Faymann sollte sich "der Verantwortung stellen"

Faymann sollte sich Verantwortung
Faymann sollte sich Verantwortung(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Anwälte-Präsident Rupert Wolff meint, dass der Kanzler vor dem U-Ausschuss hätte aussagen sollen. Und er erklärt, warum Bürger im Umgang mit Facebook und der neuen Gesundheitsakte ELGA vorsichtig sein müssen.

Die Presse: Hat der parlamentarische Korruptions-Untersuchungsausschuss trotz seines abrupten Endes etwas Nachhaltiges bewirkt?

Rupert Wolff: Ich glaube doch, dass die Bevölkerung durch den U-Ausschuss einen geschärften Sinn für die Strafbarkeit von Korruption gewonnen hat. Die Politik geht mit Untersuchungsausschüssen in die richtige Richtung. Wir wären aber dafür, dass die Installierung des U-Ausschusses ein Minderheitenrecht wird. Und das Ganze sollte auf besseren Füßen stehen: Die U-Ausschüsse brauchten ein besseres Verfahrensrecht. Es muss klar sein, welche Rechte und Pflichten der Verfahrensanwalt hat, welche Vertrauenspersonen mitgenommen werden dürfen und welche Entschlagungsrechte es gibt.

Ist Österreich nach dem U-Ausschuss auf dem Weg, sauberer zu werden?

Ich glaube grundsätzlich an das Gute im Menschen so lange, bis ich vom Gegenteil überzeugt worden bin. Ich glaube, das Sensorium der Menschen ist nun geschärft für korruptionsnahes Verhalten, für Misswirtschaft und die Verschleuderung von Steuergeldern. Das alles ist auch dank der guten Berichterstattung der Medien bis nach unten gedrungen. Man hat den Eindruck, dass die Leute nicht nur gern in einem Land leben, wo Flüsse und Luft sauber sind, sondern auch, wo die Politik sauber ist.

Hätten Sie es begrüßt, wenn Kanzler Werner Faymann vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt hätte?

Dass er es nicht getan hat, war seine persönliche Entscheidung. Ich hätte es an seiner Stelle für richtig gehalten, vor den U-Ausschuss zu treten. Ein Politiker muss Verantwortung tragen und sich auch der Verantwortung stellen. Und wenn er bei der Beantwortung einzelner Fragen die Sorge hat, dass ihn das für allfällige Strafverfahren präjudiziert, dann muss er sich halt der Aussage entschlagen.

Viele Bürger seien von der Politik frustriert, ist immer wieder zu lesen. Sind Sie frustriert?

Ich bin nicht von der Politik frustriert. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch die Öffnung hin zu einer neuen Parteienlandschaft ist ein durchaus gutes Zeichen. Und es gelingt den Interessengruppierungen in Österreich, wie etwa den Anwälten, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Es gelingt, den Politikern zu zeigen, wenn bei einem Gesetzesentwurf der Wurm drin ist oder wenn ein Entwurf die Grund- oder Freiheitsrechte verletzt.

Sie haben das Thema neue Parteien gesprochen. Frank Stronach hat sich bisher eher abwertend über Juristen geäußert. Von ihm fielen gegenüber Juristen Sätze wie „Hör auf mit diesen Paragrafen“. Und Stronach kritisierte, dass es zu viele Gesetze gebe. Was halten Sie von Stronachs Äußerungen?

Selbst für uns Anwälte ist es oft schwierig, in einer verständlichen, klaren Sprache einen komplizierten juristischen Sachverhalt einem Klienten darzulegen. Aber eine der zentralen Aufgaben, die Anwälte haben, ist es, Übersetzer zu sein und Gesetze verständlich zu machen. Und da stehe ich gerne Frank Stronach zur Verfügung, wenn er einen Advokaten als Übersetzer braucht.

Aber hat Stronach nun mit seiner Kritik recht?

Sicher ist unser alltägliches Leben schon so verrechtlicht und kompliziert geworden, dass auch ich beim Lesen mancher allgemeinen Geschäftsbedingungen verzweifle. Wenn man zum Beispiel ein Konto bei Facebook anlegt, dann muss man an die hundert Seiten an allgemeinen Geschäftsbedingungen studieren. Das ist nicht mehr zumutbar.

Sie haben gefordert, das Gerichtsjahr wieder auf neun Monate auszudehnen. Wenn es anders nicht finanzierbar sei, könnte man auch den Rechtspraktikanten Geld vorschießen, das sie erst später zurückzahlen müssen, haben Sie im Frühjahr gemeint. Was wurde aus dieser Idee?

