Mehr gemeinsame Obsorge, neues Kontaktrecht als Pflicht

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Kindschaftsrecht reformiert. Ab Februar kann das Gericht die Obsorge beider Eltern erzwingen; Besuchsrecht nicht mehr nur am Wochenende.

Linz. Am 1. Februar treten umfangreiche Änderungen des Kindschaftsrechts in Kraft. Erklärtes Ziel ist es vor allem, die Differenzierung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern zu beseitigen. Dies schlägt vor allem im Obsorgerecht durch, das neben dem Besuchsrecht (neu „Kontaktrecht“) grundlegend neu gestaltet wird: Künftig kann das Gericht die gemeinsame Obsorge auch gegen den Willen eines oder beider Elternteile festlegen, aber auch einen Elternteil allein mit der Obsorge betrauen, ohne dass andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre.

Zwar bleibt die anfängliche alleinige Obsorge der Mutter für Kinder nicht verheirateter Eltern aufrecht, doch wird die Begründung einer gemeinsamen Obsorge nun erleichtert: Die Eltern können die gemeinsame Obsorge auch vor dem Standesamt durch eine entsprechende Erklärung bei gleichzeitiger Anwesenheit vereinbaren. Sie können allerdings binnen acht Wochen widerrufen. Bisher musste eine solche Vereinbarung vor Gericht geschlossen und zudem gerichtlich genehmigt werden. Eine solche Genehmigung ist zwar nun nicht mehr notwendig, doch kann das Gericht die Vereinbarung für unwirksam erklären, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Zu diesem Zweck hat ein Informationsaustausch zwischen Standesamt und Gericht stattzufinden.

Übersiedlung im Alleingang

Leben die Eltern voneinander getrennt, so müssen sie gleichzeitig bestimmen, wer von ihnen das Kind hauptsächlich betreut. Dieser „Domizilelternteil“ erfüllt durch die Betreuung seine Unterhaltspflicht, sodass der andere Elternteil voll geldunterhaltspflichtig ist. Das Recht, den Wohnort zu bestimmen, steht dem hauptsächlich betreuenden Elternteil allein zu.

Dies betrifft sowohl eine Übersiedlung im Inland als auch den Umzug ins Ausland. Vor dem beabsichtigten Umzug ist allerdings das Einvernehmen mit dem anderen Elternteil herzustellen, wenn beide Elternteile obsorgeberechtigt sind. Steht dem anderen Elternteil kein Obsorgerecht zu, ist er zumindest von einer Übersiedlung zu informieren; er kann sich dazu in angemessener Frist äußern. Ist noch kein Domizilelternteil festgelegt, ist ein Umzug ins Ausland nur mit Zustimmung des getrennt lebenden Elternteils oder durch das Gericht zulässig.

Im Streitfall hat das Gericht eine sechsmonatige – auch verlängerbare – Frist der „vorläufigen elterlichen Verantwortung“ anzuordnen. Dabei wird bei noch unveränderter Obsorge einem Elternteil die hauptsächliche Betreuung aufgetragen und dem anderen ein derart ausreichendes Kontaktrecht eingeräumt, dass er auch Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen kann. Nach dieser Phase hat das Gericht anhand der gemachten Erfahrungen einschließlich der Leistung des gesetzlichen Unterhalts rechtsgültig über die Obsorge bzw. die hauptsächliche Betreuung zu entscheiden.

Diese Regelung erscheint mir etwas problematisch: Einerseits verursacht sie einen nicht unerheblichen Verfahrensaufwand; anderseits drückt sich der Gesetzgeber etwas unklar aus. In diesem Zusammenhang sind nämlich die Höhe der Unterhaltsleistungen und die Details des Kontaktrechts festzulegen: Weil sich die Höhe des Unterhalts nach der Rechtsprechung auch nach den Betreuungsleistungen richtet, ist es zuweilen schwierig, im Vorhinein den Unterhalt auf Euro und Cent genau festzusetzen. Andererseits ist auch nicht klar ersichtlich, ob auch die bisherige „Zahlungsmoral“ Einfluss auf die endgültige Entscheidung des Gerichts hat.

Hausübung als Besuchsprogramm

Die Eltern müssen künftig schon in ihrer einvernehmlichen Scheidung die Ausgestaltung des Kontaktrechts genau festlegen. Sofern im Kindeswohl gelegen, kann das Kontaktrecht nunmehr auch gegen den Willen des kontaktberechtigten Elternteils vom Gericht geregelt und durchgesetzt werden – etwa durch gerichtliche Verweise oder Geldstrafen. Das Gesetz schreibt vor, dass das Kontaktrecht nicht mehr bloß an Wochenenden stattfinden soll; vielmehr soll sich der andere Elternteil auch am Alltagsleben des Kindes beteiligen – etwa durch Unterstützung beim Lernen und den Hausaufgaben.

Das kann den hauptsächlich betreuenden Elternteil erheblich entlasten und ist sehr begrüßenswert, weil es zu einer intensiveren Beziehung zum Kind führen wird. Das Besuchsrechts zu dritten, für das Kind wichtigen Bezugspersonen ist erweitert worden. Vor allem dem biologischen Vater, dem nicht die rechtliche Vaterschaft zukommt, ist ein Kontaktrecht einzuräumen, wenn dies im Kindesinteresse liegt. Neu ist auch ein Vertretungsrecht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils in Angelegenheiten des täglichen Lebens.

Univ. Prof. Dr. Deixler-Hübner lehrt am Institut für Europäisches und Österreichisches Zivilverfahrensrecht der Universität Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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