Die alten Rollenbilder der "neuen Väter"

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Soziologin Ulrike Zartler über Maßnahmen, mehr Väter in die Karenz zu bekommen.

Schlagwort „Neue Väter“ – gibt es die?


Ulrike Zartler: Väter wollen noch eher als vor einigen Jahrzehnten nicht Autoritätspersonen sein, vor denen ihre Kinder Respekt haben, sondern auch eine emotionale Interaktionsbasis mit den Kindern haben. Das kann man für eine relativ große Gruppe von Vätern sagen.


Und doch ist es meist die Mutter, die sich um die Kinder kümmert.


Wir sehen nach der Geburt von Kindern einen Retraditionalisierungseffekt. Auch wenn vorher vereinbart worden ist, die Rollen gleichberechtigt zu teilen, kommt es oft spätestens bei der Geburt des zweiten Kindes dazu, dass sich Väter als materiell verantwortlich für die Familie sehen. Dann wird auch die Arbeitsteilung stark traditionell. Diese Effekte findet man auch bei Paaren, die zuvor eine sehr egalitäre Rollenverteilung hatten – aber dann zum Teil an systemimmanente Grenzen stoßen, etwa die Anwesenheitskultur in der Arbeitswelt oder moralische Vorstellungen.


Lässt sich das Phänomen der neuen Väter in Zahlen fassen?


Es gibt die Monatsstatistik, in der ausgewiesen wird, wie viele Männer und Frauen in einem Monat Kinderbetreuungsgeld beziehen. Das sind etwa vier bis fünf Prozent Männer. Das Problem daran: Tendenziell scheinen mehr Frauen auf, weil sie länger bei den Kindern sind. Wenn wir die Zahlen pro abgeschlossenem Fall betrachten, zeigt sich, dass in knapp jedem dritten Fall auch Väter am Bezug beteiligt sind. Allerdings: Wenn Väter in Karenz gehen, dann kurz und spät. Es zeigt sich auch, dass von den Kinderbetreuungsgeld beziehenden Vätern rund die Hälfte die Arbeitszeit nicht reduziert. Das sind oft Kurzzeitkarenzen, die gern in den Sommermonaten bezogen werden, als verlängerter Familienurlaub quasi.


Und woran scheitert es, dass mehr Väter in Karenz gehen?

Die Einkommensschere trägt sicher dazu bei, weil der Hauptteil des Familieneinkommens meist von Männern gestellt wird, da deren Verdienst höher ist. Viele Väter haben auch ein Motivationsproblem, weil mehr Zeit mit den Kindern nicht immer nur angenehm ist. Und: Gerade in kleinen Betrieben ist es oft schwer, Teilzeitkarenz zu nehmen.


Da hat es aber doch schon einige Fortschritte gegeben.

Ich glaube, dass Männer nach wie vor von Arbeitgebern nicht als potenzielle Väter wahrgenommen werden. Bei einer Frau spielt immer die Überlegung mit, dass sie ein Kind bekommen könnte. Der Mann wird vielleicht auch Vater werden, was aber meist nicht mit seiner Berufsrolle in Zusammenhang gebracht wird. Das entspricht auch der tatsächlichen Rollenteilung: Nach wie vor beeinträchtigt die Geburt eines Kindes die Erwerbsbeteiligung von Müttern stark, jene von Vätern aber kaum.


Schon rein biologisch fallen Frauen aus dem Arbeitsprozess länger heraus.


Acht Wochen vor der Geburt, acht Wochen nachher. Das ist die gesetzliche Schutzfrist. Aber da spielen auch Werthaltungen eine Rolle: Nach wie vor stimmen drei Viertel der Männer und knapp zwei Drittel der Frauen der Aussage zu, dass ein Vorschulkind unter der Erwerbstätigkeit der Mutter leiden wird. Und außerfamiliäre Kinderbetreuung wird oft als etwas Defizitäres betrachtet. Abgesehen davon kann auch gefragt werden, wie viel Arbeitszeit für Eltern ideal ist. Vielleicht wäre es optimal, wenn beide Elternteile Teilzeit erwerbstätig wären und mehr Zeit für die Familie erübrigen könnten.


In welchen sozialen Schichten gibt es die meisten neuen Väter?

Die Gruppen, die mit Abstand am häufigsten Kinderbetreuungsgeld beziehen, sind Selbstständige und Bauern. Das mag auch damit zusammenhängen, dass diese Gruppen es sich mit der Zuverdienstgrenze einfacher einrichten können. Ich bin skeptisch, anzunehmen, dass gerade die Bauern die Vorreiter eines fortschrittlichen Familienbildes sind. Dann gibt es sicher auch andere Gründe – etwa die zeitliche Flexibilität, die man als Selbstständiger hat.


Die neuen Karenzzeitmodelle bieten ja auch schon eine gewisse Flexibilität.

Nur, dass bei den einzelnen Kinderbetreuungsmodellen, etwa 30+6 oder 12+2, automatisch angenommen wird, dass die Zahl nach dem Plus die Zeit ist, die dem Vater zusteht. Tatsächlich bedeutet es, dass man den Bezug des Betreuungsgeldes ausdehnen kann, wenn es auch der andere Elternteil in Anspruch nimmt. In den Köpfen der Menschen aber steht, der Vater darf höchstens zwei Monate gehen. Nicht, dass es auch umgekehrt sein könnte.


Wo kann die Politik Weichen stellen, um gesellschaftlich etwas zu ändern?

Viele Kollegen sagen, man könne mit rechtlichen Regelungen nur wenig ausrichten. Ich denke, dass das schon zielführend wäre. Vieles funktioniert nur, wenn man das mehr oder weniger verbindlich macht. Ich weiß, dass es unendlich viele Argumente dagegen gibt, und dass es schwierig ist, das im Arbeitsalltag umzusetzen. Aber für Frauen ist es das jetzt auch schon.

von Anja Salomonowitz und Erich Kocina

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2013)

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