War die Rekordgeldbuße für Google erst der Anfang?

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Sollte die Entscheidung der EU-Kommission rechtskräftig werden, ist ihre Tragweite für Unternehmen in der digitalen Wirtschaft enorm. Auch Google droht weiteres Ungemach.

Wien. 2.424.495.000,00 Euro soll der Suchmaschinenriese Google an die Europäische Union überweisen – die höchste je von der Europäischen Kommission über ein einzelnes Unternehmen verhängte Geldbuße. Doch Google könnte noch weiteres Ungemach wegen anderer angeblicher Wettbewerbsverstöße drohen.

Vor rund sieben Jahren leitete die Europäische Kommission erstmals ein Ermittlungsverfahren gegen Google wegen angeblicher wettbewerbswidriger Bevorzugung seines Preisvergleichsdienstes (Google Shopping) ein. Vergangene Woche endete dieses mit einem Paukenschlag in Gestalt einer Rekordgeldbuße für den IT-Giganten aus Kalifornien.

Klage an EU-Gericht steht im Raum

Dass Google dies anstandslos hinnimmt, erscheint unwahrscheinlich. Kaum etwas – weder die Frage nach Googles Marktposition noch nach der Rechtswidrigkeit des zur Last gelegten Verhaltens – ist an dieser Entscheidung unumstritten. Eine Klage gegen die Entscheidung an das Europäische Gericht steht daher im Raum.

Inhaltlich geht es um den Vorwurf, Google hätte seine Position als führende Suchmaschine missbraucht, um seinen eigenen Preisvergleichsdienst (Google Shopping) zulasten seiner Mitbewerber zu fördern. Während Googles Preisvergleichsdienst regelmäßig ganz oben auf Seite eins der Suchergebnisse erscheint, würden Mitbewerber durch Googles Suchalgorithmus systematisch dahinter gereiht, und zwar deutlich. Der am besten platzierte Mitbewerber werde im Durchschnitt erst auf Seite vier der Trefferliste angezeigt. Nach Ansicht der Europäischen Kommission verstößt Google damit gegen EU-Wettbewerbsrecht. Als marktbeherrschendes Unternehmen dürfe es seinen eigenen Preisvergleichsdienst nicht anders behandeln als seine Mitbewerber, meinen die EU-Wettbewerbshüter. Den Mitbewerbern sei andernfalls die Chance genommen, durch bessere Produkte zu überzeugen und Verbraucher seien in ihrer Möglichkeit beschränkt, zwischen verschiedenen Diensten zu wählen.

Besteht überhaupt ein Leistungszwang?

Ob das tatsächlich so ist, ist unter Juristen äußerst umstritten. Vielfach wird ins Treffen geführt, dass Google nach gängigen Maßstäben nicht einmal verpflichtet wäre, Preisvergleichsdienste seiner Mitbewerber überhaupt in seine Suchergebnisse aufzunehmen. Weshalb sollte dann eine Verpflichtung zur Reihung an bestimmter Stelle oder gar zur Gleichbehandlung bestehen? Voraussetzung für einen solchen Listungszwang wäre nach gängiger Entscheidungspraxis des EuGH, dass Googles Suchmaschine für die angebotenen Leistungen der Preisvergleichsdienste unerlässlich ist, was wohl schon deshalb ausgeschlossen scheint, weil sich sämtliche Preisvergleichsdienste auch direkt aufrufen lassen. Allerdings hat das Europäische Gericht in einem Verfahren gegen einen anderen Technologiekonzern – Microsoft – schon einmal an dieser strengen Rechtsprechungslinie gerüttelt. Und auch die Europäische Kommission scheint das „Unerlässlichkeitskriterium“ früherer Entscheidungen alles andere denn als gesetzt zu sehen.

Doch selbst wenn man eine Verpflichtung Googles annehmen wollte, auch konkurrierende Anbieter in seine Trefferliste aufzunehmen, ist es zu einer verpflichtenden Gleichbehandlung dieser und eigener Angebote argumentativ noch ein weiter Weg. Irgendwie müssen die Ergebnisse schließlich gereiht werden.

Ungleichbehandlung eigener Dienste ist gang und gäbe

Sollte die Entscheidung der Europäischen Kommission dennoch auch vor dem Europäischen Gericht und allenfalls auch vor dem Europäischen Gerichtshof im Grundsatz halten, wäre die Tragweite der Entscheidung – jedenfalls für den Bereich der immer bedeutsamer werdenden digitalen Wirtschaft, aber wohl auch darüber hinaus – kaum zu überschätzen. Eine Ungleichbehandlung eigener Dienste gegenüber jenen konkurrierender Anbieter ist bei Unternehmen, die auf mehreren Marktstufen tätig sind, nahezu allgegenwärtig (man denke etwa an die Platzierung von Eigenmarken in verschiedensten Geschäften; im Online-Bereich verfolgen u.a. Netflix und Amazon vergleichbare Strategien). Diese – vertikal integrierten – Unternehmen müssten, wenn sie Marktmacht besitzen, ihre Geschäftspraktiken fortan ändern oder Geldbußen fürchten.

Und auch Google bleibt vorerst weiterhin in der Schusslinie der Europäischen Kommission. Diese führt mittlerweile noch weitere, ähnliche Verfahren gegen Google, unter anderem wegen der Kopplung von Googles Smartphone-Betriebssystem Android mit Google-eigenen Apps und Exklusivvereinbarungen im Zusammenhang mit Googles Suchmaschinenwerbung (AdSense).

Die Autoren

Dr. Alexander Hiersche, LL.M. ist Partner, Mag. Anna Theresa Mayer Rechtsanwaltsanwärterin bei Haslinger / Nagele & Partner. alexander.hiersche@haslinger-nagele.com; anna.mayer@haslinger-nagele.com

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