Mehr Rechte für Leiharbeitnehmer, zum Teil praxisfern

Mehr Rechte fuer Leiharbeitnehmer
Mehr Rechte fuer Leiharbeitnehmer(c) Dapd (Roland Magunia)
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Entliehene Mitarbeiter werden der Stammbelegschaft weitgehend gleichgestellt, diese damit möglicherweise benachteiligt.

Wien. Vorige Woche wurde die lang erwartete Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl I Nr 98/2012). Sie wird mit einigen Ausnahmen am 1.Jänner 2013 in Kraft treten und stellt die Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie in Österreich dar. Daneben enthält die Novelle auch einige „hausgemachte“ Vorschriften. Dieser Artikel behandelt die Neuerungen aus der Sicht des Beschäftigers, also des „Entleihers“ von Arbeitskräften.

•Gleichbehandlungspflicht auch für Beschäftiger. Der Beschäftiger hat nunmehr insbesondere bei der Auswahl der überlassenen Arbeitskräfte, bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung einer Überlassung (also der „Rückstellung“ von Leiharbeitnehmern) jegliche Ungleichbehandlung nach dem Geschlecht, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu unterlassen.

Führt eine Diskriminierung durch den Beschäftiger dazu, dass der Leiharbeitnehmer zunächst „zurückgestellt“ und dann vom Überlasser gekündigt wird, kann die Kündigung vom Leiharbeitnehmer angefochten werden und der Beschäftiger haftet dem Überlasser für alle daraus resultierenden Aufwendungen.

•Betriebliche Altersversorgung.Wird ein Leiharbeitnehmer für mehr als vier Jahre an einen Beschäftiger überlassen, der seinen eigenen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersvorsorge erteilt hat, so hat der Beschäftiger nach Ablauf des vierten Jahres der Überlassung ab diesem Zeitpunkt für den Leiharbeitnehmer ebenfalls dieselben Beiträge in die Pensionskasse oder an die betriebliche Pensionsversicherung des Beschäftigers zu leisten. Diese Regelung tritt Anfang 2014 in Kraft. Da sich die Beiträge des Beschäftigers für dessen Stammbelegschaft häufig nach dem jeweiligen Bruttobezug der Dienstnehmer richten, wird der Beschäftiger daher beim Überlasser die jeweiligen Bruttobezüge der Leiharbeitnehmer in Erfahrung bringen müssen, um seiner Verpflichtung ordnungsgemäß nachkommen zu können.

•Wohlfahrtseinrichtungen. Der Beschäftiger hat den Leiharbeitnehmern nunmehr in der Regel Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmitteln etc. zu gewähren, und zwar zu den gleichen Bedingungen, wie sie für die Stammbelegschaft gelten. Von Leiharbeitnehmern dürfen daher in der Betriebskantine keine höheren Preise mehr verlangt werden. Soweit der Beschäftiger allerdings Essensgutscheine ausgibt, die auch außerhalb der Kantine verwendet werden können, kann er dies auf seine Stammbelegschaft beschränken; denn dabei handelt es sich nicht um eine Wohlfahrtsmaßnahme, sondern um Entgelt. Nicht umfasst sind weiters Wohlfahrtseinrichtungen und -maßnahmen, die nicht vom Beschäftiger selbst, sondern vom Betriebsrat des Beschäftigerbetriebes zur Verfügung gestellt werden (z.B. Erholungsheime, Betriebsratskantinen etc.). Aus arbeitsverfassungsrechtlicher Sicht zählen allerdings auch überlassene Mitarbeiter zur Belegschaft des Beschäftigerbetriebs, sofern die Überlassung auf länger als sechs Monate angelegt ist (und die überlassenen Mitarbeiter daher diesfalls das aktive und passive Wahlrecht für Betriebsratswahlen haben und von ihnen auch eine Betriebsratsumlage eingehoben werden kann). Daher werden sie berechtigt sein, an Wohlfahrtseinrichtungen und -maßnahmen des Betriebsrats des Beschäftigerbetriebs teilzunehmen.

•Informationspflicht. Schon bisher bestand eine Pflicht des Dienstgebers, Mitarbeiter mit befristeten Dienstverhältnissen über die im Betrieb offenen permanenten Stellen zu informieren. Nunmehr sind Beschäftiger verpflichtet, die bei ihnen eingesetzten Leiharbeitnehmer über offene Stellen im Beschäftigerbetrieb zu informieren.

•Ankündigung des Einsatzendes. Weniger leicht zu handhaben ist die neue Verpflichtung des Überlassers, der überlassenen Arbeitskraft das Ende der Überlassung mindestens vierzehn Tage vor deren Ende mitzuteilen, wenn die Überlassung an den Beschäftiger zumindest drei Monate dauert und das Ende der Überlassung „nicht auf objektiv unvorhersehbare Ereignisse zurückzuführen ist“.

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass z.B. Baustellen wegen besonders günstiger oder auch ungünstiger Witterung früher als geplant abgeschlossen werden oder dass ein Großprojekt beim Beschäftiger früher als erwartet endet – und der Einsatz der Leiharbeitnehmer bei diesem Beschäftiger daher früher als geplant beendet wird. Nach den Gesetzesmaterialien wird „davon ausgegangen, dass der Überlasser und der Beschäftiger entsprechende Vorkehrungen (zum Beispiel vertragliche Vereinbarungen) treffen, damit der Überlasser diese Informationspflicht erfüllen kann“.

Diese Verpflichtung entstammt der EU-Leiharbeitsrichtlinie und erscheint etwas praxisfern. Vom Beschäftiger wird offenbar erwartet, dass er stets in der Lage ist, über „nicht objektiv unvorhersehbare Ereignisse“ und deren Auswirkung auf das Ende der Überlassung bereits mindestens vierzehn Tage im Vorhinein Bescheid zu wissen. Mit der theoretischen Möglichkeit, dass das Wetter der nächsten 14 Tage besonders günstig sein könnte und dass die Baustelle daher früher als geplant abgeschlossen wird, muss man wohl stets rechnen. Günstige Witterung ist schlichtweg „objektiv unvorhersehbar“. Würde man die Informationspflicht 14 Tage vor dem Einsatzende von Leiharbeitnehmern daher auf die Spitze treiben, müsste der Beschäftiger in solchen Fällen (bei besonders günstiger Witterung) zunächst seine eigene Belegschaft von der Baustelle abziehen (was ihm jederzeit ohne Vorankündigung möglich wäre), um eine zu kurzfristige Rückstellung der Leiharbeitnehmer zu vermeiden. Dies könnte zu einer Benachteiligung der Stammbelegschaft führen, welche ebenfalls der Intention des AÜG widerspräche. In weiser Voraussicht hat der Gesetzgeber für den Verstoß gegen diese Informationspflicht keine Strafsanktion normiert.

Mag. Bert Ortner ist Rechtsanwalt bei Fiebinger Polak Leon und Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2012)

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