Nachtruhe gestört: Hahn darf bleiben

Nachtruhe gestoert Hahn darf
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Selbst im Wohngebiet muss man auf dem Land bestimmte Geräusche akzeptieren. Vor Gericht gezogen war ein Kärntner Ehepaar. Der Versuch, der Nachbarin die Haltung eines Hahnes zu verbieten, scheiterte aber.

Der Oberste Gerichtshof widerspricht den Vorinstanzen und gibt in einem aktuellen Fall der Tierhaltung Vorrang gegenüber dem Ruhewunsch von Nachbarn. Die Höchstrichter betonen nämlich, dass man sich auf dem Land bestimmten Tierlärm gefallen lassen muss – selbst wenn man nicht neben einem Bauernhof, sondern in einem Wohngebiet lebt.

Vor Gericht gezogen war ein Kärntner Ehepaar, das über Schlafstörungen klagte. Denn um 4.30 Uhr in der Früh begann der nachbarschaftliche Hahn zu krähen, alle 15 Minuten wiederholte sich das Theater. Neben dem Hahn hielt die Nachbarin zuletzt 13 Hennen. Hühnerzucht betrieb sie keine, die Eier verwendete sie für den eigenen Bedarf. Hühnerstall gab es keinen mehr, seit die Gemeinde den Abbruch veranlasst hatte. Die Tiere wurden aber in einem alten Stallgebäude mit dicken Mauern gehalten. Bei Sonnenuntergang mussten die Hühner dorthin, zwischen sieben und acht Uhr durften sie wieder heraus. Ein Sachverständiger stellte fest, dass das Krähen des Hahnes, solange er im Stall war, nur mit gemäßigter Lautstärke wahrgenommen werden konnte. Die Nachbarn betonten trotzdem, dass sie sich „in ihrer Lebensqualität erheblich gestört“ fühlten. Wegen der Schlafstörungen seien sogar Behandlungen beim Hausarzt nötig.

„Folge des ländlichen Charakters“

Das Ehepaar forderte das Gericht auf, der Nachbarin die Lärm- und Geruchsbelästigung zu verbieten, die durch die Haltung der Tiere entstehe. Es handle sich hier schließlich um ein Wohngebiet. Die Nachbarin betonte hingegen, dass selbst die Kirchenglocken lauter seien als ihr Hahn. Zudem sei auf ihrem Grundstück einst eine Landwirtschaft gewesen, und in der Nähe gebe es jetzt auch noch einen Bauernhof.

Das Bezirksgericht Villach aber gab dem Klagebegehren statt. In einer Gegend, die als „Bauland-Wohngebiet“ gewidmet sei, dürfe man keine Hühner halten. Das ergebe sich bereits aus der Raumordnung. Die Nachbarn müssten daher das Krähen eines Hahnes in frühen Morgenstunden nicht akzeptieren. Das Landesgericht Klagenfurt stimmte diesem Urteil zu. Der Oberste Gerichtshof aber drehte das Urteil um. Er betonte, dass sich die Liegenschaften der beiden Nachbarn in einem „aufgelockerten Siedlungsgebiet mit dörflich-ländlichem Charakter befinden“. In 250 bis 300 Meter Entfernung befände sich sogar ein echter Hof mit Hühnerhaltung.

In diesem dörflichen Umfeld müsse man die Geräusche von artgerecht gehaltenen Hühnern und ein oder zwei Hähnen als „ortsüblich“ hinnehmen. Insbesondere dann, wenn die Tiere über Nacht hinter Mauern gehalten würden. „Soweit diese Geräusche dennoch die Nachtruhe besonders empfindlicher Personen stören, muss das als Folge des ländlichen Charakters der Umgebung hingenommen werden“, befand der Oberste Gerichtshof (4Ob99/12f).

Das Thema Tiere und Nachbarschaft beschäftigt die Gerichte immer wieder. Erst in diesem Sommer entschied der Unabhängige Verwaltungssenat Steiermark, dass es für Anrainer unzumutbar sei, das nächtliche Läuten von Kuhglocken zu ertragen, zumal diese unnötig waren: Die Tiere grasten auf einer eingezäunten Weide. Kuhglocken könnten innerhalb einer Streusiedlung auch nicht mit einer traditionellen Besonderheit des ländlichen Raums gerechtfertigt werden, befanden die Richter (30.3-33/2011). Auf diese Tradition hatte sich der Bauer berufen, der sich beim UVS gegen die Ansicht der Bezirkshauptmannschaft wehren wollte.

Nicht gefallen lassen muss man sich auch eine große Zahl Katzen, wie ein Fall aus Hallein zeigte: Das Landesgericht Salzburg entschied, dass man „sicherlich nicht mehr“ als drei vom Nachbarn gehaltene Katzen akzeptieren müsse. Die Revision der Tierfreundin, die 15 Katzen halten wollte, scheiterte vor dem OGH (2Ob167/07h).

Auf einen Blick

Zwei Instanzen hatten einem Kärntner Ehepaar, das sich von einem Hahn in der Nachtruhe gestört fühlte, noch recht gegeben. Der Oberste Gerichtshof aber drehte das Urteil um: Er betonte, dass man im dörflichen Gebiet die Geräusche von artgerecht gehaltenen Hühnern und einem Hahn als „ortsüblich“ hinnehmen müsse. Daran ändere auch nichts, dass das Nachbarhaus kein Bauernhof ist und die Gegend als „Bauland-Wohngebiet“ gewidmet sei. Auf diese Punkte hatten sich das Bezirksgericht Villach und das Landesgericht Klagenfurt, die zuvor beide für das Ehepaar entschieden hatten, noch gestützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2012)

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