Wie schaffst du das?

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schaffst(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wie lassen sich Beruf und Familie vereinbaren? Anja Salomonowitz über die Frage, die (bis jetzt) nur Müttern gestellt wird, nie den Vätern – denn meist bleibt die Erziehungsarbeit an den Frauen hängen.

Ich erlebe häufig, dass Männer wie selbstverständlich kurz nach der Geburt wieder arbeiten gehen und die Frauen mit dem schreienden Baby allein lassen. Verständlich, denn das Kind beruhigen ist anstrengender als arbeiten. (Meine Meinung!) Ich kenne aber auch Familien, die versuchen, den Alltag so zu gestalten, dass beide noch erfüllt arbeiten dürfen, dabei für die Kinder genug Zeit haben und ihre Magie auch genießen können.

Die Aufteilung, dieser tägliche Kampf, ist ein strukturelles, gesellschaftliches Problem. Es geht um gesellschaftliche Ressourcen, um Zeit und Kapazitäten – und um Wertschätzung. Ich kann mich als Frau noch so gut organisieren, noch so gut einteilen, telefonieren, E-Mails schreiben, erledigen, einkaufen, Handlungsanweisungen weitergeben, Essen vorbereiten und... es reicht nicht. Denn es reicht nicht, wenn ich mich noch besser organisiere, nein, es geht bei der Obhut um eine Veränderung der gesellschaftlichen Spielregeln – im wörtlichen Sinne.

„Das ist doch das Thema deines nächsten Films, oder?“ So wurde ich von Chefredakteur Rainer Nowak gefragt, ob ich in dieser Ausgabe mitmachen möchte. Ja, „Spiel mit mir“ wird ein Dokumentarfilm über junge Familien – und die Aufteilung der Kinderzeiten. Wer macht wie viel im Jahr 2013? Wie verankert ist die gemeinsame Erziehung in unserer Gesellschaft? Wie könnte sich dieses Modell gesellschaftlich und politisch mehr etablieren? Welche Weichen müssen gestellt werden? Und will man das eigentlich?

Und so versuchen auch die Beiträge im Ressort „Obhut“ beide Felder zu vereinbaren: Kinder und Arbeit. Sie erzählen vom Leben in der Filmbranche, vom Filmen mit Kindern, vom Film.

Wer weiß schon, wie Kindererziehen wirklich geht? Ich habe Ratgeber ohne Ende gelesen. Unser Bücherregal hat jetzt mehr so ein zartes Hellrosa und ein feines Orange auf den Rücken. Barbara Sichtermann, Feministin der ersten Stunde, versuchte, nach eigenen Angaben, „das Glück des Kinderhabens mit der Emanzipation zu versöhnen“. Wir verdanken ihr das Buch „Leben mit einem Neugeborenen“ über die Art, wie unsere Gesellschaft Neugeborene empfängt. Sie „vermisste ein Buch, das Mutterschaft, Babypflege, Emanzipation und die schiere Freude am Kind in einer Perspektive zusammenfasst“. Sie schrieb es selbst, und es erschien 1981.

Wir stellen eine Filmproduzentin vor, Gabriele Kranzelbinder. Sie braucht hier keine Kinder zu haben, und wir fragen auch nicht, ob sie welche hat, genauso wenig wie Männer in Führungspositionen danach gefragt werden. Barbara Sichtermann hat dazu, analog zu ihrem Buch „Den Laden schmeißen. Ein Handbuch für Frauen, die sich selbstständig machen wollen“, einen Text verfasst. Und wir stellen das Mentoring-Programm von FC Gloria vor, das Frauen in der Filmbranche unterstützen soll.


Der Text von Doron Rabinovici ist aus Platzgründen in den „Anstand“ gerutscht. Er schreibt über den Forschungsstand zu Adolf Eichmann und die wissenschaftliche Sicht auf die Judenräte, anlässlich des Filmes „Hannah Arendt“. Doron Rabinovici hat seine Diplomarbeit zum Thema Judenräte geschrieben, seine Dissertation ist unter dem Titel „Instanzen der Ohnmacht: Wien 1938–1945. Der Weg zum Judenrat“ publiziert worden.

Ich kenne Doron seit meiner Zeit im Haschomer Hatzair, einer jüdischen Jugendorganisation, so etwas wie Pfadfinder mit viel Politik, kämpferisch, Blauhemd und Kibbuz. Ich mag das. Wir versuchten damals zu verstehen, wie man eine Gesellschaft aufbauen kann, wir diskutierten über Zionismus, wir mussten dem Holocaust immer wieder aufs Neue nachspüren. Eine Erziehung zum Bewusstsein, zur Empfindung von Unrecht. Darum geht es doch am Ende des Tages: mutige, geistesgegenwärtige, starke Kinder zu bekommen. Kinder, die die Welt verändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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