Arzthaftung: Höchstrichter wollen mehr ärztliche Aufklärung

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In zwei aktuellen Urteilen wird Patienten Ersatz für ihre Zahnschäden zugesprochen. In beiden Fällen hatten die Mediziner zwar über mögliche Komplikationen des Eingriffs informiert. Aber nicht ausreichend, sagt der OGH.

Wien. Ärzte tun gut daran, Patienten möglichst genau darüber zu informieren, welche Folgen ein Eingriff haben kann. Das zeigen gleich zwei aktuelle Fälle: In beiden Fällen urteilte der Oberste Gerichtshof (OGH), dass das Aufklärungsgespräch mangelhaft war.

Im ersten Fall hatte eine Zahnärztin den Ober- und den Unterkiefer eines Patienten mit Goldkronen versorgt. Der Eingriff war nicht dringlich. Wenn ein Eingriff nicht eilig geboten ist, fordert die Judikatur eine umfassende Aufklärung des Patienten, auch wenn der Eingriff medizinisch empfehlenswert ist. Tatsächlich fand auch ein Aufklärungsgespräch statt. Darin informierte der Zahnarzt den Patienten darüber, dass Allergien möglich seien, wenn man Kronen verwende, die nicht aus Edelmetall sind. Der Patient entschied sich daher für Goldkronen. Was der Arzt aber nicht sagte: Auch bei Goldkronen sind – wenn auch nur sehr selten – Allergien möglich.

Genau dieser Fall trat hier aber ein: Der Patient musste daher seine Goldkronen erst recht wieder durch Vollkeramikkronen ersetzen lassen. Für die daraus entstehenden Kosten wollte der Zahnarzt keinesfalls einstehen. Der Patient hingegen betonte, er hätte vor dem Einsetzen der Goldkronen einen Allergietest machen lassen, wenn ihn der Zahnarzt über die Risiken informiert hätte. Es kam zur Klage. Sowohl das Landesgericht als auch das Oberlandesgericht Linz entschieden für den Patienten.

Patient kennt nicht alle Allergien

Das Oberlandesgericht betonte dabei sogar, dass seine Ansicht, wonach hier eine Aufklärungspflicht besteht, offenbar nicht mit der Praxis von Zahnärzten in Einklang stehe. Der Mediziner zog vor den OGH. Aber auch dieser entschied, dass der Arzt sehr wohl seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Zwar könne man im Nachhinein nicht mehr feststellen, ob der Patient von Anfang an eine Goldallergie hatte oder ob diese erst nach dem Eingriff entstand. Ein Test vorab hätte aber zumindest über vorhandene Allergien Auskunft gegeben. Deswegen hätte der Mediziner warnen müssen. Denn es sei in der Zahnmedizin durchaus bekannt, dass auch hochgoldhaltige Legierungen Allergien auslösen können. An der Haftung des Arztes änderte auch nichts, dass der Patient in einem Formular beim Zahnarzt vermerkt hatte, dass er keine Allergien habe. Der OGH (2 Ob 43/12f) bestätigte auch hier die Ansicht der Vorinstanz, der zufolge man nicht davon ausgehen dürfe, dass Patienten alle ihre Allergien kennen. Vor einer konkreten Behandlung bedürfe es daher noch einmal einer speziellen Aufklärung.

Im zweiten Fall ging es um eine Schulteroperation. Der Anästhesist führte ein Aufklärungsgespräch durch und stellte dabei fest, dass die Vorderzähne des Klägers locker waren. Der Arzt wies darauf hin, dass es bei der Intubation zu einer weiteren Lockerung der Zähne kommen könnte. Der Patient entgegnete, er habe ohnedies vor, sich die lockeren Zähne in den nächsten ein bis zwei Jahren richten zu lassen. Tatsächlich kam es durch die OP zu einer Schädigung der Zähne; nun konnte der Betroffene nicht mehr ohne Probleme essen. Er klagte den Betreiber des Krankenhauses: Dieser solle die Kosten der Zahnsanierung ersetzen.

Ohne Info ist Einwilligung nichtig

Während das Bezirksgericht Klagenfurt noch keinen Schadenersatz zusprechen wollte, setzte sich der Patient vor dem Landesgericht Klagenfurt durch. Es erklärte, dass der Patient nur dann rechtswirksam in eine OP einwilligen könne, wenn man ihn vorher über Möglichkeiten der Prophylaxe informiert hat. Der OGH (9 Ob 52/12f) bestätigte das Urteil: Ärzte dürften nicht behaupten, dass Patienten auf präventive Maßnahmen verzichten wollten, wenn man sie gar nicht über simple Möglichkeiten wie eine schützende Zahnspange informiert hatte. Der Spitalsbetreiber haftet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2013)

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