Nicht nur Rechtsanwälte, auch Richter und Staatsanwälte fordern, das Gerichtsjahr wieder auszudehnen. Allein das Argument des Justizministeriums, dass das Geld für neun Monate Gerichtsjahr nicht mehr da sei, überzeugt nicht. Erst vor Kurzem wurde die Studie des Europarats über die Effizienz der Justizsysteme veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass Österreichs Justiz einen Deckungsgrad von 109 Prozent hat. Die Justiz erwirtschaftet also fast zehn Prozent mehr, als sie kostet. Die Justiz ist hochprofitabel. Dann zieht aber das Argument nicht mehr, dass es kein Geld für die Ausbildung junger Juristen gibt.

Das Vorschussmodell kommt für Sie also im Lichte der Europarat-Studie nicht mehr infrage, und Sie fordern nun, dass der Staat gleich für die neun Monate Gerichtsjahr aufkommen soll.

Ja. Wir fordern wieder neun Monate Gerichtspraxis und wieder die Anhebung des Entgelts von 800 auf tausend Euro. Denn die Justiz hat selber ein Interesse daran, im Gerichtsjahr die besten Juristen zu haben und dann auszusieben, um gute Staatsanwälte und Richter zu erhalten. Wenn man das wirklich will, kann man den jungen Leuten doch nicht auch noch das Gehalt kürzen! 800 Euro – das ist ja das Existenzminimum.

Die Anwälte haben immer wieder vor Datensammlungen gewarnt, etwa bei der Vorratsdatenspeicherung. Nächstes Jahr kommt die Elektronische Gesundheitsakte ELGA. Würden Sie selber mitmachen wollen oder Bürgern raten, dabei nicht mitzumachen?

Ich werde nicht in das ELGA-Verfahren kommen, weil ich wie die meisten Rechtsanwälte eine eigene Krankenversicherung und keine E-Card habe. Aber überall, wo Daten gesammelt werden, gibt es das Problem, dass Daten dazu neigen, verloren zu gehen. Man muss den Sinn bei den Bürgern dafür schärfen, dass sie nicht leichtfertig mit den Daten umgehen. Das gilt nicht nur für ELGA, das gilt auch insbesondere für die Datenbekanntgabe auf allen Internetplattformen wie Facebook. Da muss man einfach vorsichtig sein.

Aber die Intention von ELGA ist es ja eigentlich nicht, Daten zu sammeln, sondern vielmehr die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Ärzten zu verbessern.

Die Verwaltung der Ärzte soll auch erleichtert werden. Es soll aber dem Bürger freigestellt werden, sich nicht damit einverstanden zu erklären, dass seine Krankheitsakten abgespeichert werden. Wenn er das nicht will, soll er das Recht des Opt-out haben.

Dieses Recht wird es auch geben. Aber würden Sie Bürger zu diesem Opt-out raten?

Das muss jeder für sich selber beurteilen. Es gibt Krankheitsdaten, die sensibel sind und die man nicht in dritte Hände gelegt haben möchte. Und es gibt andere Krankheitsdaten, die man sehr wohl in dritte Hände legen kann. Wenn ich einen Arzt konsultiere, weil ich eine Verkühlung habe, habe ich nicht wirklich Bedenken, wenn diese persönlichen Daten aufgezeichnet werden. Bei anderen Krankheiten, oder wenn Befunde mit anderen Befunden von Fachärzten verbunden werden, muss man aber vorsichtig sein.

Wenn Sie sich anschauen, was Bürger auf Facebook so alles von sich geben: Ist es enttäuschend für Sie, dass die Bürger beim Thema Datenschutz so wenig sensibilisiert sind?

Ich habe den Eindruck, dass die Sensibilität wächst. Und das ist wichtig. Denn wer auf Facebook seine Urlaubsfotos abspeichert, um sie mit anderen zu teilen, tritt nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen sein Recht an die Firma Facebook ab. Es könnte also am nächsten Tag eine riesige Plakatkampagne zum Beispiel für Palmers starten, mit meinem Konterfei, wie ich am Strand sitze. Ob das rechtlich hält, steht wieder auf einem anderen Blatt.

Was könnte rechtlich gegen die Geschäftsbedingungen von Facebook sprechen?

Die Betreiber könnten vor allem mit dem Konsumentenschutzgesetz ein Problem bekommen. Aber man muss jedenfalls das Sensorium der Bürger dafür schärfen, dass persönliche Daten persönlich sind und die Bürger ein Recht haben, diese zu schützen.

Auf einen Blick

Rupert Wolff ist seit September 2011 Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags. Der Salzburger Advokat durchbrach damit die Serie von Wienern an der Spitze an der Anwaltschaft. Wolff war zuvor bereits seit 2002 Vizepräsident des Rechtsanwaltskammertags. Der 55-Jährige studierte Jus in Wien und Padua, seit 1987 ist er als Rechtsanwalt in der Anwaltskanzlei Wolff, Wolff & Wolff in Salzburg tätig. Rupert Wolff ist seit 1992 auch Mitglied der österreichischen Delegation zum CCBE (Rat der Anwaltschaften der Europäischen Union).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2012)

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