, und so soll es bleiben.“
Franziskaner gegen Benediktiner. Der Gegenspieler des Jorge in Umberto Ecos Bestseller „Der Name der Rose“ heißt William von Baskerville, ist ein Franziskaner, und auch er hat stets ein passendes Zitat zur Hand, wenn es darum geht, seine Meinung zu vertreten: „Manduca, iam coctum est“, erklärt er. Man soll den Braten essen, solange er knusprig ist. Diesen Ausspruch habe der heilige Lorenz getan, als man ihn auf dem Feuer röstete. Und auch der heilige Maurus habe sich, als die Heiden ihn in kochendes Wasser tauchten, lauthals beklagt, das Bad sei ihm zu kalt, woraufhin der Häuptling seine Hand ins Wasser tauchte und sich verbrühte. „Ein schöner Streich dieses Märtyrers, mit dem er die Freunde des Glaubens lächerlich machte“, so William von Baskerville.
Umberto Eco ist Semiotiker und Mediävist. „Der Name der Rose“ (erschienen 1982) war sein erster Roman, er hat ihn nach allen Regeln der Kunst verfasst – und zu dieser Kunst gehörte es auch, den Leser in die ihm so wohlvertraute Denkungswelt des Mittelalters eintauchen zu lassen: Raffiniert baut er rund um den theologischen Diskurs einen Krimi: William von Baskerville und sein Adlatus Adson von Melk erinnern an Sherlock Holmes und seinen John Watson.
Vergiftete Seiten. Die beiden sind nach Ligurien gekommen, um mysteriöse Todesfälle in der Abtei zu untersuchen, und je länger sie die Vorfälle in der Abtei verfolgen, desto klarer wird ihnen, dass die Bibliothek eine wichtige Rolle spielen dürfte. Innerhalb weniger Tage sterben nämlich ein Illustrator, ein Übersetzer und ein Bibliotheksgehilfe – zum Teil, nachdem sie mit Jorge von Burgos darüber in Streit geraten waren, wie gotteslästerlich das Lachen nun wirklich sei – und wie gefährlich der Band des Aristoteles, dessen Existenz Jorge leugnet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Das Buch sei niemals geschrieben worden, behauptet er, weil die Vorsehung nämlich nicht gewollt habe, dass dergleichen nichtige Dinge wie die Komödie verherrlicht würden.
Auch William von Baskerville selbst wird fast Opfer eines Mordanschlags – und es ist das Buch über das Lachen, das ihn in Gefahr bringt: Um zu verhindern, dass der Inhalt des umstrittenen Bandes unter die Leute kommt, hat der greise Bibliothekar nämlich sorgsam sämtliche Seiten mit Gift eingestrichen. Wer beim Umblättern den Zeigefinger befeuchtet, nimmt eine Dosis Gift auf – je länger er liest, desto tödlicher ist die Dosis. Was Jorge de Burgos ja beweisen wollte: Humor ist gefährlich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)